Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 5.1913
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https://doi.org/10.11588/diglit.26374#0527
DOI Heft:
13. Heft
DOI Artikel:Baumeister, Engelbert: Eine niederländisch-burgundische Gravierung von 1433
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EINE N1EDERLANDISCH-BURGUNDISCHE GRAVIERUNG VON 1435
raum mit Bruchftücken diefer Ornamentik verfehen; Haare, Federn und Blumen find
gefchmadcvoll [tili[iert. Eine freiere Auffaffung fcheiterte damals wohl noch an der
Sprödigkeit des Materials. Dagegen ift die Fertigkeit in der Grabftichelführung auch
in der folgenden Zeit bis gegen Ende des Jahrhunderts kaum übertroffen worden.
Im Jahre 1433 ift alfo die Technik des Grabftichels in den Niederlanden bereits zu
hoher Vollkommenheit gereift. Ob man daraus fchließen darf, daß hier auch die
Technik des Abdruckes entftanden ift? — Jedenfalls werden anderswo kaum die
Vorbedingungen fo günftig gewefen fein. Der Gedanke, Bilder durch ein Druck-
verfahren auf Papier zu vervielfältigen, war im Holzfchnitt feit mehreren Jahrzehnten
verwirklicht. Nach Erkenntnis diefes wichtigen Prinzips, mußte feine Übertragung auf
Grabftichelarbeiten eigentlich ganz von felbft fich entwickeln, in einem Lande, wo die
Gravierungstechnik bereits zu fo bedeutender Ausdrucksfähigkeit gelangt war.
Unter den frühen niederländifchen Kupferftichen weifen trot$ des großen Abftandes
im Format die kleinen Darftellungen des Bileam-Meifters manche Stilähnlichkeiten auf:
der gefällige Vortrag, die rundliche Linienführung, die zarte Seelenftimmung find einem
verwandten Schönheitsfinne entfproffen; die Schattenlagen find freier, im Grunde aber
in derfelben Art gebildet, wie auf unferer Tafel.
Ob das Gefchenk der burgundifchen Herzogin in Bafel Anregung und Eindruck
hervorgerufen hat? Vielleicht kommt man zu reicheren Ergebniffen, wenn man den
Einzelfall als Beifpiel von regen Beziehungen zwifchen Bafel und dem benachbarten
Burgund auffaßt.
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raum mit Bruchftücken diefer Ornamentik verfehen; Haare, Federn und Blumen find
gefchmadcvoll [tili[iert. Eine freiere Auffaffung fcheiterte damals wohl noch an der
Sprödigkeit des Materials. Dagegen ift die Fertigkeit in der Grabftichelführung auch
in der folgenden Zeit bis gegen Ende des Jahrhunderts kaum übertroffen worden.
Im Jahre 1433 ift alfo die Technik des Grabftichels in den Niederlanden bereits zu
hoher Vollkommenheit gereift. Ob man daraus fchließen darf, daß hier auch die
Technik des Abdruckes entftanden ift? — Jedenfalls werden anderswo kaum die
Vorbedingungen fo günftig gewefen fein. Der Gedanke, Bilder durch ein Druck-
verfahren auf Papier zu vervielfältigen, war im Holzfchnitt feit mehreren Jahrzehnten
verwirklicht. Nach Erkenntnis diefes wichtigen Prinzips, mußte feine Übertragung auf
Grabftichelarbeiten eigentlich ganz von felbft fich entwickeln, in einem Lande, wo die
Gravierungstechnik bereits zu fo bedeutender Ausdrucksfähigkeit gelangt war.
Unter den frühen niederländifchen Kupferftichen weifen trot$ des großen Abftandes
im Format die kleinen Darftellungen des Bileam-Meifters manche Stilähnlichkeiten auf:
der gefällige Vortrag, die rundliche Linienführung, die zarte Seelenftimmung find einem
verwandten Schönheitsfinne entfproffen; die Schattenlagen find freier, im Grunde aber
in derfelben Art gebildet, wie auf unferer Tafel.
Ob das Gefchenk der burgundifchen Herzogin in Bafel Anregung und Eindruck
hervorgerufen hat? Vielleicht kommt man zu reicheren Ergebniffen, wenn man den
Einzelfall als Beifpiel von regen Beziehungen zwifchen Bafel und dem benachbarten
Burgund auffaßt.
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