Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 5.1913
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https://doi.org/10.11588/diglit.26374#0717
DOI issue:
19. Heft
DOI article:Feulner, Adolf: Die Tiepolo-Ausstellung der Galerie Heinemann in München
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DIE TIEPOLO-AUSSTELLUNG DER GALERIE
HEINE MANN IN MÜNCHEN v..n.FEULNER
ir-^as Intereffe für die Kunft des Barock, in der
man je^t nach langer Verkennung die Voll-
endung fchon längft vorhandener Keime erklickt,
hat auch die Wertfchä^ung Giovanni Battifta
Tiepolos gebracht. Der Künftler war bisher
in Süddeutfchland nicht unbekannt. Die Würz-
burger Refidenz kann [ich rühmen einige der
Hauptwerke unter feinen Fresken zu befi^en.
In der ehemaligen Klofterkirche in Dießen hängt
jet^t noch ein fchönes Altarblatt von feiner Hand
und auch für die Klofterkirche in Münfter-
fchwarzach hatte Tiepolo ein Altarblatt ge-
fchaffen, das nunmehr zu den Schmuckftücken
der Münchener Pinakothek gehört. Das find
Einzelwerke aus einer Periode im künftleri-
fchen Schaffen des Meifters. Einen vollftän-
digen Überblick über Tiepolos Schaffen in einer
Ausftellung zu geben ift auch unmöglich. Die
Bedeutung liegt, wie bei den Großmeiftern des
18. Jahrhunderts, im Dekorativen im höchften
Sinne, im großen Fresko, erft in zweiter Linie
folgen die Tafelgemälde und auch bei diefen
muß wieder zwifchen den großen Altarblättern
und den Riefenbildern für dekorative Zwecke
in Schlöffern und den kleineren Tafelbildern
unterfchieden werden.
Beide Arten von Tafelgemälden find hier gut
vertreten und zwar in fonft fchwer zugänglichen
Bildern. Die ganze Ausftellung muß des-
halb verdienftvoll genannt werden; fie bringt
auch Bilder, die in der lexikographifch beften
Tiepolo-Monographie von Sack^ noch nicht ge-
nannt find, ift alfo auch rein kunftgefchichtlich
fördernd.
Vor allem find hier zu erwähnen die bereits
von H. Modern ' publizierten Werke aus dem
Befit^e der Familie Artaria, drei große, dekora-
tive Gemälde: Der „Triumph der Amphitrite",
„June und Selene" und „Bacchus und Ariadne",
drei auch inhaltlich zufammengehörige Stücke:
es find Perfonifikationen der Elemente Waffer,
Luft und Erde. Das Mittelftück mit dem Triumph
Amphitritens, ein mächtiges Breitbild, hervor-
ragend in Kompofition und Farbe. Die Seiten-
ftücke find nicht von gleich guter Qualität, in
der mehr ftatuarifchen Durchbildung der Figuren
* Ed. Sack, Giambattifta und Domenico Tiepolo, ihr
Leben und ihre Werke. Hamburg 1910.
- H. Modern, G. B. Tiepoio. Wien 1902.
zeigt fich die Schülerhand. Man muß allerdings
berückfichtigen, daß die Bilder nicht für die Nähe
gemacht find, fie wirken vor allem als farbige
Flecken in einer reichen, barocken Architektur.
Sehr charakteriftifch für den Dekorateur Tiepolo
ift auch das große „trojanifche Pferd". Die Ver-
legung des Schwerpunktes der Kompofition auf
die Seite, die auch farbig das Übergewicht be-
fit$t, das Fefthalten faft momentaner Bewegung
im Bilde, dabei der helle, feine Gefamtton
im Bilde wieder die nötige Balance herftellt,
das alles kennzeichnet die Werke der Blüte-
zeit Tiepolos. Auch die Skizzen zu den großen
Deckengemälden find in diefemZufammenhange
zu nennen. Von äußerfter Keckheit in der Kom-
pofition, mit Farbe leicht getufcht, frifch in jeder
Einzelheit, dabei in der Gefamtftimmung von
völlig einheitlicher Stimmung, geben fie eine
Vorahnung impreffioniftifcher Kunft. Der lebten
Zeit Tiepolos gehört die „Apotheofe des Aeneas"
an, eine Skizze zu einem der Deckengemälde
im Kgl. Palafte zu Mailand; die übrigen, wie
die Plafondfkizze für den Palazzo Barbaro in
Venedig, find wenig früher.
Die kleineren Tafelbilder Tiepolos bieten am
meiften die Möglichkeit zu einem Vergleich mit
den beften der gleichzeitigen franzöfifchen Ro-
kokomaler. Was diefe vor allem auszeichnet,
die verfeinerte Kultur der Farbe, die Differenzie-
rung bis in die zarteften Nuancen, das Prickelnde
in Ton und Bewegung, das tritt auch in Tiepolos
Werken wieder potenziert hervor, während die
Kompofition, abgefehen von den Skizzen für
größere Bilder, vielfach einen gewiffen klaffi-
fchen Beigefchmack behält. Der „Tod der So-
phonisbe" und „St. Rochus als Pilger" find gute
Beifpiele. Beide ausgezeichnet durch emailartigen
Schmelz der Farbe, bei einer für Tiepolo weit-
gehenden Ausführung, zeigen zugleich wie
wenig diefe Kunft fähig ift, durch Verinner-
lichung des Ausdruckes tiefere, feelifche Wir-
kungen hervorzubringen. Durch pikante, kühle
Gefamtftimmung, der Impreffion einer Mond-
nacht, feffelt das breiter gemalte Bild „Rinaldo
und Armida", zu welchem noch fchönere Ge-
genftücke neueftens in Würzburg gefunden
wurden. Vor allem aber find zwei berühmte
Bilder ans der ehemaligen Sammlung Weber in
Hamburg zu nennen, Golgatha und die Kreuz-
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HEINE MANN IN MÜNCHEN v..n.FEULNER
ir-^as Intereffe für die Kunft des Barock, in der
man je^t nach langer Verkennung die Voll-
endung fchon längft vorhandener Keime erklickt,
hat auch die Wertfchä^ung Giovanni Battifta
Tiepolos gebracht. Der Künftler war bisher
in Süddeutfchland nicht unbekannt. Die Würz-
burger Refidenz kann [ich rühmen einige der
Hauptwerke unter feinen Fresken zu befi^en.
In der ehemaligen Klofterkirche in Dießen hängt
jet^t noch ein fchönes Altarblatt von feiner Hand
und auch für die Klofterkirche in Münfter-
fchwarzach hatte Tiepolo ein Altarblatt ge-
fchaffen, das nunmehr zu den Schmuckftücken
der Münchener Pinakothek gehört. Das find
Einzelwerke aus einer Periode im künftleri-
fchen Schaffen des Meifters. Einen vollftän-
digen Überblick über Tiepolos Schaffen in einer
Ausftellung zu geben ift auch unmöglich. Die
Bedeutung liegt, wie bei den Großmeiftern des
18. Jahrhunderts, im Dekorativen im höchften
Sinne, im großen Fresko, erft in zweiter Linie
folgen die Tafelgemälde und auch bei diefen
muß wieder zwifchen den großen Altarblättern
und den Riefenbildern für dekorative Zwecke
in Schlöffern und den kleineren Tafelbildern
unterfchieden werden.
Beide Arten von Tafelgemälden find hier gut
vertreten und zwar in fonft fchwer zugänglichen
Bildern. Die ganze Ausftellung muß des-
halb verdienftvoll genannt werden; fie bringt
auch Bilder, die in der lexikographifch beften
Tiepolo-Monographie von Sack^ noch nicht ge-
nannt find, ift alfo auch rein kunftgefchichtlich
fördernd.
Vor allem find hier zu erwähnen die bereits
von H. Modern ' publizierten Werke aus dem
Befit^e der Familie Artaria, drei große, dekora-
tive Gemälde: Der „Triumph der Amphitrite",
„June und Selene" und „Bacchus und Ariadne",
drei auch inhaltlich zufammengehörige Stücke:
es find Perfonifikationen der Elemente Waffer,
Luft und Erde. Das Mittelftück mit dem Triumph
Amphitritens, ein mächtiges Breitbild, hervor-
ragend in Kompofition und Farbe. Die Seiten-
ftücke find nicht von gleich guter Qualität, in
der mehr ftatuarifchen Durchbildung der Figuren
* Ed. Sack, Giambattifta und Domenico Tiepolo, ihr
Leben und ihre Werke. Hamburg 1910.
- H. Modern, G. B. Tiepoio. Wien 1902.
zeigt fich die Schülerhand. Man muß allerdings
berückfichtigen, daß die Bilder nicht für die Nähe
gemacht find, fie wirken vor allem als farbige
Flecken in einer reichen, barocken Architektur.
Sehr charakteriftifch für den Dekorateur Tiepolo
ift auch das große „trojanifche Pferd". Die Ver-
legung des Schwerpunktes der Kompofition auf
die Seite, die auch farbig das Übergewicht be-
fit$t, das Fefthalten faft momentaner Bewegung
im Bilde, dabei der helle, feine Gefamtton
im Bilde wieder die nötige Balance herftellt,
das alles kennzeichnet die Werke der Blüte-
zeit Tiepolos. Auch die Skizzen zu den großen
Deckengemälden find in diefemZufammenhange
zu nennen. Von äußerfter Keckheit in der Kom-
pofition, mit Farbe leicht getufcht, frifch in jeder
Einzelheit, dabei in der Gefamtftimmung von
völlig einheitlicher Stimmung, geben fie eine
Vorahnung impreffioniftifcher Kunft. Der lebten
Zeit Tiepolos gehört die „Apotheofe des Aeneas"
an, eine Skizze zu einem der Deckengemälde
im Kgl. Palafte zu Mailand; die übrigen, wie
die Plafondfkizze für den Palazzo Barbaro in
Venedig, find wenig früher.
Die kleineren Tafelbilder Tiepolos bieten am
meiften die Möglichkeit zu einem Vergleich mit
den beften der gleichzeitigen franzöfifchen Ro-
kokomaler. Was diefe vor allem auszeichnet,
die verfeinerte Kultur der Farbe, die Differenzie-
rung bis in die zarteften Nuancen, das Prickelnde
in Ton und Bewegung, das tritt auch in Tiepolos
Werken wieder potenziert hervor, während die
Kompofition, abgefehen von den Skizzen für
größere Bilder, vielfach einen gewiffen klaffi-
fchen Beigefchmack behält. Der „Tod der So-
phonisbe" und „St. Rochus als Pilger" find gute
Beifpiele. Beide ausgezeichnet durch emailartigen
Schmelz der Farbe, bei einer für Tiepolo weit-
gehenden Ausführung, zeigen zugleich wie
wenig diefe Kunft fähig ift, durch Verinner-
lichung des Ausdruckes tiefere, feelifche Wir-
kungen hervorzubringen. Durch pikante, kühle
Gefamtftimmung, der Impreffion einer Mond-
nacht, feffelt das breiter gemalte Bild „Rinaldo
und Armida", zu welchem noch fchönere Ge-
genftücke neueftens in Würzburg gefunden
wurden. Vor allem aber find zwei berühmte
Bilder ans der ehemaligen Sammlung Weber in
Hamburg zu nennen, Golgatha und die Kreuz-
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