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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 5.1913

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8. Heft
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Friedeberger, Hans: Zeichnungen von Max Pechstein
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https://doi.org/10.11588/diglit.26374#0319

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ZEICHNUNGEN VON MRX PECHSTEIN


überaus leicht zu leiden. Dennoch i[t diefe
Art der Zeichnung nicht denkbar ohne
eine vollkommene Beherrschung des Ob-
jektes und aller Mittel zu [einer Dar-
stellung, und fie feßt die Fähigkeit vor-
aus, auch Aktzeichnungen von der wün-
schenswertesten akadcmi[chen Ausführlich-
keit und Naturtreue zu liefern.
Da fomit von einem, tonalen oder
räumlichen, Reichtum nicht die Rede i[t,
und auch die Farbe weder nach Ausdeh-
nung noch nach ihrem Grade einen eigenen
Wert ausmacht, fo bleibt für diefe Zeich-
nungen als Rechtfertigung ihrer Exiftenz
nur ihre Qualität übrig, das heißt die In-
tenfität, mit der die Form und die Funk-
tion des Körpers wiedergegeben ift. „Daß
ein Kopf ein Kopf fei, eine Fland eine
Hand und daß fie greife, fo daß der ihr
geleiftete Widerftand erkennbar i[t" fagt
Klinger. Jeder Strich und jede Form i[t
Zeugnis dafür, daß Pediftein unfern aller-
ftärkften Formtalenten zuzurechnen ift,
und fmne Tendenz und Fähigkeit, die
Form auf ihre gefeßmäßigen Elemente zu
reduzieren, macht ihn zu einem guten
Porträtiften im höchften Sinne, wovon in
der Ausftellung außer dem hier abgebil-
deten fehr großartigen Kopfe (Abb. 4) noch
ein wunderfchönes Mädchenporträt in
lichten, fehr einfachen Farben Zeugnis
gibt. Wie ftark übrigens die Form an
fich, ohne jede farbige Zutat, wirkt, zeigt
auch eine Zeichnung, wie Abb. 6, die nur
mit der Feder, unter Vermeidung jeder tonalen
Beihilfe, den Körper in der höchften Lebendigkeit
geftaltet.
Eine ganz befondere Abteilung bilden die
Reihen der Aktftudien nach Negerkörpern (Abb. 5).
Sie gemahnen in der Art der reichen Tonalität
der Haut und in der Betonung der Körperbewe-
gung im erften Augenblick an Rodins Zeichnun-
gen. Und doch find fie ganz organifch aus dem
übrigen Oeuvre erwachfen. Sie feßen die Be-
wegung fort, die auch in der Ausftellung Pech-
fteinfcher Werke feftgeftellt werden konnte, die
kürzlich Gurlitt zeigte, daß [ich nämlich inner-
halb der einzelnen, [charf begrenzten Farbflächen
eine gefteigerte Lebendigkeit, eine reichere und

Abb. 6. MAX PECHSTEIN, Federzeichnung
wärmere Nuancierung bemerkbar macht, die die
Werke Pechfteins immer mehr von dem entfernt
was die Gegner plakatartig nennen durften,
worin indeffen die Freunde von jeher die An-
fäße fahen zu dem, was die Zukunft diefer
Kunft fein wird: zu einer monumentalen Deko-
ration. Von den verfchiedenften Seiten her
nähert fich die Kunft heute wieder einer neuen
und hohen Monumentalität. Pechftein gehört
zu den Begabteften und Hoffnungsreichsten unter
den Führern zu diefem Ziele, und ich meine,
diefe Ausftellung feiner Zeichnungen darf uns
in dem Glauben befeftigen, daß wir unter glück-
lichen Bedingungen das Höchfte von ihm er-
warten können.

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