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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 6.1914

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3. Heft
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Bombe, Walter: Alte peruginer Gebildwebereien, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.26375#0104

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ALTE PERUGINER GEBILDWEBEREIEN

in „Revue d’Italie“, 1907, Juin-Juillet. Kürzere Auffäße brachten Alfredo Melani in
„Arte italiana decorativa ed industriale“ 1903, Nr. 10 und G. Stiavelli in „Ars et
labor“ 1907, Novembre.

Troß aller diefer Studien, von denen namentlich die von Aleffandro Bellucci, Ifabella
Errera und Pericle Perali ergebnisreich find, lag über diefem Zweige der Kunftweberei
bisher ein Dunkel, das [ich erft jeßt langfam zu lichten beginnt. Umfangreiche archi-
valifche Forfchungen, die der Unterzeichnete in verfchiedenen Städten Italiens, vor
allem in Perugia und in Florenz, unternommen hat, und ein fgftematifches Durch-
arbeiten der zahlreichen und weit zerftreuten Veröffentlichungen alter Inventare haben
jedoch einige neue Anhaltspunkte geliefert, die uns ermöglichen, diefe intereffanten alten
Webereien chronologifch einzuordnen. Aber auch über ihre Lokalifierung, über die
wir bisher auf Vermutungen angewiefen waren, läßt fich nunmehr Beftimmteres fagen.
Wir wißen jeßt, daß diefe GebildWeberei namentlich während des 14. bis 16. Jahr-
hunderts in Perugia geblüht hat, und daß ihre Erzeugniffe weithin, nach Ferrara,
Florenz, Lucca, Mailand, Siena und anderen Städten, gen Norden bis nach Venedig
und Verona, und nach Süden bis nach Palermo, dem wichtigften Fabrikationsort kunft-
voller Gewebe in der Zeit der Normannen, ausgeführt wurden. Bei der chronologifchen
Einteilung diefer alten Peruginer Gewebe, wie wir fie jeßt mit Fug und Recht nennen
dürfen, ift jedoch zu berückfichtigen, daß es zwar möglich ift, ungefähr feftzuftellen,
wann ein Ornament zum erften Male auftritt, aber nahezu unmöglich ift, zu ermitteln,
wann es wieder verfchwindet. In diefer Hinficht dürfte die Webekunft wohl über-
haupt zu den konfervativften aller Künfte gehören. Ferner muß noch die Einfchränkung
gemacht werden, daß Stilunterfchiede nicht immer durch verfchiedene Epochen, fondern
auch durch ein größeres oder geringeres Maß an künftlerifchem Können, durch mehr
oder minder vollkommene Art des Betriebes, oder auch durch Verfchiedenheit der
künftlerifchen Abfichten, fowohl des Zeichners, der die Vorlage fchuf, als auch des
Webers, der fie ausführte, bedingt fein können.1 Dies vorausgefchickt, können wir zu
einer chronologifch-fyftematifchen Betrachtung einiger ausgewählter Stücke alter Peruginer
Gebildweberei übergehen.

II.

Die Lavabotücher des frühen Mittelalters beftanden, wie wir aus den Schaßver-
zeichniffen der italienifchen Kirchen entnehmen dürfen, aus einer groben Leinwand, auf
der die Mufterung durch Stickerei, das fogenannte Opus Alemanicum, hergeftellt war.
Oft hatten fie auch an beiden Enden einen in farbiger Seide, mit Gold- oder Silber-
fäden gewirkten Rand, der bei der Wäfche abgetrennt werden konnte, um nachher
wieder aufgeheftet zu werden. Diefe Lavabotücher dienten dem Priefter beim Offer-
torium zum Abwafchen der Hände und trugen ihren Namen von dem Anfangsworte
des bei der Abwafchung zu fprechenden Gebetes. Im Teftament des Bifchofs Rikulf
vom Jahre 915 werden bereits zwei derartige Handtücher erwähnt, die an beiden
Enden mit Silberftickereien gefchmückt waren.2 Gegen Ende der romanifchen Kunft-
epoche beginnt dann die Fabrikation von Gebildleinen fich zu entwickeln, und zu An-
fang des 14. Jahrhunderts finden wir fchon Altardecken und Handtücher aus geköperter
Leinwand mit farbigem Dekor an den Schmalfeiten, auf Altarbildern und Fresken
italienifcher Maler wiedergegeben, mit ähnlichen Schmuckmotiven im weiteren Verlauf

1 Siehe Th. Hampe, „Katalog der Gewebejammlung des German. Nationalmufeums, 1. Teil“,

Nürnberg 1896. (l

2 Siehe von Schorn, „Die Textilkunft“, Leipzig-Prag 1885, p. 147.

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