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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 5.1913

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[10. Heft]
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Biermann, Georg: Die Sammlung Marczell von Nemes
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https://doi.org/10.11588/diglit.26374#0389

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DIE SAMMLUNG MARCZELL VON NEMES
Mit 20 Abbildungen Von GEORG BIERMANN
Y X 7"enn eine Sammlung wie die des königlichen Rates Marczell von Nemes ihrer
W Auflöfung entgegengehH, dann fclieint es Pflicht, der Tätigkeit eines Mannes
eine letzte Wertung zukommen zu taffen, deffen Befit$ in Deutfchland nicht nur Heimat-
recht erworben hatte, der mehr noch felbft Träger einer großen und fruchtbaren Kultur-
idee genannt werden darf. Diefer ungarifche Sammler, der in entfcheidenden Momen-
ten zweimal feinen Befit^ der deutfchen Kultur dargeboten hat, deffen künftlerifcher
Energieentfaltung auch kleinliche Neider das Maß von Achtung nicht werden verfagen
können, das jeder perfönlichen Leiftung zuerkannt werden muß, hat uns durch die
Ausheilungen feiner Werke in München und Düffeldorf mehr an pofitiven Anregungen
dargeboten als alle geiftvoll pointierten Bücher in zwei Dezennien werden wirken
können. Denn Herr von Nemes ift der Mann der Praxis, des treffficheren künft-
lerifchen Inftinktes, eines jedweder Philologie abholden Gefchmackes und darüber hinaus
auch ein Menfch, deffen leidenfchaftliche Seele in ftetem Aufftieg fich den höchften
Lebensäußerungen der Kunft zu nähern vermochte, der in fich die ftolze Miffion
empfand, aus taufend und mehr Bildern, die in einer zwanzigjährigen Praxis durch
feine Hände gegangen find, einen künftlerifchen Extrakt zu kondenfieren, dem nur
noch die Banaufen den Grad hoher künftlerifcher Qualität abznfprechen vermögen,
ln feinem Lebenswerk, als das fich feine Galerie präfentiert, drückt fich die Intelligenz
eines Sammlers aus, der ftets um zehn Meilen und mehr dem künftlerifchen Inftinkt
feiner Zeit vorausgefchritten ift, der klug genug war, folche Anregungen, wie
fie z. B. Bode dem neuzeitlichen Sammelwefen vermittelt hat, unbedenklich feinem
Programm als Leitmotiv voranzuftellen, ohne die Kühnheit zu verleugnen, da — wo
es ihm notwendig erfchien auch eigenen Ideen konfeguent zu folgen. Wenn
Herr v. Tfchudi damals noch die Sammlung Nemes als die Galerie eines Kunft-
freundes anfprechen konnte, deffen Befit$ in erfter Linie das Programm des Impreffionis-
mus von feinen frühen Anfängen bis auf die Gegenwart entwickele, fo will es uns
heute fcheinen, als fei eben diefe programmatifche Signatur der Sammlung doch etwas
voreilig aufgedrückt worden; denn nicht nur Greco, der lebten Endes doch viel mehr
Monumentalmaler als Impreffionift gewefen ift, überfpringt fouverän den engen Zirkel
fogenannter impreffioniftifcher Kunftübung, es fteckt auch in anderen Werken älterer
und neuerer Kunft, die die Sammlung vereinigt hält, viel mehr felbftverftändliche
malerifche und formale Größe, als daß man das Ganze unter dem Gefichtspunkt einer
Theorie werten könnte, die in der Praxis doch nur handwerklich bedeutend gewefen
ift. Im Gegenteil, in diefem Augenblick muß man es deutlich ausfprechen, daß die
Sammlung Nemes im lebten nur als Ausdruck künftlerischer Leidenfchaft und eines
ftarken, felbftwilligen Temperamentes erfcheint. Das Traditionell-Akademifche ift ihr
fremd. Was fie von Werken aller Epochen und Richtungen in fich vereint, hat ledig-
lich die innere Verwandtfchaft der Qualität und des Ungewöhnlichen, hat die Note der
Modernität, weil jedes diefer Werke dem modernen Menfchen etwas Befonderes zu
fagen hat oder irgendwo einen geheimen Kontakt in feinem Innerften in Antrieb ver-
femt, mag der Meifter den Primitiven, den Klaffiziften, den Impreffioniften oder einer
anderen Gruppe angehören, in die eine philologifch wohlgetreue Wiffenfchaft die
Namen der Künftler fein fäuberlich einrubriziert hat. Nein was diefe mehr als
i Die Verweigerung findet durch die Commissaires-Priseurs Lair-Dubreuil und Henri Baudoin
am 17. und 18. Juni in der Gaterie Manzi in Paris ftatt.

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