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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 5.1913

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2. Heft
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Feigel, August: Neuerwerbungen der Plastik-Sammlung des Landesmuseums zu Darmstadt
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https://doi.org/10.11588/diglit.26374#0065

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NEUERWERBUNGEN DER PLASTiKSAAtMLUNG DES DARMSTADTER A7USEUMS


ftanden [ein mag, ift eine AAadonna aus
dem Rheingau (Abb. 3). Klar im Aufbau,
einfach und doch wieder reich in der Ge-
wandung, fteht fie am Beginn einer neuen
Epoche der Piaftik. Nicht mehr fiächenhaft,
zeichnerifch wie z. B. noch ihr unmilteibarer
Vorgänger der feine Grabftein des Kantor
Stein in Eberbach, fondern angeiegt in
gegenfäßlichen Richtungsiinien und ausge-
führt in rein piaftifcher Weife. Das unmittel-
barere Verhältnis zur Natur kommt befon-
ders dem Körper zugute, der fich kiar unter
der Gewandung entwickeln kann. Zwar ift
die Freiheit der Haitung noch nicht ganz
erreicht, die Madonna ift doch noch etwas
fcheu. Aber im Geficht konnte der Künftier
den ganzen Reiz feiner Kunft entfalten, er
gibt ein volles, gefundesRund mit lebhaftem
Ausdruck um Mund und Augen. Ihr Lächeln
mutet nicht mehr an wie das, dem man bei
fo vielen Skulpturen des 13. Jahrhunderts
begegnet, wo es fo oft nur wie ein Ver-
legenheitsmittel des Künftlers erfcheint,
Leben im Kopfe vorzutäufchen. Hier ift
das Lächeln von innen heraus geboren, es
ift der Anfang der inneren Befeelung. Auch
um die Augen liegt ein feiner, fchalkhafter
Zug, der das Gefidit an manche pikante,
franzöjifche Arbeiten erinnern läßt. Sicher-
lich kannte der Bildhauer franzöjifche oder
franzöfifch beeinflußte Madonnen. Es [ei
hier nur an die fchöne Figur der Samm-
lung Oppenheim erinnert, die Vöge publi-
ziert hat (Jahrbuch der Kgl. Pr. K. 1908,
S. 217f.). Sie hat mit unferer Maria weit-
gehende Übereinftimmungen in der ganzen
Anlage. Die Wichtigkeit diefer Rheingauer
Madonna für die mittelrheinijche Piaftik
wird außer ihres hohen künftlerifchen Wertes
noch dadurch erhöht, daß fie zeitlich an-
nähernd zu beftimmen ift. Sie zeigt näm-
lich mit der Madonna vom Hochgrab des
Erzbifchofs Gerlach von Naffau ßf 1371) im Ebb.3. Maria, aus dem Rheingau. Mittelrheinifch
Klofter Eberbach bei Rüdesheim folche Ähn-
lichkeiten, daß beide unbedingt voneinander abhängen müffenA Da die Eberbacher

i Ausführlicher handelte ich hierüber in der „Mainzer Zeitfchrift" 1912. Dort auch Abbildungen
des Eberbacher Hochgrabes, das für die Kenntnis der mitteirheinifcben Skulptur von größter Wichtig-
keit ift, aber noch nie feiner Bedeutung nach gewürdigt worden ift.

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