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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 6.1914

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Heft. 1
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Rundschau - Sammlungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.26375#0040

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SAMMLUNGEN

töntem Enville ausgeführte Büfte „Dämmerung“
des jeßt in Darmftadt tätigen Profeffors Bern-
hard Hoetger, ein Bildwerk von fo fuggeftiver
Kraft des Gefühls, daß man es unbefchadet unter
die Skulpturen der Gotik einreihen könnte. Über
den Künftler felbft braucht an diefer Stelle nichts
gefagt zu werden. Sein Weg vom Rodinftil
über Maillol zu der felbftändigen, höchft emp-
findfamen Kunft von heute ift allgemein be-
kannt. Das Gipsmodell zur Dämmerung ift bei-
läufig als Tafel 39 in dem von Georg Biermann
verfaßten, foeben erfdiienenen Hoetgerwerk re-
produziert.

Ferner wurde vom Stadtmufeum neu erworben
das „Porträt des Herrn Seyerlen“ von Hans
Brühlmann, dem begabteften und fo jung
verdorbenen Schüler Adolf Holzels. Das Profil
des Dargeftellten mit den ftarken Konturen er-
innert in feiner monumentalen Einfachheit an
Cezanne; die Farben, zumal die des Hinter-
grundes, find fatter. DieVornehmheit Brühlmanns
ift manchenorts mißverftanden worden. Aus
taktifchen Gründen wurden die übrigen Bilder
der Brühlmannkollektion (darunter die „Refigna-
tion“) in Danzig nur einem engeren Kreis von
Kunftfreunden vorgeführt. Es erfcheint nach
früheren Erfahrungen ratfam, dem großen
Publikum erft dann Werke der modernen mo-
numentalen Richtung zu zeigen, wenn die be-
reits geplante Kunfthalle in einer retrofpektiven
Ausftellung das allgemeinere Verftändnis ge-
nügend vorbereitet hat.

WESTPREUSSICHES PROVINZ1AL-KUNST-
GEWERBEMUSEUM. Die nähere Unterfuchung
eines jüngft erworbenen Danziger Supraporten-
gemäldes hat Gegenftand und Herkunft des Bil-
des geklärt. Der Autor ift der bekannte Danziger
Porträtift Jakob Weffel (ca. 1710—1780); wir
finden auf der Supraporte fämtliche Merkmale
feines Stils und feiner durch die Herrenbildniffe
im Stadtmufeum genügend bekannten Palette.
Dargeftellt ift Voltaire, der foeben auf dem
Nachen des Charon das Elyfium erreicht hat und
dort von einer feiner literarifchen Geftalten,
Heinrich IV., in Empfang genommen wird. Der
trefflich beobachtete Voltaire mit feiner galanten
Verbeugung, die feine Waldlandfchaft mit den
rofenwindenden Putten und die farbig gut ab-
geftimmten Figuren des Hintergrundes machen
das Bild des Danziger Rokokomalers zu einem
fehr erfreulichen Bepß. Da Voltaire 1778, Weffel
1780 geftorben ift, muß die Supraporte in den
leßten Lebensjahren des Künftlers entftanden
fein. Diefer Datierung widerfprechen auch nicht
die Baudaten des Patrizierhaufes, in dem die
Malerei ßch vorfand. S.

ERFURT Die Stadt, die jüngft für die Er-
richtung eines Mufeums 600000 M. bewilligte,
beauftragte Prof.Henry van de Velde mit der
Ausarbeitung eines Entwurfes. Man wird fich
freuen, daß diefem ausgezeichneten Architekten
wieder einmal die Gelegenheit gegeben wird,
feine Kräfte an einem Monumentalbau zu er-
proben.

HÄÄG GEMEENTE MUSEUM. Die „Ver-
einigung für moderne Kunft“ fchenkte dem Mu-
feum die hübfche „Winterlandfchaft“ von Van
Soeft. Schon vorher hatte das Mufeum durch
Herrn J. Jurrian Kok „De Baker met Kind“ von
H. J. Haverman zum Gefchenk empfangen, wo-
durch dies eigenartige Genre des Malers nun
auch in der Sammlung vertreten ift.

In dem Saal für zeitweife Ausheilungen ßnd
Schwarz-Weißblätter aus dem Bepß des Herrn
S. van Witfen (als Leihgabe überlaffen von Frau
De Jong-v. Witfen) zu fehen. Nur die Radie-
rungen Rembrandts wurden in den Mappen
gelaffen. Ein Vorzug, den man nicht häußg
bei derartigen Veranftaltungen bemerkt, ift das
Zufammentreffen von Qualität und Quantität.
Hervorragende Abzüge von Blättern der beften
holländifchen und deutfchen Stecher und Radierer
find ausgeftellt. Fünfzehn Radierungen von
A. v. Ostade laffen deffen Meifterfchaft in der
Äßkunft erkennen. Am fchönften iß wohl „Der
Leiermann“ von 1647, „Die Bauerndiele“ mit ihrer
prächtigen Linienführung, „Das idyllifche Brück-
chen“ mit den Fifchern und vor allem die herr-
liche „Spinnerin vor dem Bauernhaufe“, vielleicht
eine der vollendeten Radierungen, die jemals
gefchaffen wurde. Hendrik Aldegrever ift
mit den Tugenden und Laftern von 1552 ver-
treten, Wenzel Hollar mit Porträts von Reede
v. Rensvonde, Karl II. und Lady Guideforde nach
dem Gemälde von Holbein. Der bekannte hol-
ländifche Porträtftecher Jacob Houbraken, der
Sohn des Maler-Schriftftellers, ift bisweilen höchft
intellektuel, bisweilen, wie z. B. in dem Frauen-
porträt nach Ter Borch, fchließt er ßch zu fehr
an bekannte Vorbilder an, was man einer in
ihrer Zeit reproduzierenden Kunft, wie pe die
Gravüre doch war, nicht übel nehmen kann.
Und troßdem ift eine durchdringende Feinheit
der Ausführung in feinen Arbeiten, die in ihrer
Art hinter der famofen Geradheit eines Golßius’
D. v. Coornheert, ein Mann, der durch diefes
Porträt noch lebt, wahrlich nidit zurückbleibt.
Zum Schluffe fei noch L. Vorftermanns Porträt
von Ä. v. Dycks mit dem ausdrucksvollen Kopf
und der prächtigen Linienführung in der Hand
erwähnt. R. B.

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