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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 5.1913

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3. Heft
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Marcus, Felix: Die Mechelner "Jardins Clos"
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https://doi.org/10.11588/diglit.26374#0122

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DIE MECHELNER „JARDINS CLOS


Jardin clos mit Daniel in der Löwengrube

Mecheln, Spital Notre Dame

„Jardins clos". Auf einem andern in Danzig befindlichen Stich fit$t die hl. Jungfrau,
die Hände über der Bruft gekreuzt neben einer Quelle; ein Einhorn von Hunden ver-
folgt, hat fich zu ihr geflüchtet. Ein in Nürnberg 1505 gedrucktes Buch, betitelt „Des
befchloffen Gart des Rofenkran^ Maria von der Menfchwerdung Gottes", weift bereits
auf das Symbol der Jungfräulichkeit und Keufchheit hin, welches in den „Jardins clos"
feine äußere Form gefunden hat. Das Einhorn ift ein wildes Tier, welches fich nur
durch eine Jungfrau fangen läßt, das Horn desfelben wird als „unüberwindbare Kraft
des Sohnes Gottes" gedeutet, „der fich denen ergibt, die ihn fuchen". In manchen
diefer Gärtchen finden fich auch Figuren und Szenen des alten Teftaments: Mofes vor
dem brennenden Bufch, Daniel in der Löwengrube, der Turm Ezechiels, Gideon dem
Engel zuhörend u. a. m., was auf eine Übertragung altteftamentarifcher Prophezeiungen
auf die Darftellungen der Reliquienkapellen fchließen läßt.
Bei der Herftellung der Gärtchen arbeiteten männliche und weibliche Hände ge-
meinfam, die erfteren lieferten die Statuetten in Ton oder Holz, unbemalt oder poly-
chrom, die letzteren, Nonnen der Klöfter oder Beginen der Spitäler und Beginenhöfe
fertigten Früchte, Blumen und andere kleine Gegenftände zur Ausfchmückung, in
Filigran, Seide, Band ufw. Die Mitarbeit galt als gottgefälliges Werk; Damen der alt-
adligen Familien beteiligten fich daran und kamen zu diefem Zwecke gefellfchaftlich
zufammen. Diefe Erzeugniffe find wohl naiv und unbeholfen in der Form, oft aber
zeigen fie eine genaue botanifche Kenntnis der Blumen. Auch die Tiere und Infekten
find vielfach mit einer Genauigkeit ausgearbeitet, die an die der Ornamentik der goti-
fchen franzöfifchen Kathedralen erinnert.
Die Statuetten hingegen weifen auf einen gemeinfamen Urfprung hin: die brabanter

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