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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 5.1913

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8. Heft
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Friedeberger, Hans: Zeichnungen von Max Pechstein
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https://doi.org/10.11588/diglit.26374#0317

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ZEICHNUNGEN VON
Mit 6 Abbildungen
T^ine Ausweitung von einigen 60 Zeichnungen
.LLMaxPechfteins, die die Berliner Kunft-
handiung Hugo Mofes für die Zeit vom
1. April bis 1. Mai in den Räumen der Firma
Martin Keiier, Potsdamerftr. 118 c veranftaltet,
kann die wünschenswerte Gelegenheit bieten,
die äußerft befchränkte Zahl von Individuen,
an die [ich die[e Kunft — wie, nach Cezanne,
eine jede — nur wendet, ein wenig zu erweitern.
Denn diefe Biätter kommen einem an der Tra-
dition gebildeten und nur langfam zu neuem
vor[chreitenden Empfinden weiter entgegen,
als die Bilder, bei denen die programmatisch-
neue Farbigkeit zu leicht verwirrend wirkte.
Was zudem in den Bildern auch gerade dem
nachdenklichen, und gern auf neuen Wegen mit-
gehenden Befchauer noch den Genuß manchmal
verkümmerte, daß nämlich die unmittelbare
Wiedergabe der Reaktion auf einen Naturein-
druck den Tendenzen der bildmäßigen Formung
überhaupt widerfprach, ift hier aufgehoben. Das
Momentane, Unmittelbare, was diefer Art, [ich
mit den Eindrücken der Wirklichkeit auseinander-
zufeßen, anhaftet, entfpricht völlig dem Charakter
einer Zeichenkunft, die ebenfowenig nur flüchtige
Notiz wie nur vorbereitende Arbeit fein will,
fondern in [ich vollendete Stücke gibt, die aber
ganz unter eigenen Gefeßen ftehen und jede
Konkurrenz mit dem Bilde ablehnen. Diefe Be-
deutung der Ausftellung für das Verftändnis
der Pechfteinfchen Kunft und die überaus hohe
Qualität jedes einzelnen Stückes mag es recht-
fertigen, daß einige auserlefene Stücke hier in
Abbildungen dargeboten werden, begleitet von
einigen kurzen Bemerkungen, die durchaus nicht
beanfpruchen, die Quinteffenz diefes Schaffens
zu geben.
Es handelt [ich durchweg um Blätter von
ziemlich großem Format, meift um ein- und
mehrfarbige Tufchzeichnungen, deren Thema der
Menfch ift, ab und zu auch einmal eine Land-
fchaft. Diefe Landfchaften, von denen der Hafen
mit den Segelbooten (Abb. 1) eine Anfchauung
vermittelt, ftehen den Bildern am nächften. Sie
[teilen aber auch den Zufammenhang mit der
älteren Kunft deutlicher dar als anderes. Die
Farben find hier nicht fo ftark und nicht fo aus-
schließlich Stimmungs- und Empfindungsaus-
druck, fondern dienen, dekorativ-harmonifch ge-
stimmt, noch [ehr ftark dem Bildeindruck. Ebenfo
nun, wie die landschaftlichen Blätter noch nicht
mit voller Entfchiedenheit vorwärts weifen, be-
deuten fie auch nicht die höchfte Qualität. Die
vertreten vielmehr die Darftellungen der menfch-
lichen Figur, die zufammen mit einigen großen,

MRX PECHSTEIN
Von HANS FBtEOEBERGEB
porträtierten und porträtartigen Köpfen, den
Hauptteil diefer Schau bilden. Es liegt in der
Natur diefer Kunft, daß es [ich hier um reine
Exiftenzftücke handeln muß. Indem fie [ich, wie
jeder anderen Illufion, auch der des Raumes be-
gab, verzichtete fie zugleich auf die Darftellung
der Aktion, der Hiftorie, die nun einmal ohne
eine räumlich vertiefte, nachrechenbare Bühne
nicht auskommen kann. Dazu kommt noch, daß
diefe Blätter den Menfchen losgelöft von feiner
Umgebung zeigen, daß fie, bis auf das aller-
nötigfte Stü^werk, auf die Andeutung der un-
belebten Natur verzichten. Auch bei der Aus-
breitung des einzelnen Körpers wird darauf
Bedacht genommen, daß die Erftreckung mög-
lichftin der Fläche bleibe, und an die Stelle
einer Vertiefung in verfchiedenen Plänen tritt
eine Art von Projektion, ohne daß doch die
Klarheit der Erfcheinung, die Möglichkeit eines
Verftändniffes der ftatifchen Bedingungen irgend-
wie litte. Diefe Blätter mögen [ehr einfach
erfcheinen, es mag fo ausfehen, als feien fie


Abb. 1. MAX PECHSTEIN, farbige Tufchzeichnung

Der Cicerone, V. Jahrg., 8. Heft

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