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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 5.1913

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11. Heft
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Scherer, Christian: Zur Frage der sogenannten Lauensteiner Gläser
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https://doi.org/10.11588/diglit.26374#0433

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ZUR FRAGE DER SOGENANNTEN LAUEN-
STEINER GLASER Mit 4 Abbildungen/Von CHRISTIAN SCHERER
T^obert Schmidt hat in [einem vortre[[hchen Buche über das Glas/ S. 344, bei Be-
JtY.fprechung der gefclmittenen he[[i[chen Giä[er auch kurz eine Gruppe von Glä[ern
des 18. Jahrhunderts ge[trei[t, die unter dem Fuß „an der abge[chli[[enen Steile des
Pfeifenan[at$es die matt ge[chnittcne Figur eines au[recht[tehenden Löwen" zeigen
(Abb. 1). Es i[t jene ziemlich umfangreiche Gruppe mehr oder minder reich durch
Schliff und Schnitt verzierter, oft aber auch ganz fchlichter Gläfer, die nach einer, wie
es fcheint, befonders im Kunfthandel verbreiteten Überlieferung als Lauenfteiner Gläfer
bezeichnet werden, ohne daß bisher über ihre Herkunft Sicheres bekannt geworden
wäre. Allein auf Grund jener Fabrikmarke, in der man den Löwen des heffifchen
Wappens erkennen zu müffen glaubte, wurden und werden auch heute noch diefe
Gläfer zumeift ohne jede weitere Begründung als Erzeugniffe heffifcher Hütten'^ an-
gefprochen, obwohl eine „Lauenfteiner" Hütte trot$ eifriger Nachforfchungen bisher in
Heffen noch nicht ermittelt ift und auch unter der großen Zahl heffifcher Hütten, die
G. Landau in feinem Auf[at$ über die Gefchichte derfelbeiV aufführt, nicht erwähnt
wird. Man verfteht daher vollkommen, wenn Schmidt an dem Beftehen diefer Lauen-
fteiner Hütte überhaupt zweifeln möchte und ftatt deffen die Vermutung ausfpricht, der
Löwe könnte vielleicht „die Fabrikmarke der herrfchaftlichen, verpachteten Altmündener
Hütte", die zeitweilig unter der Leitung von Mitgliedern einer bekannten Glasmacher-
familie Gundlach ftand, gewefen fein.
Diefe Hütte war 1594 zu Münden am Reinhardswalde gegründet worden, fpäter
wieder eingegangen, gegen Ende des 17. Jahrhunderts aber von neuem, befonders für
Kriftall- und Kriftallinglas, eingerichtet und von diefem Zeitpunkt ab meift an Mitglieder
der Glasmacherfamilien Gundlach und Eberhard verpachtet worden, bis fie 1818 end-
gültig aufgehoben wurde. Wenn jene Vermutung das Richtige träfe, würde zunächft
die Annahme, daß in dem Fabrikzeichen der heffifche Löwe zu erkennen fei, hinfällig
werden, da Münden fchon feit dem frühen Mittelalter niemals zu Heffen, fondern ftets
zu Braunfchweig oder, genauer gefagt, zu dem mit letzterem urfprünglich verbundenen
Fürftentum Göttingen-Calenberg gehörte, das dann fpäter ein Teil des ehemaligen
Kurfürftentums bzw. Königreichs und der jet$igen Provinz Hannover geworden ift. Es
würde damit aber gleichzeitig auch die weitere Annahme, daß es [ich bei diefen Gläfern
um heffifche Erzeugniffe kunft der Gläfer aus
handele, in [ich zufam- einer andern braun
menfallen, und an ihrer

Stelle nach beftimmten
Gründen zu fuchen fein,
die zugunften jener Mün-
denerHypothefe fprechen
könnten. Ich felbft bin,
um dies von vornherein
zu betonen, außerftande
hierzu, möchte aber, den
Spuren Schmidts nach-
gehend, verfuchen, ob
es nicht vielleicht ge-
lingen dürfte, die Her-


Abb. 1. Marke der Lauenfteiner Gläfer

Der Cicerone, V. Jahrg., 11. Heft. 31

* Handbücher der König!.
Mufcen in Ber!in. Veriag
von G. Reimer. 1912.
- So hat man z. B. ver-
fucht, fie einer Hütte zu
Veckerhagen im Kreife Hof-
geismar zuzuweifen, wofür
fich freiiidi keinerlei Anhatt
darbietet, vgi. Mitteii. des
k. k. öfterreich. Mufeums f.
Kunft u. Induftrie, N. F. II,
p. 246.
s Zeitfchrift d. Vereins f.
heffifche Gefchichte u. Lan-
deskunde HI (1843), p.280ff.
403
 
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