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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 5.1913

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22. Heft
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Stoermer, Curt: Die Neuerwerbungen der Bremer Kunsthalle
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https://doi.org/10.11588/diglit.26374#0828

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DIE NEUERWERBUNGEN DER BREMER KUNSTHALLE

(1505—1540) zugefchrieben werden. Dann wurde die Urheberfchaft eines prachtvoll
erhaltenen Gemäides „Daniel ais Richter" Lucas van Leyden zuerkannt. Der feltene
Wert diefer Entdeckung veranlaßt mich, die Befchreibung des Kataioges hierher zu
fetten: ln der Mitte (teilt der Knabe Daniel, der mit erhobenen Händen die Unfchuld
des iinks neben ihm ftehenden Weibes dem Richter auseinanderfe^t, der mit einem
langen Stabe in der Rechten rechts vor ihm fteht, indem er die Linke, die ein zu-
fammengefaltetes Papier hält, auf eine fteinerne Brüftung ftü^t. Hinter den beiden
find fechs Perfonen fichtbar. Ein junger Mann fteht vor der Ehebrecherin vom Rücken
gefehen; hinter ihr ein Mann mit brauner Kappe. Links weiter hinten, in dem Garten-
gelände, das in den Fenfterbogen erfcheint, ein Knabe und zwei Männer im Gefpräch.
Im Hintergründe links ferne Gebäude. Unbez. — Früher wurde das Bild auf Grund
einer angeblichen, aber unauffindbaren Bezeichnung dem Jan de Hoey, einem Enkel
des Lukas v. Leyden oder deffcn Schwiegerfohn Jans Vater, zugefchrieben (vgl. Dul-
berg, Oud Holland XVI, 156ff).
Am Schluß des Kataioges befinden fich eine Reihe von Tafeln mit den Fakfimiles
der Künftlerfignaturen. Darunter find fehr wichtige Zeichen wie z. B. die von P. Claes,
Everdingen, Heimbach, van der Neer, Tileman Schenk, C. Vroom, Wouvermann, deren
Zufammenftellung als wiffenfchaftliches Forfchungsmittel fehr dankenswert ift.
Was die Kunfthalle unter Paulis Leitung mit den geringen Mitteln erwarb, ift er-
ftaunlich. Was ihr außerdem gefchenkt wurde, kennzeichnet Paulis Verdienfte um fo
mehr, da diefe Schenkungen doch in feiner ftarken Anregung ihre Begründung haben, und
ein auf diefe Weife geäußertes Vertrauen dem Galeriedirektor das fchönfte Lob fagen
will. Von großer Bedeutung find die Erwerbungen von Gemälden Lucas Cranach d.Ä.
Die „heilige Dreifaltigkeit", ca. 1513 entftanden, wahrfcheinlich zu einer zufammen-
gefügten Gruppe gehörig, von der ein Teil „Der Sterbende" im Leipziger Mufeum
hängt. Sie gehört alfo zu dem frühen Schaffen des Meifters, und ift fehr ausgefprochen
in Farbe, Geftus und Kompofition. „Ecce homo" ift eines der Cranachfchen Ecce-homo-
Bilder aus der Zeit 1537—1540, jedoch fteht hier der Chriftus im Gegenfafs zum Altar-
bild des Meißener Doms und dem Ecce homo der Dresdener Galerie in ganzer Figur
und Lebensgröße, die Arme über der Bruft gekreuzt, in der Rechten eine Rute, in der
Linken zwei Geißeln. Hinter ihm niedriges Bufchwerk, fteht er umgeben von einer
Wolke mit Cherubsköpfchen, oben rechts und links ein anbetender Engel. Der Hinter-
grund ift intenfiv blau. Prachtvoll ift ein „männliches Bildnis"; der Dargeftellte halb nach
rechts gewendet, trägt eine Pelzmütze und eine fchwarze Damaftfchaube mit breitem
Pelzkragen (vgl. Pauli, Monatshefte f. Kunftwiffenfchaft 111, 25). Von Pieter Claesz
erwarb die Kunfthalle ein prachtvolles Stilleben, das befterhaltenfte, das überhaupt exiftiert.
Zeit um Rembrandt: Pieter Laftman, „Schlacht zwifchenConftantin und Maxentius".
Der Kampf tobt auf und unter dem Brückenbogen, diefer bricht zufammen und die
Kämpfenden ftürzen rechts in den Fluß. Man kann diefes Bild nicht akademifch nennen,
trotzdem Raffael und Caravaggio ftark mitgewirkt haben, wohl aber nüchtern und
konftruktiv. Welche Offenbarung hiergegen (oder hierfür) ift Rembrandt! Der
wundervolle „Paulus" (gern. 1629 30) wurde dem Senate gefchenkt und vom felbigen
Stifter, Herrn John Harjes, der „lefende Greis".
Aus der Sammlung Lurman erwarb die Kunfthalle die „Landfchaft mit dem Aus-
blick auf das Schloß Bentheim" von Ruisdael. Eigentümlich berührt der warme
herbftlich-braune Ton des Gefamten und zeigt eine unverkennliche Verwandtfchaft mit
einem Werke Cornelis Vrooms, der fchon um 1600 geboren ift. Es ift ficher, daß

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