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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 6.1914

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5. Heft
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Rundschau - Sammlungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.26375#0198

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SAMMLUNGEN

fammenwirken der Generaldirektion mit allen in
hohem Maße intereffierten Hof- und Staats-
behörden erzielt werden konnten.

Der nunmehr ebenfalls vollendete innere Um-
bau des örtlichen Zwingerpavillons der GE-
MÄLDEGALERIE bedeutete eine befonders
fchwierige, mufeumstechnifche Aufgabe. Es galt
den einft durch häßliche Einbauten zu einem fehr
gemachten Depot der deutfchen und minder ge-
fchäßter niederländifcher Bilder geftalteten Saal
des oberen Gefchoffes architektonifch zu retten
und dabei für die Hauptmaffe der deutfchen
Schule geeignete Wandflächen und gute Licht-
verhältniffe zu gewinnen. Der fteinfarbene Ton
des neuen Anftrichs bringt die räumliche Gliede-
rung des Feftfaales zu voller Geltung und bietet
zugleich den bewährten, lichten Hintergrund der
ftarkfarbigen altdeutfchen Meifter. Naturgemäß
mußten durch kleine Scherwände Flächen für die
zahlreichen Bilder kleinen Formates gefchaffen
werden; ihre Form und die lockere Verteilung
der Gemälde ordnet fie dem in feinen Propor-
tionen außerordentlich glücklichen Saale günftig
unter; hier mußte fich der Zweck des Umbaues
mit den Wünfchen rein äfthetifchen Gefallens
auseinanderfeßen. Über den inneren Wert der
forgfältig abgewogenen Neuordnung wird man
erft nach der künftigen Veränderung der drei
anftoßenden öftlichen Säle abfchließend urteilen
können; hier werden die berühmten Werke
Dürers, Holbeins, das kleine Eyckaltärchen, der
große Altar des älteren Breu u. a. mit den äl-
teren Niederländern vereinigt werden. Der fo-
eben eröffnete Pavillon erhält durch die Fülle
umfänglicher Cranachtafeln von mittlerem Werte
fein Gepräge; dadurch rächt fich die deutfche
Kunft an der früheren Sammeltendenz der
Dresdner Galerie, die den Morette als Lionardo
kaufte und den berühmten Düreraltar ins Depot
ftellte, nachdem fchon frühere Zeiten den wert-
vollen Inhalt der Wittenberger Schloßkirche
verfchenkt hatten. Man wünfchte zahlreiche
Bilder Cranadis durch Stücke von der Qualität
des farbenfatten Katharinenaltars (1906 A u. B)
oder des Doppelbildniffes Herzog Heinrichs und
feiner Gemahlin (1906 G u. H) erfeßen zu können ;
vielleicht läßt fich einmal durch Ankauf oder
Aufnahme einiger Jagdbilder und mißachteter
Tafeln des jüngeren Cranach und feiner Ge-
nüßen aus den Königlichen Schlöffern ufw. eine
günftigere und gerechtere Vertretung der Kunft
Cranachs erreichen. Die Pracht der beiden Ta-
feln vom Meifter des Todes Mariä (809 u. 809 A)
und das große, frühe Gedächtnisbild des Haus-
buchmeifters (1868 A) nehmen in weit höherem
Maße die Aufmerkfamkeit des Befchauers in
Änfpruch. Auf den Scherwänden verdienen das

helle Bildnis vom Marientodmeifter (809 B), die
Heilige Familie Orlegs (810), fein Männerbildnis
(811), eine intereffante Sippendarftellung (840)
unter holländifchem Einfluß und die reizende
kleine „Verfuchung des heil. Antonius“ von Cor-
nelisz Engelbrechtfen (843) befondere Beachtung.
Die Fragmente einer Anbetung der Könige von
Georg Pencz (1883—85), die Bildniffe von Hans
Maler, Hans Dürer, einem unbekannten Ober-
deutfchen (1905), der zwei ebenfo vorzügliche
Porträts im Innsbrucker Mufeum Ferdinandeum
gefchaffen hat, fowie ein Frauenbildnis in der
Art des fpäteren Ämberger und gute, aber recht
vereinzelte Werke der primitiven nordifchen
Malerei. Naturgemäß bildet die dekorative Folge
des Marienlebens aus der Dürerfchule eine in
fich gefchloffene Gruppe; ihr entfpricht eine viel-
leicht ebenfalls für den Schmuck einer Empore
oder für die Flügel einer Orgel gemalte Bilder-
reihe des fpäteren fächfifchen Meifters AB (1896
bis 1900), deffen fchlichte Schilderung und ge-
fdiickte Verwendung von Lichteffekten in die
Zeit der Elsheimer und Bril hinüberführt. End-
lich find Joachim Antonisz Uitenwael mit dem
reizenden kleinen Parnaß (854), Jofeph Heinz,
Johann Rottenhammer und Chriftoph Schwarz
mit einigen kleinen Bildern vertreten. Die mi-
niaturhaft feinen Landfchaften des Hans Bol
bezeichnen das Ende einer nordifchen Kunft-
tradition, deren buntfarbige und etwas nüch-
terne Naturwiedergabe einem ganzen Jahrhun-
dert reger geiftiger und kultureller Entwicklung
genügen mußte. Lr.

BERLIN Im KÖNIGL. KUNSTGEWERBE-
MUSEUM find die Neuerwerbungen des
Jahres 1913 zu einer Sonderausftellung vereinigt.
An erfter Stelle fteht ein weftfälifcher Bild-
teppich aus dem Jahre 1548, nächft dem Greifs-
walder Croyteppich wohl das künftlerifch be-
deutendfte Denkmal der norddeutfchen Teppich-
wirkerei der Renaiffance. Dargefteilt ift in
annähernd lebensgroßen Figuren nach Entwurf
des Soefter Meifters Heinrich Äldegrever ein
Hochzeitsmahl mit Fackeltanz in einem Saal,
deffen Wandmalerei das Jüngfte Gericht nach
Dürer vorftellt. Die Mufikanten tragen das
Hohenzollernwappen, doch ift die Beziehung des
Vorgangs zum Haufe Brandenburg noch nicht
aufgeklärt. Befteller des Teppichs war Simon
von Wendt, ein Förderer der Reformation in
Lippe-Detmold und zur Zeit des deutfchen Re-
ligionskrieges ein Mitverwalter diefer Graffchaft.
Zahlreich find die Zugänge aus dem Bereich der
Töpferkunft; einen Höhepunkt der füddeutfchen
Renaiffancekeramik bezeichnet ein vielfarbig
glafierter Hafnerkrug von Paulus Preuning aus

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