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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 5.1913

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13. Heft
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Baumeister, Engelbert: Eine niederländisch-burgundische Gravierung von 1433
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https://doi.org/10.11588/diglit.26374#0525

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EINE NIEDEHLRNDISCH-BURGUNDISCHE
GRAVIERUNG VON 1^33 Von E. BAUMEISTER
Mit 1 Rbbildung

Tm Hiftorifchen Mufeum zu Bafel befindet fich eine Bronzetafei (1,20X1,005 m)^-
-L(fiehe Abbildung), die mir für die Geburtsftunde und Heimatskunde des Kupferftiches
von Bedeutung zu fein fcheint.
Man hat über die Entftehung des Kupferftiches früher viel gefabelt, bis die Stunde
kam, wo mit den Fabeln gründlich aufgeräumt wurde, ohne daß es gelang, die
klaffende Leere durch neue fichere Tatfachen auszufüllen. Das vorliegende Werk
fcheint mir nun befonders geeignet, in Dunkelheit und Unficherheit Licht und Anhalt
zu gewähren, da es nicht zu den zahlreichen Zigeunerkindern der Kunftgefchichte ge-
hört, deren Alter, Herkunft und Schickfal uns Rätfel aufgeben, fondern in feiner Unter-
fchrift eine klare, urkundliche Beglaubigung trägt.
Aus ihr geht hervor, daß die Gravierung 1433^ von der Herzogin Ifabella
von Burgund dem Karthäuferklofter zu Bafel gefchenkt wurde.
Die rechts kniende Stifterin ift demnach die fürftliche Schenkerin, der Ritter links
ihr Gemahl, Philipp der Gute, der Jüngling hinter ihm der Sohn, der fpätere Herzog
Karl der Kühne; die beiden kleinen Geftalten hinter Ifabella beziehen fich auf früh
verftorbene Kinder. ^ Die ftehenden Heiligen find als Andreas und Elifabeth leicht zu
deuten. Die altfranzöfifche Schrift auf der Bandrolle: „aultre naray, tant yue je vive"
(ich werde keine andere haben, fo lange ich lebe) ift der Wahlfpruch des Herzogs,
den er nach Heimführung feiner dritten (!) Gattin Ifabella kundgab. Das große Wappen
rechts oben berichtet von dem Vaterland der Herzogin, Portugal, die übrigen kleineren
und größeren Wappen find burgundifch.
Es kann natürlich keinem Zweifel unterliegen, daß diefe prächtige Arbeit, die leider
durch ein herausgefprungenes Stück arg verunftaltet ift, in Burgund angefertigt wurde.
Ein Werk von fo reifer Formenfchönheit und warmer Befeelung ift in der erften Hälfte
des 15. Jahrhunderts im Norden nur denkbar von der Hand eines Niederländers, der
in Burgund arbeitete. Es ift wohl unnötig, an den oft befangenen prachtftro^enden
Hof in Dijon mit feinen Beziehungen zu der beften niederländifchen Künftlerfchaft zu
erinnernd
Die Technik unferer Gravierung erfcheint mir nun, wie erwähnt, befonders be-
deutungsvoll als Vorftufe der Kupferftichtechnik. Die Linien find, wie die fpiß aus-
laufenden Enden beweifen, mit dem Grabftichel gearbeitet. Die tiefen, breiten Haupt-
furchen waren allerdings mit einer farbigen Maffe, von der noch Refte erhalten find,
ausgcfüllt. Die Behandlung der feineren Linien aber unterfcheidet fich in keiner Weife
von der üblichen Bearbeitung einer Kupferftichplatte. Überrafchend reif ift die Wieder-
gabe der Schatten, deren Stufenfolge von kräftigen Kreuzlagen zu feinen, tonigen
Parallelfchraffen fortfehreitet. Wie wir es befonders bei dem frühen italienifchen
Kupferftich gewöhnt find, fteckt die ganze Darftellung noch in den Eeffein der orna-
mentalen Flächenverzierung. Der Hintergrund wird von Doppeladlern gebildet, die in
Blütenftengel beißen; mit der größten Gewiffenhaftigkeit wird auch der kleinfte Zwifchen-

* Freundliche Mitteilung von Herrn Dr. E. Major.
2 Die Jahreszahl am Schluffe unten rechts: Anno.millesimo CCCCo tricesimo tertio.
^ Vgl. Führer des Hiftorifchen Alufeums zu Bafel (1906) S. 26.
^ Unfere Stifterin Ifabella wurde bekanntlich als auserkorene Braut im Aufträge Philipp des
Guten von Jan v. Eyck 1428 in Portugal gemalt.

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