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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 6.1914

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Ausstellungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.26375#0291

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AUSSTELLUNGEN

sonne find byzantinifch (11. Jahrhundert?). Als
Mittelpunkt der ganzen Schau figuriert der aus
dem 12. Jahrhundert ftammende, bei S. Maria
in Traftevere gefundene wundervolle, ftehende
Chriftus, den das Mufeo Kircheriano hergeliehen
hat. Sehr fchön ift eine große Kollektion email-
lierter Golduhren des 17. und 18. Jahrhunderts fran-
zöfifdier und italienifcherProvenienz. Eine große
Reihe (ca. 200) Miniaturen auf Elfenbein italieni-
fcher Meifter des 17., 18. und der erften Hälfte des
19. Jahrhunderts könnte in die noch ziemlich un-
erforfchte Gefdiidite diefes Kunftzweiges in Italien
viel Licht bringen, wenn man pch die Mühe ge-
nommen hätte, nidit nur die Dargeftellten, fon-
dern auch die Meifter zu identipzieren. Origi-
nelle Erfdieinungen bieten pch hier wohl nicht,
die füddeutfdien und franzöpfchen Einßüffe über-
wiegen, doch läßt fich manch feines Talent ent-
decken, wie z. B. das des Parmefen Naudin
(1793-1875) und Paolo Tofchis (1788-1854).
Einige römifche Haus- und Toilettegegenftände
leiten die Kollektion der Elfenbeine ein, deren
wiffenfchaplicher Hauptreiz in den Brudiftücken
romanifcher und gotifcher Pgxiden undDyptichen
italifchen, fyrifdien und alexandrinifchen Ur-
fprunges liegt. Die moderne Produktion be-
decken wir lieber mit dem hoffentlich undurch-
pchtigen Mantel der Nächstenliebe.

Friedrich Pollak.

ROTTERDAM Die Husftellung Piet van
der Hem bei UNGER & VAN MENS gibt einen
Eindruck vom lebensvollen und tedinifch fo voll-
endeten Werk diefes fehr perfönlichen, aber nicht
eben typifch holländifchen Künftlers. Er ift viel
gereift, war in Rußland, und auch der moder-
niftifche Einßuß der Parifer Schule, der nun bei-
nahe überall herrfcht, hat auf diefen Realißen
eingewirkt, der daneben auch ein fo feiner Ton-
maler ift. Das Triptychon „Moskau“ ift das
neuere Gegenftück zu dem Dreibild „Rom“, das
jeßt im Amfterdamer Städtifchen Mufeum hängt.
Es iß trefflich aufgebaut, die Farben find ge-
fchickt gewählt und auch das Pfychologifche läßt
einen gereißen Geift erkennen. Vorzüglich pnd
die beiden Typen „Herr und Dame in der Loge“,
die fo kräßig charakterifiert find, daß fie bei-
nahe als Karikaturen erfcheinen. „Monsieur le
Vicomte“ könnte ein refupertes Porträt fein, ift
jedoch ein ausgezeichnetes Charakterbild der
heutigen Zeit, das vornehm und präzis ge-
zeichnet und gerade dadurch fo voll Charakter
ift. Voll Charakter, das innerfte Wefen in jedem
Pinfelftridi, in der ganzen Erfcheinung gebend,
ift auch das Frauenporträt Nr. 18. Und dann,
die prächtig gemalten Neger, weiter die auf dem
Strandbild fo typifch nebeneinander geftellten

Figuren: die dicke Badefrau neben der fchicken
jungen Dame und das Genreftückchen voll ent-
täufchter und gefättigter Bitterkeit: das Mädchen
im Kabarett, das nachläffig und abgeftumpft
neben dem Piano pßt. R. B.

UTRECHT Bei GERBRANDS ftellt Dirk
Schäfer aus. Er ift ein vielfeitiger Künftler
und einer, der fucht, bei den alten Meiftern, bei
der Natur und in fich felbft. ln Stilleben, wie
dem „Schädel“ oder in „Nacktftudien“ geht er
im Kolorit den Meiftern des 17. Jahrhunderts
nach, in Freilichtftücken und auch Blumen, wo
unfere Zeit die Farben anders fieht, ift er völlig
perfönlich. Schäfer ift ein guter Beobachter, das
beweifen feine Zeichnungen: der „Dogenpalaft“
und der „Piazzale venetie“, und auch einer, der
nicht nur die Linien und Formen gut wieder zu
geben weiß, fondern auch die innerlichen Werte,
wie die Gewaltigkeit eines Baues (Inneres des
Mailänder Domes). Auch bei Perfonendarftel-
lungen wird dies deutlich („Pianift Jan C.“ oder
„Alte Dame“). Die ihm in der Phantape erfchie-
nenen Viponen trachtet er zu bilden, und es iß
vor allem der Tanz, der ihn befchäftigt hat,
der Rhythmus abgefehen von Form und Farbe:
der Tanz junger Mädchen und Frauen, der Tanz
auch der „Salome“. Bei der „Salome“ er-
reichte der Künftler in der Geftalt der Königs-
tochter und des zur Seite fißenden Spielers mehr,
als in der Umgebung und den übrigen Figuren;
während in der „Studie zu Salomes Tanz“,
wo wir die Salomegeftalt in voller Lichtumftrah-
lung fehen, vielleicht der Entwurf zu einem
größeren Bild vorliegt. R. B.

WIEN „Junge Künftler Öfterreichs“ in
der „Sezeffion“. Schon im vorigen Jahre
war es eine ungewöhnlich tugendhaße Jugend
gewefen, die pch in denfelben Räumen zu einer
Ausftellung der „nichtkorporierten“ Künftler zu-
fammengefunden hatte. Die fpärlichen eigen-
wüchfigen Talente (Breithut, Schiele, Harta), die
diefer Ausftellung immerhin ihr eigenes Gepräge
gegeben hatten, haben keinen vollwertigen Erfaß
gefunden. Wohl blieb auch in diefem Jahre
die nivellierende Älleinherrfchaß akademifcher
Mittelmäßigkeit im Verein mittechnifcher Routine
nicht gänzlich unbeftritten; aber auch der Kampf
der wenigen, die eine gewaltfame Sprengung
der Schablone verfuchten, blieb erfolglos, da
ihre weit ausholende Gebärde keinem inneren
Zwange gehorchte.

Das gilt zunächft von dem riepgen Tripty-
chon Ljubo von Babic’ „Witwen vom Balkan“,
das die Dominante des Mittelfaales bildete.
Die leidenfchaßliche Brutalität der Darftellung

Der Cicerone. VI lahrg , 7. Heft. 19

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