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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 5.1913

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3. Heft
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Uhde-Bernays, Hermann: Ein vergessener Freund Leibls: Theodor Alt
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https://doi.org/10.11588/diglit.26374#0114

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EIN VERGESSENER FREUND LEIBLS: THEODOR ALT


Abb.9. THEODOR ALT, Interieur (Aquarell) Im Beider Modernen Galerie, Mündien

Subjekte als Modelle herbeiholte. Man fühlt vor diefen Arbeiten eine an Ludwig
Thomas Kenntnis des Dachauer Schlages erinnernde Charakterifierungskraft. Alt malt
keine Raufer und Hakler, er geht den Reften von Verftand und Gefühl in den breiten
Schädeln nach, er ift glücklich, wenn ihm eine Andreas Vöftnatur zu fit$en fich ent-
fchließt. Seine Porträts find treffliche Steckbriefe der in diefen Bauern ohne ihr eigenes
Wiffen vorhandenen Perfönlichkeitsregungen. Der Gedanke ift fchön, einem Künftler
zu begegnen, der aus dem Schlafe befchwört, was zu tiefft in der menfchlichen Seele
fchlummert, ohne dabei irgendwie zu idealifieren. Darin ruht die Echtheit des Alt-
fchen Künftlertums. Am ftärkften kommt natürlich diefe Fähigkeit zur Geltung bei der
Wiedergabe vertrauter Menfchen. Aber auch hier geht der Meifter behutfam zu Werke
und gibt den prächtigen Bildniffen des Vaters und der Mutter bei aller Deutlichkeit
des inneren Lebens keinen Strich, der als Übertreibung bezeichnet werden müßte.
Was fich bei diefer Einfühlung in den pfychologifchen Porträtgehalt Leibi und Alt
gegenfeitig verdanken, ift nicht abzufchät$en oder auseinanderzuhalten. Der Rheinländer
war zweifellos der ftärkere Realift, der Franke konnte dafür beffer im Innern feiner
Freunde lefen. Man fühlt bei Alt den menfchlichen Zufammenhang: wenn Leibi auf
Holbein fchwor, mag Alt an feines Stammesgenoffen Wolgemut Innigkeit fich er-
freut haben.
Wie fchon bemerkt wurde, ftehen die Landfchaften Theodor Alts für fich. Auch
hier hat er dem Rat des Dichters getreu „die Großen belauert, auf Kleine geachtet",
hat vom Kleinkram des Spezialifierens weit entfernt ftets dem Eindruck des Gefamt-
bildes in feiner Verbindung der forgfam für fich betrachteten Teile als Maler nach-

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