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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 5.1913

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22. Heft
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Stoermer, Curt: Die Neuerwerbungen der Bremer Kunsthalle
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https://doi.org/10.11588/diglit.26374#0822

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DIE NEUERWERBUNGEN DER BREMER KUNSTHALLE
fand eine eigenhändige Signatur,
welche auf David de Heem lautet.
Sie ift zweifellos gleichzeitig mit
der Entftehung des Werkes vor-
genommen. Demnach hätten wir
es hier mit einem Werke des älte-
ften de Heem zu tun, alfo des
Vater Jan Davidzs und des Groß-
vaters Cornelis de Heem, gleich-
falls Utrechter Stillebenmaler. Jan
Davidzs hat die ererbte Kunft recht
handwerklich ausgebeutet. Ihm das
vorliegende Bild einfach zuzu-
fchreiben, fcheint ein Fehler zu fein.
Es ift von prachtvollem Reichtum
und feinfter Differenzierung der
Farbe. Gewirkte Stoffe, Brokat,
Mufcheln, Fruchtfchalen, Himmel
find in großartigem Aufbau kom-
poniert. Dabei wirkt es nicht na-
turaliftifch, vielmehr hat diefe Kunft
etwas geiftig Strenges. Da man
David de Heem noch kein Werk
mitSicherheitzufchreiben konnte, ift
diefe Entdeckung befonders wichtig,
Abb. 6. GERARD DE LAIRESSE, Vanitas dafich noch manche fragwürdigeBe-
ftimmung nach ihr verbeffern ließe.
Der prinzipielle Umfchwung, den die Kultur der Niederlande nach Jan Steen erfuhr,
entftand aus einer wachfenden Internationalität. Verfeinerung der Lebensbedingungen,
Luxusbedürfnis des bürgerlichen Standes waren Umftände, denen eine klaffiziftifche
Kunftrichtung entgegenkam. An Stelle der Landhäufer der kleinen Räume der Bürger-
wohnung trat der barocke Schloßbau und üppige Magiftratsgebäude. Gerard de
Laireffe hat den neuen akademifchen Stil in den Niederlanden begründet, der fich bis
ins 19. Jahrhundert fortpflanzte. Er ftand als Klaffizift im bewußten Gegenfa^ zum
Realismus der holländifchen Schule. Sein Bild „Vanitas" kann als Abfchluß der Neu-
erwerbungen gelten, welche die Epoche der Niederländer umfaffen. Ein nackter Knabe
auf weißen Kiffen bläft mit ernfthaft allegorifcher Miene Seifenblafen in die Luft. Die
Koloriftik hat für unfer Gefühl, was befonders die purpurroten Vorhänge betrifft, etwas
Starres und ift im Vergleich zur Farbe der Niederländer recht unproduktiv.
Sicherlich ift es nicht der Begriff „Realismus", der uns von hier zu den Realiften
der Neuzeit führt. Es find auch direkte Fäden vorhanden, welche Rembrandt und
Leibi, Franz Hals und Corinth verketten. Auch hiftorifch ift diefe Betrachtungsweife
gerechtfertigt, da die zwifchenliegende Zeit, das Barock, das Rokoko, die Berliner und
Münchener Kunft des 19. Jahrhunderts in ihren Hauptzügen eine in fich abgefchloffene
Epoche bilden. Gewiß auch in den Niederlanden gab es eine falonfähige Kunft wie
die Franz von Mieris, eine dekorative Kunft wie die der Stilleben- und Vedutenmaler
des 17. Jahrhunderts. Aber nirgends wird fie Vorläuferin des Klaffizismus. Erft der


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