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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 5.1913

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9. Heft
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Lilienfeld, Karl: Die Sammlung Steengracht: zu ihrer bevorstehenden Auflösung
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https://doi.org/10.11588/diglit.26374#0360

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DIE SAMMLUNG STEENGRACHT


bereits hinter [ich hatte. Von
[einem Studiengeno[[en Govert
Flinck zeigen zwei [ehr [olid
ausgeführte Porträts \ daß ihr
Autor [chon vor 1650 die von
Rembrandt empfangenen Lehren
aufgegeben hatte und fich der
damals beliebteren Richtung van
der Helfts — diefelbe Erfchei-
nung auf Flincks Schüßenftück
von 1648 im Rijksmufeum! —
anfchloß. Die fpäte Rembrandt-
fchule i[t durch den „orientali-
fchen Fürften" des ftets geift-
vollen A. de Gelders hervor-
ragend vertreten: Wie immer,
intereffant in der Technik und
kühn in der Erfindung der Far-
benharmonien. Der Umftand,
daß an Stelle des warmen Hell-
dunkels bereits ein kühlerer bläu-
lichgrauer Ton auftritt und daß
die Kompofition — foweit dies
bei einer Einzelfigur möglich
ift — in die Tiefe entwickelt ift,
weift das äußerft effektvolle
Phantafie-Bildnis in die fpätere
Zeit (nach 1690) des Meifters.
Abb.4. A.BROUWER, DieRaucher Sammtung Steengracht, Haag —Ferner find noch zwei männ-
liche Bildniffe dem Rembrandt-
kreis zuzurechnen: Erftens ein Bildnis von 1640, das unter dem Namen Th. de Kegfers
geht, aber mehr Elemente der Rembrandtfchen Kunft aufweift; zweitens ein „Mann
in rotem Mantel", deffen bisherige Zufchreibung an F. Bo! recht plaufibel erfcheint, der
aber auf Grund eines kürzlich gefundenen Signaturrefts „vens" jeßt Lievens benannt
wirdT Mit ebenfo wenig Sicherheit wird m. E. das falfch „Rembrandt" bezeichnete
„Bildnis einer Frau, die ein Kind lefen lehrt" dem Lievens gegeben. Ich fehe darin
vielmehr eine Arbeit des Haarlemer P. de Grebber.
So intereffant für uns die genannten Meifter der Rembrandtfchule find, fo bilden
nicht fie den großen Ruhm der Galerie, fondern die großen Meifter der Genremalerei:
G. ter Borch, A. Brouwer, P. de Hooch, G. Metfu, J. Steen. An elfter Stelle das jeden
Befucher fofort bezaubernde „Kranke Kind" Metfus (Abb. 2), vor deffen effektvollem
Kolorit immer wieder die Erinnerung an Vermeer wach wird. Es gibt nur eine kleine
Gruppe von Werken Metfus — ich erinnere noch an die „Briefleferin" in der Samm-
lung des verftorbenen A. Beit-London , auf denen der Einßuß Vermeers fo ftark
zutage tritt. Ter Borchs „Mutter, die ihr Kind kämmt" ift vielleicht weniger effektvoll,

* „Mann" und „Frau"; letztere voii bezeichnet und 1648 datiert.
- Auch der Name des Rembrandtfchülers Ovens würde paffen.

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