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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 5.1913

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6. Heft
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Rohe, Maximilian Karl: Bernhard Hoetger: M. K. Rohe
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https://doi.org/10.11588/diglit.26374#0227

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BERNHARD HOETGER

haben, war er doch als Stipendiat nach
Paris gekommen, und wenn man um die
Verleihung von Stipendien bei uns Be-
scheid weiß, fo weiß man ja auch, daß
damit heute kaum noch künftlerifche Direk-
tiven verbunden find, Sondern daß man fie
mehr als Belohnung und Ermunterung all-
gemein bewie[ener künstlerischer Befähi-
gung anSieht.
Hoetger iSt in Paris vorerst in die
Sphäre Meunierfcher Auffaffung geraten,
und auch Rodins Einfluß hat ihn manch-
mal berührt. Er fchuf zu Beginn feine
„Straßentypen", deren Konzeption für ihn
ja fo nahelag, da er die Verbindung durch
fie mit den Eindrücken aus der Jugendzeit,
die er in den Induftrie- und Minenzentren
Weftfalens empfangen, fefthielt, und man
noch mitten in der Zeit ftand, die Solchen
naturalistischen InpreSSionen Starken Ge-
Schmack abgewann. Aber in eben jenem
Moment kündete ßch auch Schon jene Re-
naissance künstlerischer AuffaSSung an, in
der wir heute noch mitten drin Stehen und
die, obwohl fie in den letzten Jahren gar
wunderliche Blüten getrieben hat, doch von
der Klärung nicht mehr fern zu fein fcheint.
Als erfter Vertreter diefer Renaiffance ift
für Frankreich Ariftide Maillol anzufehen. Aus dem Süden kommend, war in ihm, in
feinem lateinifchen Raffegefühl, ein gut Stück Griechentum lebendig, und er brauchte
nur in die richtigen Hände zu geraten, um ganz dazu berufen zu fein, eine entschei-
dende Korrektur an den Schöpfungen feiner Vorgänger und Zeitgenoffen anzubringen,
die deren naturaliftifchen Empfinden und Eindruckskunft erft tieferen Sinn verlieh. Denn
in gewiffem Sinne hafteten jene doch an der Oberfläche, obgleich fie nach einer Epoche
des Verlierens im Gegenständlichen, eine glanzvolle Erneuerung des rein Künftlerifchen
bewirkt hatten. Und über mehr als eine lediglich rcceptive Auffaffung der Erfcheinungs-
welt in künftlerifchen Ausdrucksformen waren fie kaum hinausgekommen. Ungeordnet
tobte das Leben fich in ihren Werken aus, und fo durchtränkt fie von Naturgefühl
auch waren, fo war doch in ihnen nichts zu entdecken, was dem Verfuch einer Aus-
beutung der in Bewegung gefeßten Kräfte gleichkam, und fie erft der Sinn jedes Kunft-
werkes — zu Symbolen eines vereinheitlichten Fühlens und Welterfaffens machte.
„Wir find heute zu unruhig, zu geguält", hat der alte Rodin, diefer mächtige Schluß-
ftein der impreffioniftifchen Evolution vor einem griechifchen Torfo felbft noch emp-
funden, „aber", fe^te er prophetifch hinzu, „wir werden zu diefer Kunft Starker Ge-
fundheit zurückkehren, und das wird der Stil künftiger Jahrhunderte werden". Maillol,
in feiner reichen natürlichen Begabung hat ohne Problematik, ohne jedes weitere
Experiment diefen neuen Stil eingeleitet und wie Cezanne, fein Landsmann in der


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