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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 6.1914

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Heft. 1
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Stoermer, Curt: Paula Modersohn
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https://doi.org/10.11588/diglit.26375#0032

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PAULA MODERSOHN

Bewegung, malt plaftifch und bildmäßig, doch
faßt fie mit nicht geringerer Vertiefung die
Charaktere der Erfcheinungswelt gefdiloffener
auf. Das Bildmäßige wird fouverän.
Sie antwortet auf die Einwirkung des
Impreffionismus mit einer Monumen-
talkunft.

Um dies wahrfcheinlich zu finden, denke
man fich eine der Studien xmal vergrößert
und in eine Wand eingelaffen. Man wird
es beftätigen muffen, troßdem fie nicht mit
bewußter Abficht auf Größe und Architek-
tonik gemalt find, vielmehr entfteht diefe
Monumentalität ganz felbftverftändlich durch
ein naives Schauen, aus einem Mittendrin-
ftehen in einem jungfräulichen Leben, aus
welchem auch Freskomaler wie Giotto, die
primitiven Südfranzofen und Florentiner ge-
fchöpft haben mögen. Die Sicherheit, mit
der Paula Moderfohn einen Schimmel oder
eine Ziege malt, ganz allein den einfachen
Eindruck folch eines Tieres gibt, ift die-
felbe, die andern monumentalen Kunft-
epochen innewohnte. Gewiß hatten Zeiten
wie die Frührenaiffance einen ftärkeren
logifchen Aufbau zu einer förmlichen Ent-
wicklung wie die Paula Moderfohns, bei
ihr dagegen ift es die ftarke Konzentra-
tion ihres Ausdrucks und eine Schulung an
deutfchem Realismus und franzöfifchem Im-
preffionismus, die eine beftimmte Tradition
erfeßen. Es find diefe beiden Richtungen,
die fich in ihrem Werke auflöfen zur Mo-
numentalkunft, die dort bodenftändig und
charakterfeft werden, was dodh das Eigent-
liche auch früherer Freskomalerei war. Ift
es der ausgeprägte Nationalcharakter, der
uns die alte Freskokunft intereffant und
zugänglich macht, fo finden wir auch in
Paula Moderfohn das intim Heimatliche vergeiftigt und verinnerlicht.

Erft fpäter, vielleicht in den zwei leßten Jahren ihres Lebens fehen wir ihrer Kunft
neue Probleme erwachfen. Ihre Naivität wird bewußt, wird durch die Intenfität des
Willens gefteigert. Sie erwacht zu neuen Dimenfionen, Farbe und Bewegung werden
präzis und durchdacht. Sie beobachtet den Vorgang des Bildbaus und verfucht des
ftärker gewordenen Gefühles Herrfchaft zu erringen und es architektonifch in Zufammen-
klang zu bringen mit ihrer Zeit. Wir fehen, wie bewußt alle Luft und räumliche Vor-
ftellung ausgefchaltet wird. Die Darftellung des Stoffes ift eine rein plaftifche. Wir

Hbb. 6. PAULA MODERSOHN, Selbftporträt
mit dem Kamelienzweig. 1907

Folkwang-Mufeum, Hagen i. W.

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