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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 5.1913

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2. Heft
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Feigel, August: Neuerwerbungen der Plastik-Sammlung des Landesmuseums zu Darmstadt
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https://doi.org/10.11588/diglit.26374#0072

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NEUERWERBUNGEN DER PLASTIKSAMMLUNG DES DARMSTÄDTER MUSEUMS


brüchigen Falten. Um die Mitte des Jahrhunderis
werden die beiden Figuren wohl entftanden [ein. Für
die Stiftung derfelben ift das Mufeum Freiherrn von
der Heydt in Elberfeld zu Danke verpflichtet.
Weitaus die größte Zahl der Neuerwerbungen der
lebten Jahre ftammt aus der lebten Blütezeit der gotifchen
Plaftik. Es feien im Folgenden nur einige Hauptwerke
erwähnt, fofern ihnen eine über die Lokalforfchung
hinausgehende allgemeinere Bedeutung zukommt.
Mehr als ein Menfchenalter fpäter als die beiden
zuletzt genannten Figuren ift der aus Bamberg ftam-
mende Diakon (Abb. 9) gefertigt worden. Die neuen
Probleme, die dort von einem temperamentvollen
Künftler aufgegriffen wurden, find hier in vollendeter
Abgeklärtheit gelöft. Ganz einfach und natürlich fteht
der Heilige da. ruhig voller heißer Sehnfucht, das
Martyrium auf fich zu nehmen. Großzügig in der Hal-
tung, Gewandung und im Ausdruck; großzügig auch
die Meißelführung in Gewand und Geficht; fein be-
rechnet die prächtige Schattenwirkung des ftarkplaftifch
gehaltenen Lockenkranzes. Unter den Geftalten von
Adam Krafft findet man manche verwandten Blutes.
Mehr nach Veit Stoß hin neigt eine große ftehende
Heilige in modifcher Tracht (Abb. 10). Die Gewandung
mit ihren ftark fchattenden Unterfchneidungen und mit
den abfichtlich von den klaffifchen gotifchen Linien
fich entfernenden Faltenzügen beweift deutlich genug
die fpäte Entftehungszeit diefer Figur.
Die unterfränkifche Schule war fchon durch die
bekannte Kreuzigungsgruppe aus Riemenfehneiders
befterZeit und durch ein großes Sippenrelief vertreten.
Dazu kamen noch ein auferftehenderChriftus (Abb. 11)
echtRiemenfchneiderfchen Charakters von herber groß-
zügiger Auffaffung und vorzüglicher Körpermodellie-
rung. Ein Johannes der Täufer (Abb. 12) ftammt aus
derfelbenWerkftatt. Er ift fehr fein in feinerweichen,
Abb. 13. Hl. Mauritius. Schwäbifdi iyrifchen Stimmung, die den ganzen Körper durch-
zittert, und in der breitflächigen, großzügigen Ge-
wandung, die einen guten Hintergrund für die aszetifchen Glieder bildet.
Nach Schwaben weift der Ritter Mauritius, ein für die Zeit um 1490 fehr charak-
teriftifches Werk (Abb. 13). Dem Formengefchmack jener Jahre, der kurze in fpit^en Winkeln
aneinanderftoßende Linien und Flächen bevorzugt, muß fich der Körper anpaffen. Alle
Bewegungen find fpit^, eckig, kurz abgebrochen. An den Rittergrabmälern kann man
allenthalben ähnliches beobachten; ficherlich ift dies nicht nur darauf zurückzuführen,
Bewegung und Leben in das ftarre Eifenzeug hineinzubringen, fondern die Freude an
dem Spit$en, Eckigen an dem zierlich Gefpreizten. Sehr charakteriftifch für die Zeit
ift das genaue Beobachten der Einzelheiten. Wie hier jedes Schnäilchen, jeder Rie-

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