Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 5.1913
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https://doi.org/10.11588/diglit.26374#0453
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11. Heft
DOI Artikel:Friedeberger, Hans: Die Sezession und die Refüsierten
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Die SEZESSION UND DIE REFÜSIERTEN
Reife und Reinheit, auch eine Anzahl feiner eminenten Porträts, von denen das Bildnis
Hermann Cohens wohl das feinfte ift. Hier hat die Begegnung verwandter Naturen
zu einer Selbftverftändlichkeit der Haltung geführt, die klaffifch wirkt. In Trübners
Kollektion überwiegen die älteren Arbeiten, nicht nur der Quantität nach, und die
ganze Schau mutet faft galeriemäßig an. Sonft hat fich Slevogt, als Juryvorfi^ender,
nur mit einigen kleinen, aber [ehr geiftreichen Stilleben und einer kleinen Don Juan-
fkizze beteiligt, Hodler ift nur durch ein Damenporträt vertreten, das eine leichte
Konventionalität, allerdings feine Konventionalität zeigt und Lovis Corinth repräfen-
tiert nur der Bootshafen an der Riviera ganz zureichend. Gute Qualitäten in ge-
wohnter Art enthalten die Werke von Breyer und Alice Trübner, Kalckreuths
Porträt, das freilich der geiftigen Phyfiognomie des Dargeftellten nicht fo gerecht wird
wie der körperlichen, und die der Brüder Hübner.
Von der mittleren Generation war ich diesmal ein wenig enttäufcht, obwohl Beck-
manns Waldweg und das prachtvolle Familienbild die bekannten vorzüglichen Quali-
täten aufweifen. Aber feinem großen Bilde des Titanic-Unterganges fehlt das unerläß-
liche Pathos, fehlt die eine, weithin fichtbare Gebärde, die den ganzen Sinn diefer
Begebenheit enthält. Rösler fucht mit einem, zudem ftark literarifchen Liebespaar
Beckmannfche Wege, nicht mit Glück, und auch Brockhufen erfcheint weniger ftark
als fonft. Man hätte feine Bilder doch nicht unmittelbar neben die van Goghs hängen
Jollen. Kräftig und groß wirkt wieder Otto Hettner.
Und nun die junge Generation. Noch nie war es fo deutlich wie in diefer Aus-
heilung, welcher Vorrang in der jüngften Entwicklung wieder dem Menfchen vor der
Natur eingeräumt wird, und zwar nicht dem Menfchen als Träger farbiger oder
fonftiger Oberflächenerfcheinungen, fondern der Plaftik und dem Geftus feiner Körper-
lichkeit. Auch in der Darftellung der unbelebten Natur geht die Abficht wieder auf
große Flächen von ungebrochener Form und Farbigkeit, aber diefe jüngfte Phafe be-
wahrt fich durch ein feines Gefühl für das Funktionelle vor dem Verßauen im Kunft-
gewerblichen. Wir wollen fie deshalb preifen, denn fie führt uns fo wieder einer
Kunftgattung entgegen, die uns der Impreffionismus bei aller Reife und Unverlierbar-
keit feiner Leiftungen fchuldig bleiben mußte: dem Monumentalen. Unter den Namen
diefer Generation fteht wieder der Pechfteins obenan, wie denn überhaupt die vor-
malige neue Sezeffion ftattlich aufrückt: Heckei mit einem prachtvollen Kanalufer,
Erbslöh, Segall und Heckendorf, der fich fehr fchön entwickelt, während Kirchner
mir fonft erheblich mehr gefagt hat. Von Großmann ift nur das Straßenbild auf der
Höhe feiner Graphik. Sonft wären hier noch zu nennen: Oscar Moll mit fehr fchönen
Landfchaften, Ehwald mit einem guten Figurenbild und die Gruppe der Heufer,
v. Freyhold, Steiner und Matthes. Feiks, Kokofchka und Pascin find bekannt.
Sie haben ihre Qualitäten gefteigert, ohne ihre Art zu verändern.
In der plaftifchen Abteilung, die diefes Mal befonders glücklich aufgeftellt wurde,
herrfcht Barl ach. Seine Werke haben in ihrer Einfachheit die ftarke Kraft und die
fuggeftive Wirkung ganz großer Kunft. Und dann fteckt in ihnen Handwerk, Material-
verftand und -rückficht. Diesmal fieht man neben den Holzfkulpturen auch eine
Porzellanbüfte der Frau Durieux, wenn ich nicht irre, in den Unterweißbacher Werk-
ftätten hergeftellt, viel fachlicher und doch von gleich hoher Qualität. Auch fonft ent-
hält diefe Abteilung nur Gutes, von Minne, von Tuaillon und Gaul, Kolbes feine
Büfte van de Veldes, Werke von Ebbinghaus, Lehmbruck, Haller, Langer und
als neue Bekanntfchaften, de Fiori mit einer ganz Linie und Empfindung ge-
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Reife und Reinheit, auch eine Anzahl feiner eminenten Porträts, von denen das Bildnis
Hermann Cohens wohl das feinfte ift. Hier hat die Begegnung verwandter Naturen
zu einer Selbftverftändlichkeit der Haltung geführt, die klaffifch wirkt. In Trübners
Kollektion überwiegen die älteren Arbeiten, nicht nur der Quantität nach, und die
ganze Schau mutet faft galeriemäßig an. Sonft hat fich Slevogt, als Juryvorfi^ender,
nur mit einigen kleinen, aber [ehr geiftreichen Stilleben und einer kleinen Don Juan-
fkizze beteiligt, Hodler ift nur durch ein Damenporträt vertreten, das eine leichte
Konventionalität, allerdings feine Konventionalität zeigt und Lovis Corinth repräfen-
tiert nur der Bootshafen an der Riviera ganz zureichend. Gute Qualitäten in ge-
wohnter Art enthalten die Werke von Breyer und Alice Trübner, Kalckreuths
Porträt, das freilich der geiftigen Phyfiognomie des Dargeftellten nicht fo gerecht wird
wie der körperlichen, und die der Brüder Hübner.
Von der mittleren Generation war ich diesmal ein wenig enttäufcht, obwohl Beck-
manns Waldweg und das prachtvolle Familienbild die bekannten vorzüglichen Quali-
täten aufweifen. Aber feinem großen Bilde des Titanic-Unterganges fehlt das unerläß-
liche Pathos, fehlt die eine, weithin fichtbare Gebärde, die den ganzen Sinn diefer
Begebenheit enthält. Rösler fucht mit einem, zudem ftark literarifchen Liebespaar
Beckmannfche Wege, nicht mit Glück, und auch Brockhufen erfcheint weniger ftark
als fonft. Man hätte feine Bilder doch nicht unmittelbar neben die van Goghs hängen
Jollen. Kräftig und groß wirkt wieder Otto Hettner.
Und nun die junge Generation. Noch nie war es fo deutlich wie in diefer Aus-
heilung, welcher Vorrang in der jüngften Entwicklung wieder dem Menfchen vor der
Natur eingeräumt wird, und zwar nicht dem Menfchen als Träger farbiger oder
fonftiger Oberflächenerfcheinungen, fondern der Plaftik und dem Geftus feiner Körper-
lichkeit. Auch in der Darftellung der unbelebten Natur geht die Abficht wieder auf
große Flächen von ungebrochener Form und Farbigkeit, aber diefe jüngfte Phafe be-
wahrt fich durch ein feines Gefühl für das Funktionelle vor dem Verßauen im Kunft-
gewerblichen. Wir wollen fie deshalb preifen, denn fie führt uns fo wieder einer
Kunftgattung entgegen, die uns der Impreffionismus bei aller Reife und Unverlierbar-
keit feiner Leiftungen fchuldig bleiben mußte: dem Monumentalen. Unter den Namen
diefer Generation fteht wieder der Pechfteins obenan, wie denn überhaupt die vor-
malige neue Sezeffion ftattlich aufrückt: Heckei mit einem prachtvollen Kanalufer,
Erbslöh, Segall und Heckendorf, der fich fehr fchön entwickelt, während Kirchner
mir fonft erheblich mehr gefagt hat. Von Großmann ift nur das Straßenbild auf der
Höhe feiner Graphik. Sonft wären hier noch zu nennen: Oscar Moll mit fehr fchönen
Landfchaften, Ehwald mit einem guten Figurenbild und die Gruppe der Heufer,
v. Freyhold, Steiner und Matthes. Feiks, Kokofchka und Pascin find bekannt.
Sie haben ihre Qualitäten gefteigert, ohne ihre Art zu verändern.
In der plaftifchen Abteilung, die diefes Mal befonders glücklich aufgeftellt wurde,
herrfcht Barl ach. Seine Werke haben in ihrer Einfachheit die ftarke Kraft und die
fuggeftive Wirkung ganz großer Kunft. Und dann fteckt in ihnen Handwerk, Material-
verftand und -rückficht. Diesmal fieht man neben den Holzfkulpturen auch eine
Porzellanbüfte der Frau Durieux, wenn ich nicht irre, in den Unterweißbacher Werk-
ftätten hergeftellt, viel fachlicher und doch von gleich hoher Qualität. Auch fonft ent-
hält diefe Abteilung nur Gutes, von Minne, von Tuaillon und Gaul, Kolbes feine
Büfte van de Veldes, Werke von Ebbinghaus, Lehmbruck, Haller, Langer und
als neue Bekanntfchaften, de Fiori mit einer ganz Linie und Empfindung ge-
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