Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 5.1913
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https://doi.org/10.11588/diglit.26374#0301
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8. Heft
DOI article:Baum, Julius: Die Sammlung Dr. Oertel
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Von JULIUS BAUM
DIE SAMMLUNG DR OERTEL
Mit 15 Abbildungen, davon eine auf einer Tafel
y\ie am 6. und 7. Mai 1913 bei Lepke zur Verweigerung gelangende Samm-
.L^ lung OerteH in München enthält Bildwerke hauptfächlich der oberrheinifchen,
fchwäbifchen, bayrischen und tirolifchen Scliule. Sie gehört nicht zu den Kollektionen,
die lediglich fchon um ihres Alters willen beachtenswert fcheinen; im Gegenteil, ihre
Anfänge gehen nur 18 Jahre zurück, und im Jahre 1900 umfaßte die heute mehr als
200 Bildwerke bergende Sammlung erft deren 43. Aber der Beßrer verftand es
vortrefflich, die günftige Konjunktur, die noch vor wenigen Jahren hervorragende
Schöpfungen der deutfchen Kunft nicht feiten auf den Markt brachte, voll auszunut$en.
So ift die Sammlung Oertel, der Qualität und der gut beglaubigten Herkunft ihrer
Beftände nach, zu den ganz bedeutenden deutfchen Privatmufeen zu zählen. In der
Überficht ihres Inhaltes, die wir im folgenden geben, follen nur die beften Arbeiten
Erwähnung finden.
Drei thronende Madonnen mit bekleidetem Kinde in ftreng frontaler Haltung
gehören zu den früheften Stücken der
Sammlung. Die altertümlichste, das Kind
mitten auf dem Schoße haltend und auf
einem Throne fit$end, der mit jenem der
hl. Anna im Germanifchen Mufeum (Nr. 200)
verwandt ift, mag noch dem 12. Jahrhundert
angehören. Sie ftammt aus der Gegend
von Amiens. Die beiden andern Madonnen
halten das fixende Kind auf dem linken
Knie. Die eine, vielleicht niederrheinifch
(Kat. Nr. 3), gehört noch dem 13., die
andere, aus Zirbelholz, wohl tirolifch (Kat.
Nr. 2), bereits dem 14. Jahrhundert an.
Wefentlich jünger ift eine gleichfalls noch
frontal fixende, das nur in einen Mantel-
zipfel gehüllte Kind frei emporhaltende
Madonna aus Pappelholz aus der Gegend
von St. Gallen (Kat. Nr. 18). Vielleicht
noch dem 13. Jahrhundert hingegen gehört
ein in Paris erworbener Engelskopf (Stein,
bemalt) an. Zwei Holzftatuen, Maria und
Johannes, um 1350 (Kat. Nr. 30, 31), ver-
wandt mit der Heimfuchung Nr. 213/214
des Germanifchen Mufeums, find gleichfalls
in Paris erworben, doch, trot^ der franzö-
fifchen Augenftilifierung, wohl oberdeutfch.
Sehr zahlreich find die Werke aus der
Zeit um 1400 vertreten. Eine Maria, das
i Vyl. Sammlung Dr. Oertel München. Ru-
dolph Lepkes Katalog Nr. 1680. Mit Vorwort
von Theodor Demmler. Die in dem vorliegen-
den Auffa^e gemachten Provenienzangaben
berichtigen teilweife jene des Kataloges.
Abb. 1. Steinmadonna. Lothringifch
(Kat. Nr. 190)
DerCicerone, V.Jahrg., 8.Heft. 22
273
DIE SAMMLUNG DR OERTEL
Mit 15 Abbildungen, davon eine auf einer Tafel
y\ie am 6. und 7. Mai 1913 bei Lepke zur Verweigerung gelangende Samm-
.L^ lung OerteH in München enthält Bildwerke hauptfächlich der oberrheinifchen,
fchwäbifchen, bayrischen und tirolifchen Scliule. Sie gehört nicht zu den Kollektionen,
die lediglich fchon um ihres Alters willen beachtenswert fcheinen; im Gegenteil, ihre
Anfänge gehen nur 18 Jahre zurück, und im Jahre 1900 umfaßte die heute mehr als
200 Bildwerke bergende Sammlung erft deren 43. Aber der Beßrer verftand es
vortrefflich, die günftige Konjunktur, die noch vor wenigen Jahren hervorragende
Schöpfungen der deutfchen Kunft nicht feiten auf den Markt brachte, voll auszunut$en.
So ift die Sammlung Oertel, der Qualität und der gut beglaubigten Herkunft ihrer
Beftände nach, zu den ganz bedeutenden deutfchen Privatmufeen zu zählen. In der
Überficht ihres Inhaltes, die wir im folgenden geben, follen nur die beften Arbeiten
Erwähnung finden.
Drei thronende Madonnen mit bekleidetem Kinde in ftreng frontaler Haltung
gehören zu den früheften Stücken der
Sammlung. Die altertümlichste, das Kind
mitten auf dem Schoße haltend und auf
einem Throne fit$end, der mit jenem der
hl. Anna im Germanifchen Mufeum (Nr. 200)
verwandt ift, mag noch dem 12. Jahrhundert
angehören. Sie ftammt aus der Gegend
von Amiens. Die beiden andern Madonnen
halten das fixende Kind auf dem linken
Knie. Die eine, vielleicht niederrheinifch
(Kat. Nr. 3), gehört noch dem 13., die
andere, aus Zirbelholz, wohl tirolifch (Kat.
Nr. 2), bereits dem 14. Jahrhundert an.
Wefentlich jünger ift eine gleichfalls noch
frontal fixende, das nur in einen Mantel-
zipfel gehüllte Kind frei emporhaltende
Madonna aus Pappelholz aus der Gegend
von St. Gallen (Kat. Nr. 18). Vielleicht
noch dem 13. Jahrhundert hingegen gehört
ein in Paris erworbener Engelskopf (Stein,
bemalt) an. Zwei Holzftatuen, Maria und
Johannes, um 1350 (Kat. Nr. 30, 31), ver-
wandt mit der Heimfuchung Nr. 213/214
des Germanifchen Mufeums, find gleichfalls
in Paris erworben, doch, trot^ der franzö-
fifchen Augenftilifierung, wohl oberdeutfch.
Sehr zahlreich find die Werke aus der
Zeit um 1400 vertreten. Eine Maria, das
i Vyl. Sammlung Dr. Oertel München. Ru-
dolph Lepkes Katalog Nr. 1680. Mit Vorwort
von Theodor Demmler. Die in dem vorliegen-
den Auffa^e gemachten Provenienzangaben
berichtigen teilweife jene des Kataloges.
Abb. 1. Steinmadonna. Lothringifch
(Kat. Nr. 190)
DerCicerone, V.Jahrg., 8.Heft. 22
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