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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 5.1913

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9. Heft
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Biermann, Georg: Die Kunst auf dem internationalen Markt, 1, Gemälde aus dem Besitz der modernen Galerie Thannhauser, München
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https://doi.org/10.11588/diglit.26374#0339

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1)115 KUNST HUF DEM INTERNATIO-
NHLEN MHRKT / I. GEMÄLDE RUS DEM BE-
SITZ DER MODERNEN GALERIE THANNHAUSER,
MÜNCHEN Mit 22 Abbildungen / Von GEORG BIERMANN
TTls der „Cicerone" vor rund fünf Jahren zum erftenmal an die Öffentlichkeit trat,
iY. verhieß das programmatifche Vorwort des Herausgebers u. a., daß diefe Zeitfchrift
in erfter Linie mit dazu beftimmt fein fohe, nicht nur den in Privatbefib befindlichen
Reichtum an Werken alter und neuer Kunft zu erfchließen, fondern ebenfo auch alle
wertvollen und irgend erreichbaren Schäle, die der Kunfthandel zutage fördert, durch
Publikation der Kenntnis der Forfcher und Amateure zugänglich zu machen. Hat diefcr
Abficht fchon manche bisher erfolgte Veröffentlichung an diefer Stelle gegolten, fo foll
in der Folge der Verfuch gemacht werden, fyftematifch dem Befib der großen Kunft-
händler nachzuforfchen und folche Werke bildlich und literarifch feftzulegen, die es
fowohl ihrer kunftgefchichtlichen Bedeutung wie ihrer künftlerifchen Qualität nacli ver-
dienen, dem kunftgenießenden Laien wie dem Forfcher vorgeführt zu werden, bevor
fie vielleicht auf viele Jahre in den Privatfammlungen untertauchen oder fogar den Weg
über den Ozean nehmen.
Denn darüber kann heute kaum noch ein Zweifel obwalten, daß das Material, das
gerade der Kunfthandel darbietet, nicht nur eine wichtige Ergänzung zu dem feften
Beftand der öffentlichen Sammlungen und Denkmäler bedeutet, fondern daß dem
Händler auch in feiner vielfagenden Vermittlerrolle eine kunftgefchichtlich wichtige
Miffion Vorbehalten ift, die der moderne Menfch nicht einfach mehr ignorieren darf.
Was z. B. die erften Vertreter des internationalen Handels in Paris, London, München
an Kunftbefit$ in ihren Galerien hüten, ftellt fich vielfach ebenbürtig neben die feit
Jahrhunderten bekannten Schätze ftaatlicher und fürftlicher Sammlungen und auch die
wenigen prominenten Händler, die das Gebiet der modernen Kunft pflegen, find bei
den neuen Tendenzen des Marktes, die immer nachhaltiger nach abfoluter Qualität
hinftreben, darauf angewiefen, nur nach den höchften künftlerifchen Prinzipien zu kaufen
und das Werk felbft über feinen Schöpfer, die künftlerifche Note über die Signatur zu
ftellen. Denn die Zeiten, wo man noch nach philologifcher Vollftändigkeit fammelte
oder Bilder nur um ihres berühmten Namens willen erwarb — einerlei ob fie im Oeuvre
eines Meifters erftklaffig oder drittrangig waren — find wohl endgültig vorbei. Der
Typ des modernen Sammlers fucht im Kunftwerk nichts als hohe Kunft, er läßt oft in
feinem Programm nicht einmal mehr Zeitgrenzen gelten, fondern fpäht einzig nur nach
jenen immanenten Schönheiten, die im Nu die Jahrhunderte überbrücken und beifpiels-
weife einen deutfehen Primitiven einem modernen Franzofen, einen frühen Italiener
einem unferer Jüngften wefensverwandt erfcheinen laffen. Diefe felbftbewußte Höher-
entwicklung des neuzeitlichen Sammelwefens hat naturgemäß auch auf den Kunfthandel
zurückgewirkt und auch ihn für die Qualität reif gemacht. Daher werden es auch
Werke von Eigenart und Charakterftärke fein, die an diefer Stelle in einer lofen Folge
von Beiträgen publiziert und befchrieben werden Jollen. Es wird dabei jede einfeitige
Richtung ebenfo vermieden werden, wie ein Sichfeftlegen auf beftimmte Kunftgebiete
überhaupt. Vieles von dem, was hier veröffentlicht wird, hat wohl der Zufall zu-
fammengetragen, aber es darf dabei auch nicht verkannt werden, daß der Kunfthändler
unferer Tage — der dem modernen Sammler naheverwandt erfcheint — lebten Endes
bei feinen Erwerbungen ebenfo feinem eigenen Gefchmack, feiner Kennerfchaft und

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