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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 6.1914

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Heft. 1
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Rundschau - Sammlungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.26375#0037

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SAMMLUNGEN

fchmiert mit Ornamenten, mit Infchriften — und
mit hiftorifchen Riefenfresken. Bei uns waren
die ja leider auch fehr im Schwang, als man
nicht wußte, was man mit den Feftfälen reftau-
rierter Burgen anfangen follte — Goslar und
Meißen wiffen davon zu erzählen. Äbfurd ge-
radezu ift das Verfahren hier, wo man mit all
den Repräfentationsbildern nidit weiß wohin.
Und das ift nicht etwa eine alte Sünde. Der
Bädeker von 1900 verzeichnet noch alte flandri-
fche Wandteppiche und Gemälde an den Wänden.
Alfo ift man erft im 20. Jahrhundert auf diefe
Narrenidee gekommen, vielleicht um einem be-
fonders protegierten Maler etwas zuzuwenden...
Im übrigen ftehen in der Vorhalle maffenhaft
Büften berühmter Holländer (nicht etwa künft-
lerifch wertvolle!) und ein par wertlofe Figuren
herum.

Das ift der Auftakt. Die Greuel kommen
nach, die an den hödiften und vollkommen-
ften Werken der Malerei begangen werden.
Kindifch wird die Stilmeierei in den kleinen Ka-
binetten, die, für die Bilder kleinen Formats,
pch zu beiden Seiten der Vorhalle öffnen. Überall
find um die Türen graue Steinquadern, pompöfe
Portalbekrönungen und Teppichornamente und
Infchriften in Braun aufgepinfelt. Die tiefen
Fenfterlaibungen enthalten die aus der gotifchen
Innenarchitektur bekannten erhöhten Seitenßße
mit grünfamtnen Kiffen; fie haben nur den einen
Fehler, daß man von ihnen aus (ße find fo hoch,
daß man den Fenftertritt als Fußftüße braucht)
wohl die gegenüberliegende Laibung, nicht aber
irgend etwas an den andern drei Wänden, wo
die Bilder hängen, fehen kann. Ich habe tatfäch-
lich auch keinen Menfchen da oben fißen fehen.

Der gefchmacklofefte Raum wohl ift die große
Galerie im Mittelbau. An einen langen, fchmalen
Hauptraum, mit vier Kreuzgewölben eingedeckt,
gliedern fich feitlich je vier Kabinette mit Ober-
licht an. Hier wird die dekorative Ausmalung
quälend: zwifchen braun gemufterten Säulen
hängen dicke, fchwere Plüfchvorhänge herunter
(die gleichen in den Türen der gotifchen Ka-
binette!), Vorhänge in Grün, Braun und Rot
von einer Qualität, wie man fie bei uns höchftens
noch in den fogen. „elegant möblierten“ Miet-
zimmern findet, als Dokumente kleinbürgerlichen
Unverftands. Und dahinter und dazwifchen hält
pchFransHals auf! Zahlreiche Plaftiken, meift
aus Gips, beherbergt der Mittelraum. Wenn
man fich die Mühe angeftrengten Suchens nicht
verdrießen läßt, entdeckt man zwei vortreff-
liche Terrakottabüften darunter, die viel-
leicht an einem andern Plaß zur Geltung kämen:
Moriß und Philipp Wilhelm von Oranien, Werke
des Joan Claude Cock. An der Eingangs-

Der Cicerone. VI. Jahrg., 1. Heft 2

wand ftehen neben den genannten Plüfchvor-
hängen vor den unverdeckten Röhrenanlagen
der Zentralheizung Gipsabgüffe der gefeffelten
Sklaven von Michelangelo. Man müßte diefe
Ecken farbig photographieren und in eine Aus-
heilung des Ungefchmacks, wie die im leßten
Jahre in Stuttgart, fchicken, ich glaube fie wür-
den alle übrigen dort ausgeftellten Gefchmack-
lofigkeiten in den Schatten ftellen!

Die Plüfchvorhänge aus dem Abzahlungsge-
fchäft verfolgen den Befucher getreulich faft
durch alle Räume. Rubens hat fie z. B. in nächfter
Nähe. Aber nun kommt mein fchwerfter Vor-
wurf: dieGemälde desRijksmufeums find,
wenige ausgenommen, auf die nackte
Kalkwand gehängt! Ich hätte fo etwas nicht
für möglich gehalten. Die Wände, ziegelrot oder
dunkelgrau, zuweilen fogar mit aufdringlichen
ordinären Teppichmuftern angepinfelt, bringen
in ihrer froftigen Gemeinheit jede koloriftifehe
Wirkung, jede malerifche Abficht zum Erftarren!
Man denke fich Rembrandts Goldtöne auf gelb-
lichrotem Kalkhintergrund. Ebenfo Pieter de
Hoochs fonnendurchleuchtete Binnenräume. Aber
das will noch nichts bedeuten neben der Bru-
talität, Frans Hals mit Silbergrau und Schwarz,
und ähnlich geftimmte kleine Bildniffe vonTer-
borch, und — vielleicht das Allergraufigffe! —
Jan Vermeers Milchmädchen und Dame, der man
einen Brief bringt, Bilder in ganz kühnen, fcharfen
Farben, auf ftechend grauen Kalk zu hängen!
Die Barbarei ift nicht mehr zu übertreffen.

Der Jonkheer van Riemsdyck fcheint fich
dabei zu beruhigen, daß er einen Saal und die
anftoßenden Rembrandtzimmer mit Plüfch hat
befpannen laffen. Darin liegt doch fein eigenes
Zugeftändnis, daß befonders gute Bilder einen
Tuchhintergrund brauchen. Aber feine kärgliche
Gunft hat der Herr Direktor höchft verwunder-
lich verteilt. In dem Saal der Schüßenftücke ßnd
ihrer außer Frans Hals und Bartholomäus van
der Helft mittelmäßige und fogar langweilige
Maler teilhaftig geworden — es hängt dort
alles genau fo unfinnig durcheinander wie in
den übrigen Räumen. Und gegen die Pietät,
Rembrandts Schüßenauszug (fälfchlich „Nacht-
wache“ genannt) in einem befonderen eichen-
getäfelten und reich vergoldeten, mit erlefenen
Möbeln ausgeftatteten Zimmer unterzubringen,
wird man angeßchts des fonft üblichen Schlen-
drians doch recht fkeptifch. Zweitaufend Bilder
wild und wüft zufammenzupferchen — und es
find mehrere Werke von Rembranjit darunter,
ganz zu fchweigen von Frans Hals, Jan Ver-
meer, dem überaus feltenen undköftlichenKarel
Fabritius, deffen goldtöniges Männerbildnis
auf grauem Kalk hängt, von Adriaen Brouwer

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