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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 5.1913

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23. Heft
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Literatur
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VERMISCHTES ° LITERATUR

Es mißt 1,15 auf 1 m und zeigt Lucretia ais
anziehende junge Frau. In der Rechten hält fie
den Dolch, den fie an die Bruft fe§t, um damit
den tödlichen Stoß zu voüführen. Die Linke hat
fie erhoben. Das Kieid ift von goldnem Brokat-
ftoff mit einem Schimmer von rot, gelb und
grün, das Halstuch von feinem Batift. Die weiten
Ärmel laffen die Arme zum Teil entbiößt. Der
Hatsfchmuck befteht aus zwei Kolliers, dabei
eine Perlenfchnur mit Anhänger, im linken Ohr
funkelt eine einzelne Perle. Mit feiner Farben-
pracht und der Stoffbehandlung des Gewandes
erinnert das Meifterftück an die Segnung Jacobs
durch Ifaak(1656) inKaffel, an den Homer (1663)
im Haag, und an die Judenbraut (1668) imRijks-
mufeum. Es offenbart aiie Vorzüge diefer be-
rühmten Stücke und trägt auch aiie Kennzeichen
der lebten großen Periode.
Als Bode von dem Befißwechfel in Kenntnis
gefeßt wurde, beantwortete er die Mitteilung
telegraphifch mit einem Glückwunfch und fügte
dieBemerkung hinzu: „Ein herrlicherRembrandt."
Auch die hohändifchen Biätter find voll Freude
über den Ankauf Janffens, weifen darauf hin,
daß von nun an neben denMeifterwerkenRem-
brandts „Nachtwache", „Staaimeefters", „Saul
und David", „der Judenbraut", „dem Burger-
meifter Six" und „Homer" auch die „Lucretia"
ais eines der herrlichften Arbeiten genannt wer-
den müßte, die Hoiiand von dem Künftter befißt,
und nennen die Erwerbung ihres Mitbürgers
eine wahrhaft patriotifche Tat. R. B.
HAAG WIEDER EIN NEUER REMBRANDT!
In der Haager Kunfthandlung von A. Preyer
ift augenbhcklich ein großes Gemälde von Rem-
brandt ausgeftellt, das aus England ftammt und
bis heute unbekannt geblieben ift. Es ift ein
Jugendwerk des Meifters und wohl noch in
Leiden entftanden. Es ftelit einen Mann in
blauer Hemdenblufe dar — von einem Biau, wie
es bis ;Vor einem Jahrzehnt in Hoiiand allge-
mein von den Müllern getragen wurde — der
auf einen Gänfekiel herunterblickt, den er an-
fcheinend eben zugefchnitten hat, da er in der
anderen Hand ein Meffer hält. Die Arbeit, an
der er vorher tätig war, hat er auf einen Augen-
blick unterbrochen. Vor ihm liegt ein Stoß ge-
öffneter und gefchloffener Bücher, in Leder und
Pergament gebunden. Und auf einem Brett zur
Linken, ein wenig höher, fieht man lederne
Geldfäcke aufgeftapelt, wie man fie damals in
Gebrauch hatte. Der Kopf des Mannes ift in
den Bildern Rembrandts nicht unbekannt (be-
kanntlich kehrt in ihnen dasfelbe Modell fehr
häufig wieder). Er erinnert an „Rembrandts
Vater" (?) in London (Fleifchmann), in Bofton,

an die Biider in Kaffe! und Leipzig. Audi denkt
man an den „Simfon" in Berlin, wie an den
„Jeremias" in Petersburg und den „Schtafenden
Greis" in Turin. Möglicherweife war der Dar-
geftellte ein Blutsverwandter von ihm und ftand
mit feines Vaters Mühle in Beziehung.
Die vorhergehende Note in dem Gemälde ift
das lichte Biau der Blufe, das im Vordergrund
durch ein echt rembrandtifches Braun der in
wundervollem Helldunkel gehaltenen Bücher und
Papiere kompenfiert wird. Prächtig modelliert
ift die linke Hand, die den Gänfekiel hält. Cha-
rakteriftifch für diefe Periode find auch die Streif-
lichter auf den Buchfeiten und das aiimäh-
lich zerfließende Licht auf dem Pergament eines
Bucheinbandes zur Rechten. Ebenfo findet man
die eigentümliche Technik der frühen Zeit bei
diefer Arbeit angewandt, daß z. B. die Barthaare
des Mannes mit dem Stil des Pinfels gemalt find.
Obwohl in dem ganzen Oeuvre des Meifters
kein einziges Stück vorkommt, das mit diefem
eine befondere Übereinftimmung zeigt, fpricht
fich darin der Charakter Rembrandts doch fo
deutlich aus, atmet es doch fo fehr feine Seele,
daß man unmittelbar von dem Gefühl ergriffen
wird, vor einem Werk von feiner Hand zu
ftehen. Die Leinwand trägt keine Bezeichnung,
nur einige undeutliche Buchftaben. Bode, der
das Bild gefehen hat, bezeichnete es nicht nur
als echt, fondern geriet darüber in große Freude
und verfprach, es in den Supplementband feines
großen Rembrandtwerkes aufzunehmen. R. B.

LITERATUR
Der 24. Band der Klaffiker der Kunft in
Gefamtausgaben (Stuttgart, deutfehe Ver-
lagsanftait) bringt das Werk GERARD DOUS,
gefammelt, geordnet und eingeieitet von dem
beften Kenner des Meifters, dem Direktor der
Galerie im Mauritshaus Martin. Die vortreff-
liche Einleitung umfehreibt kurz die Entwicklung
und die Art des Künftiers, der früh fchon zu
den gefuchteften feiner Zeit gehört hat, fein Ver-
hältnis zu Rembrandt und die Probleme der
Douforfchung. Die Anordnung der Bilder hat
auf die chronologifche Reihenfolge verzichtet,
und dafür die Zufammenfteliung nach Themen
vorgezogen, was bei der Schwierigkeit der Echt-
heitskritik Doufcher Biider dem Benutzer die
Arbeit erheblich erleichtert. Der Band enthäit
in Abbildungen nur die Bilder, die für echt gelten
können, während die, die auf den Namen Dou
in den größeren Sammlungen fonft noch getauft
find, in einem befonderen Verzeichnis am Schluß
der Einleitung zufammengefteilt find. Befonders

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