Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 6.1914
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https://doi.org/10.11588/diglit.26375#0135
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4. Heft
DOI article:Bombe, Walter: Alte peruginer Gebildwebereien, [2]
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ALTE PERUGINER GEBILDWEBEREIEN
und Schultern ein Peruginer Tuch komplizier-
tefter Zeichnung gewickelt hat, auf dem man
nur den Baum des Lebens deutlich erkennt.1
V.
GESCHICHTLICHE NACHRICHTEN
ÜBER DIE PERUGINER TEXTIL-
ZÜNFTE
Die bedeutendfte der Peruginer Textil-
zünfte, die Arte della Lana oder Wollentuch-
zunft, deren wohl aus dem Jahre 1342 ftam-
mende Statuten in einer Kopie Giufeppe
Beifortis von 1780 uns erhalten find, kommt
für die Herftellung unferer Gewebe nicht in
Betracht.
Neben der Wollentuchzunft hatte die „Ars
bambacariorum“, der Baumwollweber, deren
Matrikel und Statuten vom 20. Auguft 1350
die Biblioteca Comunale zu Perugia bewahrt,
und deren Kämmerer, Prioren und Maffai in
den „Registri degli Offici“ uns überliefert
find, eine gewiffe Bedeutung. Es läge nahe,
anzunehmen, daß diefe Zunft fleh mit der
Herftellung unferer Gebildwebereien befchäf-
tigte, deren blaues Ornament ja aus Baum-
wolle (bambagia) hergeftellt wurde. Aber in
dem freilich nicht lückenlos erhaltenen Kodex flbb. 13. Alte Kopie nach Leonardos Abend-
der Statuten findet [ich kein Hinweis auf mahl, im Louvre, affrontierte Pferde als
diefen Fabrikationszweig, auch nicht in fpä- Dekor des Tifchtuches zeigend
teren Zeiten, als fich die Zunft der Baum-
wollweber mit der Seidenzunft vereinigt hatte und ihre Statuten (im Jahre 1529) mit
diefer verfchmolz.
Dagegen trägt die „Arte dei tessitori“, die Wollweberzijwft, auf ihrem 1315 kom-
pilierten und 1351 reformierten Statutenbuche, das die Biblioteca del Senato befitjt,
den Titel: „Matricula artis capellarum foeminarum“, woraus [ich ergibt, daß ein wich-
tiger Zweig ihrer Tätigkeit darin beftand, „capelle“, das heißt Kopftücher für Frauen
zu weben und in den Handel zu bringen. Diefe „capelle“ oder „mantili“ waren noch
im 18. Jahrhundert bei der Landbevölkerung Umbriens in Gebrauch. In den Statuten
findet fich zwar kein Hinweis auf Gebildwebereien mit blauem Ornament, aber als im
Jahre 1510 die „Arte delle capelle“, oder, wie fie in den Statuten heißt, die „Fra-
ternitas et Universitas capellariorum“ fich mit der „Arte dei Pannilini“, der Leinen-
1 Auf die meiften der hier erwähnten bildlichen Wiedergaben ift der Verfaffer, wie auch feine
Vorgänger, durch Prof. Mariano Rocdii aufmerkfam gemacht worden, dem dafür herzlicher Dank aus-
gefprochen fei. Prof. Rocchi hat das Verdienft, zuerft auf folche Wiedergaben in der bildenden
Kunft geachtet zu haben.
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und Schultern ein Peruginer Tuch komplizier-
tefter Zeichnung gewickelt hat, auf dem man
nur den Baum des Lebens deutlich erkennt.1
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GESCHICHTLICHE NACHRICHTEN
ÜBER DIE PERUGINER TEXTIL-
ZÜNFTE
Die bedeutendfte der Peruginer Textil-
zünfte, die Arte della Lana oder Wollentuch-
zunft, deren wohl aus dem Jahre 1342 ftam-
mende Statuten in einer Kopie Giufeppe
Beifortis von 1780 uns erhalten find, kommt
für die Herftellung unferer Gewebe nicht in
Betracht.
Neben der Wollentuchzunft hatte die „Ars
bambacariorum“, der Baumwollweber, deren
Matrikel und Statuten vom 20. Auguft 1350
die Biblioteca Comunale zu Perugia bewahrt,
und deren Kämmerer, Prioren und Maffai in
den „Registri degli Offici“ uns überliefert
find, eine gewiffe Bedeutung. Es läge nahe,
anzunehmen, daß diefe Zunft fleh mit der
Herftellung unferer Gebildwebereien befchäf-
tigte, deren blaues Ornament ja aus Baum-
wolle (bambagia) hergeftellt wurde. Aber in
dem freilich nicht lückenlos erhaltenen Kodex flbb. 13. Alte Kopie nach Leonardos Abend-
der Statuten findet [ich kein Hinweis auf mahl, im Louvre, affrontierte Pferde als
diefen Fabrikationszweig, auch nicht in fpä- Dekor des Tifchtuches zeigend
teren Zeiten, als fich die Zunft der Baum-
wollweber mit der Seidenzunft vereinigt hatte und ihre Statuten (im Jahre 1529) mit
diefer verfchmolz.
Dagegen trägt die „Arte dei tessitori“, die Wollweberzijwft, auf ihrem 1315 kom-
pilierten und 1351 reformierten Statutenbuche, das die Biblioteca del Senato befitjt,
den Titel: „Matricula artis capellarum foeminarum“, woraus [ich ergibt, daß ein wich-
tiger Zweig ihrer Tätigkeit darin beftand, „capelle“, das heißt Kopftücher für Frauen
zu weben und in den Handel zu bringen. Diefe „capelle“ oder „mantili“ waren noch
im 18. Jahrhundert bei der Landbevölkerung Umbriens in Gebrauch. In den Statuten
findet fich zwar kein Hinweis auf Gebildwebereien mit blauem Ornament, aber als im
Jahre 1510 die „Arte delle capelle“, oder, wie fie in den Statuten heißt, die „Fra-
ternitas et Universitas capellariorum“ fich mit der „Arte dei Pannilini“, der Leinen-
1 Auf die meiften der hier erwähnten bildlichen Wiedergaben ift der Verfaffer, wie auch feine
Vorgänger, durch Prof. Mariano Rocdii aufmerkfam gemacht worden, dem dafür herzlicher Dank aus-
gefprochen fei. Prof. Rocchi hat das Verdienft, zuerft auf folche Wiedergaben in der bildenden
Kunft geachtet zu haben.
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