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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 5.1913

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22. Heft
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Stoermer, Curt: Die Neuerwerbungen der Bremer Kunsthalle
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https://doi.org/10.11588/diglit.26374#0830

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DIE NEUERWERBUNGEN DER BREMER KUNSTHALLE

Darftellung, Ausdruck und Aufbau betrifft. Der plö^lich fo fpontan wirkende Über-
gang von einer großen vereinfachten Behandlung in fein differenziert gemalte Teile des
Bildes macht uns den Gedanken an eine innerliche Verwandtfchaft mit Velasquez lieb.
Das „Mohnfeld" von van Gogh wurde erft kürzlich erworben. Prachtvoll vertreten
find außerdem Monet mit der „Dame im grünen Kleid" und dem Parkbilde, Renoir
mit der „Dame vor dem weitgeöffneten Fenfter" und dem „Blumenftrauß", Piffarro
mit Landfchaften, Gauguin mit einem Stilleben und Degas mit einer Tänzerin in
Halbfigur.
Gerade bei der neuen Malerei ift der Katalog, der feit Paulis Direktion von aller
großen Kunft gute Proben umfaßt, ziemlich vielfeitig. Ich möchte daher nur ganz
wichtige Werke deutfcher Malerei nennen, die der Kunfthalle das Gepräge einer der
ernfteften Kunftftätten geben, die es heute gibt. Auf Erwerbungen von Lenbach und
Stuck folgte 1902 diejenige des „Mandolinenfpielers" von Feuerbach, ein Selbft-
porträt Hans von Marees, von Hans Thoma „Der Rheinfall", „Schwarzwaldiand-
fchaft" und „Ziegenherde in der Campagna". Außergewöhnlich gut ift Karl Schuch
vertreten. Wir finden hier zwei feiner beften Stilleben und die Landfchaft „Am
Weßlinger See", der man nichts gegenüber felgen könnte. Ebenfo zielbewußt greifen
die Erwerbungen einiger Porträts von Leibi in die gegebene Richtung ein. Von
Liebermann erwarb Pauli außer den fchon früher genannten Werken das bekannte
Bild „Die Kuhhirtin" und „Haarlem" (1907).
Trübner ift in mehreren Schaffensperioden vorhanden, ebenfo Kalckreuth,
Habermann und Paula Moderfohn. Von den Neueren möchte ich erwähnen
Toorop, Karl Hofer, Zuloaga und Tewes. Es tut mir leid, daß der Raum kurz
ift, aber hoffentlich erwecken diefe Namen Vorftellungen und Erinnerungen und geben
ein Bild von der Tätigkeit ihres Organifators.
Pauli ift kein Menfch, der im Vorkämpfertum eine befriedigende Rolle fände. Was
er fchafft ift unverrückbar und niemals beffer zu machen. Als Menfch fühlt er fich
nur dem wirklich großen Leben gegenübergeftellt, fei es nun Neuzeit oder Altertum-
Er tritt da an die Kunft heran, wo fie abfolut ift, wo man zu ihr keinen andern
Standpunkt einnehmen kann, als den vom Werke felbft aus, wo Meinungsverfchieden-
heiten nicht nur überflüffig find, fondern zur Komik werden. Es ift ja pfychologifch
erklärlich, daß der Spießer mit einer Kunft, die nicht „nach feinem Gefchmack" ift, fich
perfönlich gekränkt fühlt. Wenn er feinen Groll mit der Zeit vergeffen hat, fteht er
vielleicht auf dem Standpunkte, der für einen Vorkämpfer der felbftverftändliche ift.
Trotzdem wird er das Gute oftentativ zurückweifen, des Phantoms der Urväterzeiten
zuliebe. Nicht nur dadurch ift die Erziehung zur Kunft befonders fchwer, vielmehr
noch, weil der bürgerliche Menfch der Kunft gegenüber nur zu leicht fein bewußtes
Wefen verliert. Ein kindifcher, ziellofer Egoismus fet^t ein. Darum wäre es Unfinn,
ihn mit der Nafe darauf zu ftoßen, daß das fchöne Schaffen der Gegenwart für ihn
ein kategorifcher Imperativ ift. Das einzigfte Mittel ift: ihm Zeit zu taffen, viel Zeit,
und felbft im Stillen weiterbauen und fo fort, dem eigenen Triebe folgend. Das tut
Pauli trot$ aller Widerftände unentwegt.

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