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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 5.1913

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Uhde-Bernays, Hermann: Ein unbekanntes Porträt Tiepolos
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EIN UNBEKANNTES
Mit einer Abbildung
Tn dem Riefenwerk, das „der elegante Beleber
i der Wände und Decken, der reiche Charmeur
der Linienführung, der von den mannigfaltig-
ften Einfällen nur fo überfprudelnde Meifter der
Ornamentik" — fo nennt einmal Gug de Mau-
paffant den Giovanni Battifta Tiepolo ^— hinter-
laffen hat, nehmen die Bildniffe einen fehr ge-
ringen Raum in Anfpruch. Es fcheint, als ob
Tiepolos Freude an der Dekoration dem forg-
fältigen Einzelftudium der Porträtausführung
nicht fonderlich hold gewefen ift. Daher pflegen
Bildniffe Tiepolos befonders gefchät^t zu werden,
und die Neuerwähnung authentifcher Werke
wie des alten Mannes im Turban der Samm-
lung Balafdiew in Petersburg (vgl. Monatshefte
für Kunftwiffenfchaft, Jahrg. H, S. 170, ein ähn-
liches Stück vor allem noch im Mufeum zu
Würzburg) geht wiffenfchaftlich nicht immer
ohne Anzweiflung vor fich. Noch feltener als
Porträtköpfe find lebensgroße Darftellungen.
Zweimal im Laufe feiner künftlerifchen Tätig-
keit hat fich Tiepolo mit größerem Intereffe
ihrer Ausführung zugewendet, vor allem in
Würzburg, als er auf die Decke des erzbifchöf-
lichen Palais den gewichtigen, dem Aleffandro
del Borro menfchlich und malerifch fo ver-
wandten Unbekannten malte, den man lange
für ein Selbftbildnis des Meifters gehalten hat,
und gleich nach feiner Rückkehr nach Italien
bei der Ausführung des großen Heiligenbildes
der Familie Crotta, das fich jet;t im Städelfchen
Inftitut befindet. Und vorher einmal, als Tiepolo
zur Ausfchmückung der Paläfte in Mailand, des
Domes und der Colleonikapelle in Bergamo be-
rufen worden war, an deren Altar und Wänden
die eleganten Erfcheinungen des lombardifchen
Adels die Enthauptung des Johannes und das
Martyrium des S. Giovanni Vescovo durch ihre
Gegenwart beehren. Wie fich Tiepolos Tem-
perament durch die Perfönlichkeiten feiner Um-
gebung hier feffeln ließ, gab er auch der Schön-
heit der Landfchaft mehr nach als fonft. Auf
dem Fresko, das uns die Predigt des Johannes
fchildert, vor allem auf einer in der Pinakothek
zu Trevifo befindlichen Wiederholung, ent-
decken wir die Vegetation der Höhen, neben
der Pinie die Tanne, und die im Hintergründe
deutlich fichtbaren Berge mögen wohl die Gipfel
der bergamasker Alpen vorftellen, wie fie von
den Baftionen in Bergamo oder dem Caftell in
Brescia zu fehen find. Die konventionelle Mufik

* In dem Reifebuch „La vie errante". Ich führe diefe
Stelle auch deshalb an, da fie in Molmentis Aufzählung
der literarifdien Äußerungen über Tiepolo am Schiuffe
feines großen Werkes fehit.

PORTRÄT TIEPOLOS
Von HERMANN UHDE-BBRNHYS
der großen Oper wird hier für einen kurzen
Augenblick durch den Klang der Schalmei unter-
brochen.
Hier muß eine bisher unbekannte ausgezeich-
nete Arbeit Tiepolos feinem Werk eingereiht
werden, das Porträt eines Edlen im Jagdkoftüm
am Gardafee, das fich feit langer Zeit im Befit;
des Mr. W. A. Baird, Haddingtonfhire in Schott-
land befunden hat, und jet;t der Kunfthandlung
Charles Brunner in Paris gehört. Der Dar-
geftellte ift in Lebensgröße wiedergegeben und
es fcheint nicht unwahrfcheiniich, daß wir es mit
einer Vorarbeit für ein Fresko zu tun haben,
das entweder nicht zuftande gekommen oder
zugrunde gegangen ift. Die Pofe mit dem ener-
gifch gebogenen Arm und der eingeftemmten
Hand entfpricht anderen Porträts, wie dem Ru-
ftico Crotta auf dem bereits erwähnten Heiligen-
bilde. Die Verwendung der Lanze zur Stärkung
der Kompofition im vertikalen Sinne findet fich
ebenfalls häufig bei Tiepolo, vor allem auch
auf dem unferem Bilde im Werk des Künftlers
am nächften ftehenden Martyrium des S. Gio-
vanni Vescovo im Dom zu Bergamo. Die ma-
lerifch verwegene Modellierung des breiten
Schädels, deffen Stirn von ftarken Runzeln und
aufgelaufenen Adern durchfurcht wird, läßt bei
einer flüchtigen Erinnerung an Tizians Aquaviva-
Porträt in Kaffel den Gegenfa^ der Jahrhunderte
auf das lebhaftefte deutlich werden. Kein fröh-
licher Kavalier des Rokoko fcheint diefer finfter
zu dem Hunde herabfehauende Jägersmann,
deffen hohen Rang die goldene Ehrenkette über
dem Harnifdi bekundet, ein Abkömmling des
ftolzen Kondottierentum fteht vor uns, der fich
grollend über die neue Zeit auf feinen Landfit;
zurüdegezogen hat, um im Waidwerk den er-
erbten Drang nach adeligem Kampffpie! friedlich
auszulaffen. Nur der Jagdhund will nicht ganz
zu feinem Herren paffen.
Ebenfo trefflich wie die menfchliche Charak-
terifierung ift die farbige Behandlung des Bildes.
Das roftrote Haar und der roftrote Bart, in der
Koloriftik übereinftimmend mit der Quafte an
der Hellebarde, dominieren über dieZufammen-
ftellung von lichtem Gelb des Ärmels und tiefem
Rot des graugrün gefütterten Mantels. Hinter
dem Rankenwerk breitet fich das Dunkel des
Sees, der in der Tiefe durch die Bergkette ab-
gefchnitten wird. Es find hier die Höhen an
den füdlichen Ausläufern des Monte Baldo
wiedergegeben, und des Malers Standort ift
wohl das Ufer der Bucht von Salo gewefen, in
feinem nördlichen Teile, bei Maderno etwa.
Die höchfte Meifterfchaft hat Tiepolo bewährt

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