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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 5.1913

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22. Heft
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Friedeberger, Hans: Die Berliner Herbstausstellung 1913
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https://doi.org/10.11588/diglit.26374#0831

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DIE HERLINER HERBSTAUSSTELLUNG
1913 Von H. FRIEDEBERGER
T^er Plan diefer Ausheilung, im Frühjahr gefaßt, war nicht in den Wirren unter-
gegangen, die zur Auflöfung der Berliner Sezeffion führten. Aus den Ausgetretenen
bildete fich eine Kommiffion, die das urfprüngliche Programm zu verwirklichen fuchte,
„einen Sammelplatz für alle augenblicklichen, künftlerifchen Beftrebungen bis zu den
allerjüngften zu fchaffen und ringenden Talenten Gelegenheit zur Öffentlichkeit in weit-
gehendem Maße zu geben". Das muß man fich gegenwärtig halten, wenn man der
Ausftellung gerecht werden will, die diefer Tage im alten Ausftellungshaufe derSezeffion
eröffnet wurde, und die weder auf die reifen, längft anerkannten Leiftungen, noch auf
hiftorifche Konftruktionen den Blick lenken will, fondern auf all das, was ein Hinweis
auf die Zukunft, ein Verfprechen, eine Hoffnung für die Entwicklung unferer Kunft
fein kann. Die Abficht ift, um das gleich zu fagen, fehr gut gelungen, und wer etwa
von dem Herbftfalon des Herrn Waiden mit fchweren Sorgen um die Kunft gefchieden
ift, mag fich hier Beruhigung und vielleicht fogar Zuverficht holen. Wenn auch nicht
alle Blütenträume reifen werden, wir haben weder Mangel an ftarken Talenten noch
gar an ehrlicher Arbeitsluft.
Nach dem Programm begreift man ohne weiteres, daß die älteren Mitglieder diefes
Kreifes fehlen, und dafür der große Mittelfaal dem Manne eingeräumt ift, der als der
Stammvater diefer wefentlich germanifchen neuen Ausdruckskunft gelten darf. Die
großen Entwürfe, die Edvard Munch für eine Univerfitätsaula gefchaffen hat, find
ficher nicht alle gleichwertig, aber fie find von einer Wucht und Größe der Form, von
einer Tiefe der Empfindung, daß fie wohl verdienen als Symbol über diefer Ausftellung
zu ftehen. Das Bild der „Gefchichte" gehört zudem zu den großartigften Leiftungen
diefes Meifters, und in den anderen Stücken berückt immer aufs neue die Art, wie
Gruppen mit der umgebenden Natur zufammengebunden find. Manchmal fcheinen die
Bilder in der großen Faffung nicht die ganze Monumentalität zu befißen, die auch die
kleinften Tafeln fo überwältigend empfinden laffen. Aber das leßte Gefühl ift doch
das einer beglückenden Erfchütterung.
Von dem Ahnherrn wendet man fich in der jüngeren Schar zunächft zu denen, die
hier wieder bereits als Führer gelten. Von ihnen hat vor allem wieder Pechftein einen
guten Schritt aufwärts getan. Sein großzügiges Fifcherbild, zu dem ich die Zeichnung
kürzlich hier veröffentlicht habe, die Landfchaft aus Italien mit dem fchlanken Wachfen
der Häufer und den hellen und doch beruhigten Farben, endlich die Freskenentwürfe,
in denen namentlich eine Figur von wunderbarem Rhythmus des Schreitens entzückt,
find fchöne Erfüllungen unferer Hoffnung. Dem Abendmahl dagegen fehlt, trotz aller
reizvollen Kompofition, noch die Tiefe des Ausdrucks, die letzte feelifche Steigerung, die
der Gegenftand unbedingt verlangen muß. Neben Pechftein hat fich auch Brockhufen
den heiligen Gefchichten zugewendet, ebenfalls nur mit geringem Glück. Die „Flucht"
freilich gibt fchon etwas Reines in der Stimmung des durchleuchteten Olivenwaldes. Aber
die Kreuzigung bleibt ein fehr problematifcher Verfuch, und auch die großen Stilleben
mit dem Blick in die Landfchaft kann ich nicht willkommen heißen. Bei aller Größe find
fie trocken und bei aller Farbigkeit kalt. Beckmann hat fich dagegen von den großen
Kompofitionen abgewendet und ftellt als Beftes zwei Stilleben und eine Landfchaft aus,
in denen fich feine jetzt wohl fouveräne Technik mit einer Freiheit gehen läßt, wie nie
bisher. Sehr beruhigt erfcheint auch Otto Hettner mit einem reich und wohllautend
rhythmifchen Entwurf zur Ausfchmückung einer Halle. Von Degner fteht nur das

Der Cicerone. V. Jahrg., 22. Heft. 6Q

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