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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 6.1914

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Heft. 1
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Rundschau - Sammlungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.26375#0038

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SAMMLUNGEN

und Pieter de Hoodi, von Terborch, von Ruis-
dael und Hobbema und Willem van de Velde —
und dann eines, das Renommierftück der
Sammlung, mit Gold und Weihrauch präfentieren,
weil die amerikanifchen und deutfdien Banaufen
gerade diefes „gefehen haben muffen“, das ift
keine vornehme Kunftpflege. Das find Jahr-
marktsmanieren, nichts weiter. Man kennt
fie von derSixtinifchenMadonna her. Dann
lieber noch einen Salon carre einrichten wie im
Louvre ... In zwei ähnlich gehaltenen Neben-
zimmern fieht man fünf kleinere Bilder von Rem-
brandt, ferner das aus dem Brande von 1723
gerettete Fragment feiner Anatomie des Dr. Dey-
man und die Staalmeefters. Das find unter den
zweitaufend Bildern vielleicht die einzigen, die
man wirklich genießen kann. Doch ftört im
Staalmeefterzimmer die Diffonanz der grünlichen
gemufterten Plüfchtapete und der naturfarbenen
Eichenbalkendecke. Der Schaden ift gering, denn
bis man hierhergelangt, ift man fchon ganz an-
fpruchslos geworden . . .

Von der Anordnung der Bilder läßt fich nur
fagen, daß hier völlige Anarchie herrfcht, und
daß deswegen die Sammlung auch wiffen-
fchaftlich faßt unbrauchbar wird. Meifter,
die nur mit wenigen Gemälden vertreten find,
muß man fich an drei, vier Orten mühfelig zu-
fammenfuchen. Die drei Werke des Vermeer
find an drei weitauseinanderliegenden Stellen
aufgehängt. Und mit all den andern Meiftern,
Rembrandt nicht ausgenommen, fteht es ebenfo.
Offenbar hat man die zahlreichen Stiftungen von
Kunftfreunden beifammen laffen wollen, die van
de Poll-, die Dupper-, die van de Hoopfche
Sammlung. Aber das fcheint mir eher Gedanken-
lofigkeit, als Pietät zu fein. Jedenfalls wird
durch diefe Abfonderung jede Einheitlichkeit des
Gefamtbildes unmöglich gemacht.

Ich denke, man wird mir nachfühlen können,
warum ich mit Groll an das Rijksmufeum denke.
Ich fürchte mich beinahe, wieder hinzugehen,
ich bringe doch jedesmal mehr Ärger als Genuß
mit heraus. Und dabei wäre es doch fo leicht,
die Übelftände zu befeitigen! Gerade diefe
Sammlung mit ihren beneidenswert einheitlichen
Beftänden — jede deutfche Galerie ift bunt-
fcheckig daneben — ließe fich harmonifch auf-
bauen. Die Entwicklung der Doelenftüdce, der
Porträtkunft ließe fich hier beffer als irgendwo
ftudieren, wenn der Befife auch nur einigermaßen
organifiert wäre. Die paar deutfdien und vlä-
mifchen Bilder fallen neben den einheimifchen,
quantitativ wenigftens, kaum ins Gewicht.

Sogar die in allen Mufeen fo brennende Platj-
frage wäre hier einfach zu löfen. Man ftreiche
die Fresken der Vorhalle zu und gewinnt viel

Raum zum Hängen von großen Doelenftücken.
Dann entferne man die künftlerifch vollkommen
gleichgültige hiftorifche Galerie und den Oranien-
faal, deren Beftände in ein hiftorifches Mufeum
gehören, aber hier nur im Wege find, und man
gewinnt fofort zehn Kabinette und einen Saal.
Ebenfo könnte, mit Ausnahme eines Frans Hals
etwa, aus dem mit altholländifchen Familien-
bildniffen zum Erfticken vollgepfropften Pavillon-
faal der ganze Ballaft entfernt werden. An den
hinausgeworfenen Bildern, zu denen fich natür-
lich noch ein paar hundert aus den übrigen
Räumen gefellen müßten, wären wie in Deutfch-
land öffentliche Gebäude, Schulen u. dgl. ge-
wiß heilfroh. Sodann wären die Räume an-
ftändig herzurichten. Die Wände und Türein-
rahmungen hell anftreichen, damit die armen
Bilder ein bißchen mehr Licht bekämen, die
Gipfe auf Abbruch verkaufen, ohne Rückficht
auf die Berühmtheit der Modelle — vielleicht
fände fich fogar im Judenviertel ein Abnehmer
für die vielen, vielen Plüfchvorhänge und Fenfter-
kiffen. Aber ein Gefchäft wäre damit kaum zu
machen. Dann müßte man, wie in andern Kultur-
ländern, die Wände mit einem derben, ruhigen,
weißen, grünen und weinroten Rupfen befpannen,
wie esTfchudi in München vorgemacht hat —
gewiß ließen fich auch noch andere Löfungen
finden für einen Galeriedirektor von Gefchmack —
und fchließlich, aber erft jefet, könnte man hängen,
daß es ein Staat wäre! Eine dankbarere Auf-
gabe könnte fich ein Mufeumsbeamter gar nicht
wünfchen.

Indeffen, das ift der zweite Schritt. Der erfte —
c’est le premier, qui coüte — befteht in einem
Wechfel in der Leitung. Der Jonkheer van
Riemsdyck mag ruhig in Penfion gehen,
fein Tagewerk ift längft getan. Er mag einem
Jüngeren, modern Gefinnten, den Poften über-
laßen. Das hätte er längft felber einfehen müffen.
Oder die Regierung hätte es ihm zu verftehen
geben follen. Vielleicht — und das wäre dringend
zu wünfchen — nimmt fich ein Vertreter des
holländifchen Volkes diefer nationalen und
zugleich internationalen Sache an und for-
dert von der Regierung kategorifch Abhilfe, und
zwar gründliche und durchgehende. Er wäre
des Dankes aller wahren Kunftfreunde der Welt
fidier! Hermann Hieber.

BERLIN DER EINZUG DES VAN DER GOES
VON MONTFORTE. Als fchönfte Weihnachts-
gabe ift der langerfehnte, heißumftrittene Hugo
van der Goes von Montforte endlich im KAISER
FRIEDRICH-MUSEUM angelangt, nachdem die
fpanifcbe Regierung die Gültigkeit des Kaufes
anerkannt und die Herausgabe angeordnet hatte.

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