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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 6.1914

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3. Heft
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Bombe, Walter: Alte peruginer Gebildwebereien, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.26375#0105

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ALTE PERUGINER GEBILDWEBEREIEN

des Jahrhunderts auch urkundlich erwähnt, und
eine ganze Anzahl früher Beifpiele diefer eigen-
artigen Gebildweberei unter den uns noch er-
haltenen Stücken, namentlich der Sammlung
Rocchi in Rom.

Neben der Formenfprache des gotifchen Stiles
übt im 14. Jahrhundert auch der Orient feinen
Einfluß aus. Motive aus Vorderafien, Arabien,
Byzanz, felbft aus China, finden fich in den
Verzierungen unferer Tücher. Vor allem ift es
zunächft die antinaturaliftifche Richtung von
Byzanz mit ihrer Umbildung in das rein orna-
mentale oder fchematifche gewefen, die auf unfere
Webekünftler Eindruck gemacht haben muß. Ein

Zug zum Vereinfachen,
zum Geometrifieren
macht fich geltend, und
eine ganze Gruppe von
Geweben namentlich

des 14. Jahrhunderts
zeigt diefen Stil, den
wir der Kürze halber
als den geometrifchen
bezeichnen. Nicht nur

Abb. 2. Peruginer Gewebe ftrengen Stiles,
mit tnenfdilidier Geftalt, die fich aus dem
Wipfel des Lebensbaumes erhebt

Sammlung Rocchi, Rom

Hbb. 1. Peruginer Gewebe
mit ftreng ftilifiertem
Lebensbaum
Sammlung Rocchi, Rom

die Ornamente pflanz-
licher Art, die Bäume, die Früchte, fondern auch die figür-
lichen Motive werden auf einfache geometrifche Umrißlinien
zurückgeführt, oder ftreng ftilifiert.

Ein befonders charakteriftifches Beifpiel diefes Ornament-
ftiles geometrifcher Tendenz zeigt Abb. 1, wo das pflanzliche
Schmuckwerk weitaus das figürliche überwiegt. Ein anderes
intereffantes Stück der gleichen Zeit führt uns ftreng linear
ftilifierte Hähne vor, ein drittes affrontierte Adler, ein viertes
in dem breiten Hauptftreifen gekrönte Sirenen, die ihre
Schwänze in den Händen halten, ein fünftes Vogelmenfchen,
die, mit Schild und Streitkolben bewehrt, fich angreifen, und
wieder eines affrontierte Vögel mit menfchlichen Köpfen, auf
deren Rücken langfchwänzige Affen fich ergehen, zwei weitere
Pfauen, die das Rad fchlagen, und das obenftehend abgebildete
Tuch (f. Abb. 2) zeigt eine menfchliche Geftalt, die fich mit
ausgebreiteten Armen aus dem Wipfel des Lebensbaumes erhebt

Allen diefen Stücken früher Peruginer Gebildweberei ift
eigen die ftrenge Stilifierung, die gerade Linien bevorzugt und
alle Dinge in den Zwang geometrifcher Formen bringt. Auch
die phantaftifchen Fabelwefen, die in der Vorftellungswelt
des Mittelalters eine fo große Rolle fpielen, werden, felbft
wenn fie, wie die Harpyien, Sirenen und einander bekämpfen-

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