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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 5.1913

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15. Heft
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Habicht, Victor Curt: Eine Hochzeitsschüssel mit einem Gemälde nach einem Stiche des Meisters E. S.
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https://doi.org/10.11588/diglit.26374#0591

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EINE HOCHZEITSSCHÜSSEL MIT EINEM
GEMÄLDE NACH EINEM STICHE DES
JML EI STERS E. S. Mit einer Abbildung / VonV.C. HABICHT
l^e vorliegende Teiier, im Befi^e des Keftner-Mufeums zu Hannover befindlich,
ift aus verschiedenen Gründen einer eingehenden Würdigung und weiterer Kenntnis
wohl wert. Einma! wird es bei dem Mangel erhaltenen Kleingerätes nicht häufig
möglich fein, die Verbindung der freien Kunft mit dem Kunftgewerbe aufweifen zu
können und dann ift es ja auch nicht unintereffant, die Wirkung der Stiche des am
Oberrhein tätigen Meifters E. S. für Niederdeutfchland feftzuftelien.
Der Teller ift 48,5 cm breit, befteht aus Lindenholz und zeigt auf der
Innenfeite im 28 cm breiten Fond das Urteil Salomonis und auf dem Rande
gelbgrünes, fchwarz konturiertes Rankenwerk auf olivengrünem Grunde.
Die Rückfeite ift rot bemalt und trägt folgende Hausmarke eingefchnißt:
Die Verlegung des Tellers nach Niederdeutfchland ift durch das Idiom der Infchrift
am Throne Salomonis: „Das erfte richte falomonis" vollauf gerechtfertigt.
Die Szene ift in Ölfarben gemalt und zwar hat der Künftler folgende Hauptfarben
verwandt: rot, blau, grün und weiß.
Was nun die Abhängigkeit von dem Stiche (L. 7.) des Meifters E. SU betrifft, fo ift
diefelbe auf den erften Blick ja ficher und leicht erkenntlich. Einige, nicht unwefent-
liche Änderungen berechtigen aber doch, einen mehr als handwerksmäßigen Maler als
Urheber anzunehmen.
Die Haltung Salomos ift wörtlich übernommen. Nur läßt der Maler den König mit
geöffneten Augen nach der Frauengruppe fehen, während er auf dem Stiche die Augen
gefenkt hat. Auch der Thron ift Zug um Zug nachgebildet, abgefehen davon, daß
der Maler den Baldachin aus Platzmangel weglaffen mußte und daß er das Kiffen
nicht dargefteht hat. Die linke Frau hat nur wenige unwefentliche Änderungen er-
fahren. Anftatt in dreiviertel Profil gibt fie der Maler in ganzem Profil und ftattet fie
mit einer haubenartigen Kopfbedeckung ftatt des Tuches aus. Weitgehendere Frei-
heiten weift dagegen die rechte Frau auf. Die kniende Haltung ift zwar die gleiche,
doch wendet fie fich mehr nach dem Könige hin und fieht ihn an, während fie auf
dem Stiche aus dem Bilde herausblickt. Ferner läßt der Maler fie ihre Hände bittend
gegen den König erheben, während fie fie auf dem Stiche in einem Verzweiflungs-
geftus im Schoße gefaltet hält. Bis hierher find die Übereinftimmungen mit dem Stiche
fehr große. Im übrigen hat fich der Künftler aber größere Selbftändigkeit gewahrt.
Er übernimmt zwar noch die von dem Throne nach vorn verlaufenden Schranken und
den links ftehenden Henker faft wörtlich.* Die hinter diefen ftehenden Zufchauer da-
gegen und den Hintergrund bildet er ziemlich frei. Der links hinter dem Henker
ftehende Jüngling fteht auf dem Stiche dicht am Throne. Und der auf der Schüffel
folgende Alte zeigt nur entfernte Anklänge an den Mann, der auf dem Stiche feine
Hand auf den Knopf der Brüftung legt, ln Gewandung, Stellung und Typ ift er eine
eigene Erfindung des Malers. Die Zufchauer auf der rechten Seite find in beiden
Fällen drei und bilden ein annähernd gleiches Kolloquium. Im einzelnen find fie aber
völlig verändert. Aus dem bärtigen Zufchauer am weiteften links auf dem Stiche ift ein
i cf. M. Gehberg: Die Anfänge des deutfchen Kupferftiches und der Meifter E. S. Leipzig.
Tafei 34 und p. 84.
^ Der Biegung des Teiiers wegen auf der Photographie ieider nicht herauszubringen.


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