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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 5.1913

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5. Heft
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Mayer, August Liebmann: Madrider Privat-Sammlungen, [3], die Gemälde der Sammlung D. Pablo Bosch
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https://doi.org/10.11588/diglit.26374#0185

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MADRIDER PRIVAT-SAMMLUNG EN
III. DIE GEMÄLDE DER SAMMLUNG D. PABLO BOSCH
Mit 7 Abbildungen Von A. L. MAYER
T Tnter allen Madrider Privatfammlungen ift die von D. Pablo Bofch vieüeicht die-
LJ jenige, die am meiften perfönlichen Charakter befi^t. Schon nach wenigen Augen-
blicken erkennt der Befucher den Gefchmack und die Neigungen des Sammlers. Aber
nicht nur dies, die Vorliebe für nordifche und fpanifche Primitive macht diefe Samm-
lung intereffant und reizvoll, fondern fie erhält einen befonderen Wert durch das
große Qualitätsgefühl ihres Befit$ers und mit Recht haben einige Stücke bereits jet$t
geradezu Weltberühmtheit erlangt. Unter den frühen Niederländern ragt vor allem eine
aus einem Klofter bei Logrono ftammende „Madonna mit dem Jefusknäblein" her-
vor (Abb. 1), eine Art „Ruhe auf der Flucht nach Ägypten" (die Flucht felbft ift im
Flintergrund dargeftellt), die Weale als eine gemeinfame Arbeit von Patinir und
Gerhard David, und Bodenhaufen als eine ungewöhnlich gute alte Kopie nach
einem verfchollenen Werk von Gerhard David angefprochen hat. Vielleicht ift aber
Bodenhaufen hier etwas zu kritifch gewefen, wir wiffen nicht, ob fich feine Be-
denken wegen der für David felbft angeblich zu breiten Behandlung, des paftofen,
unvertriebenen Vortrags wirklich halten laffen, und möchten lieber an den Meifter
felbft als Autor diefer köftlichen Madonna glauben. Jedenfalls Jteht diefes Exemplar
turmhoch über der fehr fchwachen Wiederholung, die man im Mufeum von Ant-
werpen fieht.
Einen ähnlichen Vorwurf wie diefes Bild behandelt das kleine Halbfigurenbild „Die
Madonna mit dem eingefchlafenen Chriftkind" vor landfchaftlichem Hintergrund, eine
Tafel, die zweifelsohne aus dem Kreis des Quentin Matfys, vielleicht von einem
Schüler diefes Malers ftammt. Gleichfalls in die Nähe des Antwerpener Meifters ge-
hört die ziemlich weichliche Halbfigur des „Erlöfers", die einft vor anderem Grund ge-
ftanden zu haben fcheint. Die Landfchaft auf der Weltkugel hat, wie man fofort
erkennt, patinirartigen Charakter. Ein weiterer „Salvator mundi" (Abb. 2) von ftark
bräunlicher Karnation, etwas hart in der Zeichnung, mit Renaiffancearchitektur, die
von Putten belebt wird, als Hintergrund, ift nicht fehr leicht unterzubringen. Am
eheften dürfte das Bild aus dem Kreis des jungen Lambert Lombard ftammen. Gleich-
falls ein etwas rätfelhaftes Stück ift das in fehr hellem, kühlen Ton gehaltene Bild,
das eine „Kirfchen madonna" mit anbetendem Stifter — einen Abt offenbar — dar-
ftellt (Abb. 3). Das Stück gehört offenbar fchon dem frühen 16. Jahrhundert an, man
fpürt noch Anklänge an die Kunft Memlings. Wir wagen aber nicht zu entfeheiden,
ob das Bild rein niederländifch oder nicht am Ende franzöfifch ift.
Zu den beften Stücken der Sammlung gehört dann die voll fignierte, 1522 datierte
„Heilige Familie" des Barent van Orley, die zu den vollendetften Schöpfungen diefes
Meifters gehört (Abb. 4), von großem Intereffe wegen der eigenartigen Wiedergabe
des Sujets, der Kompofition, der faft pikant zu nennenden Lichtbehandlung, der
duftigen Wiedergabe der Landfchaft und fchließlich der ungemein forgfältigen Aus-
führung. Gewiffe technifche Details wie vor allem die Behandlung des Kopfes des
hl. Jofeph verraten deutlich, daß Albrecht Dürer, der im Jahre vor der Vollendung
diefes Bildes bekanntlich Orley in Antwerpen befucht hat, auch in rein technifcher
Hinficht einen gewiffen Einfluß auf den niederländifchen Meifter ausgeübt hat. Da-
gegen möchten wir die von gewiffer Seite aufgeftellte Hypothefe, Dürer felbft habe
Orley bei diefem Bild geholfen, doch als zu wenig begründet ablehnen.

Der Cicerone, V. Jahrg., 5. Heft

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