AUSSTELLUNGEN
der Kunft der legten 20 Jahre, flm hervor-
ftechendften treten die Perfönlichkeiten von Ern ft
Bifdioff-Culm und Max Pechftein heivor
die beide am tiefften in den Charakter diefes
merkwürdigen Landftriches eingedrungen find.
Bifdioff, der Impreffionift, der die litauifche Be-
völkerung in ihrer bunten Nationaltracht effekt-
voll zu malen weiß, und Pechftein, der Expref-
fionift, den die Nehrung durch ihre einzigartige
Formgebung zu den phantaftifchften Gemälden
begeiftert hat, der in wunderbaren Farbentönen
dichtet, wie dereinft Gauguin auf den Infein der
Südfee. Ganz befonders hervorzuheben find
feine graphifchen Arbeiten, in denen er den
Charakter von Land und Leuten vollftändig aus-
zufchöpfen fcheint. Von andern Künftlern hat
noch Heinrich Wolff eigenartige Algraphien ge-
zeichnet und Daniel Stafchus prächtige Holz-
fchnitte gemacht, die durch ihre feine Farben-
tönung auffallen. Dann find noch einige Ra-
dierungen von Gertrud Eichhorn, Silhouetten
von Marie Lahrs und Aquarelle von Helene Neu-
mann und L. Danehl hervorzuheben. Über das
übliche Niveau ragen noch einige Gemälde von
Hans Borfchke, der Landfchaften und Figuren-
bilder litauifcher Fifchermädchen malt und Tier-
bilder von Hans Kallmeyer hervor. Erwähnens-
wert find außerdem noch vortreffliche Land-
fchaften von Berta Sctiüg und Erich Thum. —n
LONDON Die Jahresausftellung der Roya
Academy im BURLINGTON HOUSE ift dies-
mal im Vergleich zu denen der legten Jahre ent-
fchieden beffer und auch vielfeitiger. Und fogar
ihr Arrangement weift einen Fortfehritt auf, frei-
lich nur in einem einzigen Saal, dem Saal IV.
Während nämlich in den übrigen Sälen das alte
und üble Vorbild des dichtbeklebten Briefmarken-
albums wieder befolgt ift, und ein Gemälde ohne
Rückficht auf die Nachbarn dicht an diefe ge-
hängt zu fein fcheint, bildet in jenem Raum jede
Wand eine wohldurchdachte, in Rhythmus und
Farbe gut zufammengeftimmte Einheit, die pch
wiederum als Glied der größeren Einheit des
ganzen Saales einfügt. Das würde in keiner
gut geordneten Ausftellung befonders auffallen —
und Londoner Aufteilungen follten ftets gut
gehängt fein; hat doch Whiftler den Londonern
fchon die Kunft des Hängens gelehrt — hier
aber wiikt es wie eine wahrhaftige Oafe in der
Wüfte. Dabei ift unter den Bildern des Saales IV
wohl nur ein einziges, das wirklich über den
Durchfchnitt hinausragt, ein Damenporträt in
Rot mit fehr apart wirkendem fchmalem, fchwar-
zem Pelzbefag von G. Spencer Watfon.
An Porträts, die den hiepgen Künftlern das
Brot eintrugen — und nicht bloß diefes, geht
die hiefige Kunft, wenigftens die „ofpzielle“,
doch nicht nur nach Brot, fondern auch nach
der dazugehörigen Butter und was fonft noch
dazu gehört —, an ihnen fehlt es nicht. Der
fchwachen gibt es genug darunter; aber immer-
hin pnden pch doch einige von Eigenart und
wahrem Können. Zu diefen gehört das wuchtige
Männerporträt des Schotten Guthrie, ein mit
eindringendem Verftändnis aus dem Leben, als
wäre es plaftifcher Ton, modellierter Schädel des
Sir W. B. Richmond, der auch ein anziehendes
Phantafieftück, eine „griechifche Wafferträgerin“,
die faft wie die Nike einherftürmt, gefchaffen
hat. Die Porträts des jüngft verftorbenen H. von
Herkomer weifen alle feine Schwächen auf, na-
mentlich das riepge Gruppenbild der Kruppfchen
Direktoren im Konferenzfaal zu Effen. Die Lichter
auf den natürlich tadellos gepugten Schuhen
diefer Herren waren für Herkomer offenbar
ebenfo wichtig wie die Köpfe der Dargeftellten;
ein folcher „akademifcher Realismus“ — und den
pßegt die hiefige Academy und wohl viele heutige
Akademien, nicht fo fehr die fogenannte „klaf-
fifche“ Kunft — tötet, im Gegenfenfag zum in-
dividuellen, aus einem Temperament fließenden
Realismus, jedes Leben und wirkt unfäglich lang-
weilig. Man muß es aber der Academy immer-
hin anrechnen, daß pe wenigftens jegt den Ver-
tretern des Impreffionismus ihre Türen ein wenig
geöffnet hat. Unter diefen findet pch manches
eigen und gut Gefehene.
Von einzelnen Werken könnte man etwa an-
führen das wie ein harfcher Trompetenftoß wir-
kende „hiftorifche“ Bild F. Cadogan Cowpers
„Lucretia Borgia als Herrfcherin im Vatikan“,
deffen flammendes Rot alles rings um pch tötet,
weshalb es auch fchleunigft von den Trustees
des Chantry Bequests für die Tate Gallery an-
gekauft worden ift. Ach die Ärmften, die neben
ihm werden hängen müffen! G. Claufens „Pri-
mavera“, ein weiblicher Akt, hat noch manches
von dem Unausgeglichenen, faft Rauhen, was
diefem ehrlichen Wahrheitsfucher und -feher
eigen ift, aber es ift doch zugleich voll zarter,
unberührter Reinheit, wie das Werk einer Liebe.
Sargents „Lady Rocksavage“ ift das virtuofe
Stück eines (einft) Modernen in der alten Meifter
Weis. Der alte Storcy, den man endlich, end-
lich — er ift bereits über 80 Jahre alt — zum
Akademiker gemacht hat, fchickt ein frühes Selbft-
porträt, das gute Qualitäten bepgt. Laura Knight
ift wieder mit einer ihrer kräftigen, mit Figuren
belebten und wahrhaft lebendigen Landfchaften
vertreten. John Lavery, dem die Grosvenor
Gallery im Juni und Juli eine eigene Ausftellung
widmen wird, die feine Entwicklung zu zeigen
beftimmt ift, ftellt eine Riefenleinwand „Atelier
380
der Kunft der legten 20 Jahre, flm hervor-
ftechendften treten die Perfönlichkeiten von Ern ft
Bifdioff-Culm und Max Pechftein heivor
die beide am tiefften in den Charakter diefes
merkwürdigen Landftriches eingedrungen find.
Bifdioff, der Impreffionift, der die litauifche Be-
völkerung in ihrer bunten Nationaltracht effekt-
voll zu malen weiß, und Pechftein, der Expref-
fionift, den die Nehrung durch ihre einzigartige
Formgebung zu den phantaftifchften Gemälden
begeiftert hat, der in wunderbaren Farbentönen
dichtet, wie dereinft Gauguin auf den Infein der
Südfee. Ganz befonders hervorzuheben find
feine graphifchen Arbeiten, in denen er den
Charakter von Land und Leuten vollftändig aus-
zufchöpfen fcheint. Von andern Künftlern hat
noch Heinrich Wolff eigenartige Algraphien ge-
zeichnet und Daniel Stafchus prächtige Holz-
fchnitte gemacht, die durch ihre feine Farben-
tönung auffallen. Dann find noch einige Ra-
dierungen von Gertrud Eichhorn, Silhouetten
von Marie Lahrs und Aquarelle von Helene Neu-
mann und L. Danehl hervorzuheben. Über das
übliche Niveau ragen noch einige Gemälde von
Hans Borfchke, der Landfchaften und Figuren-
bilder litauifcher Fifchermädchen malt und Tier-
bilder von Hans Kallmeyer hervor. Erwähnens-
wert find außerdem noch vortreffliche Land-
fchaften von Berta Sctiüg und Erich Thum. —n
LONDON Die Jahresausftellung der Roya
Academy im BURLINGTON HOUSE ift dies-
mal im Vergleich zu denen der legten Jahre ent-
fchieden beffer und auch vielfeitiger. Und fogar
ihr Arrangement weift einen Fortfehritt auf, frei-
lich nur in einem einzigen Saal, dem Saal IV.
Während nämlich in den übrigen Sälen das alte
und üble Vorbild des dichtbeklebten Briefmarken-
albums wieder befolgt ift, und ein Gemälde ohne
Rückficht auf die Nachbarn dicht an diefe ge-
hängt zu fein fcheint, bildet in jenem Raum jede
Wand eine wohldurchdachte, in Rhythmus und
Farbe gut zufammengeftimmte Einheit, die pch
wiederum als Glied der größeren Einheit des
ganzen Saales einfügt. Das würde in keiner
gut geordneten Ausftellung befonders auffallen —
und Londoner Aufteilungen follten ftets gut
gehängt fein; hat doch Whiftler den Londonern
fchon die Kunft des Hängens gelehrt — hier
aber wiikt es wie eine wahrhaftige Oafe in der
Wüfte. Dabei ift unter den Bildern des Saales IV
wohl nur ein einziges, das wirklich über den
Durchfchnitt hinausragt, ein Damenporträt in
Rot mit fehr apart wirkendem fchmalem, fchwar-
zem Pelzbefag von G. Spencer Watfon.
An Porträts, die den hiepgen Künftlern das
Brot eintrugen — und nicht bloß diefes, geht
die hiefige Kunft, wenigftens die „ofpzielle“,
doch nicht nur nach Brot, fondern auch nach
der dazugehörigen Butter und was fonft noch
dazu gehört —, an ihnen fehlt es nicht. Der
fchwachen gibt es genug darunter; aber immer-
hin pnden pch doch einige von Eigenart und
wahrem Können. Zu diefen gehört das wuchtige
Männerporträt des Schotten Guthrie, ein mit
eindringendem Verftändnis aus dem Leben, als
wäre es plaftifcher Ton, modellierter Schädel des
Sir W. B. Richmond, der auch ein anziehendes
Phantafieftück, eine „griechifche Wafferträgerin“,
die faft wie die Nike einherftürmt, gefchaffen
hat. Die Porträts des jüngft verftorbenen H. von
Herkomer weifen alle feine Schwächen auf, na-
mentlich das riepge Gruppenbild der Kruppfchen
Direktoren im Konferenzfaal zu Effen. Die Lichter
auf den natürlich tadellos gepugten Schuhen
diefer Herren waren für Herkomer offenbar
ebenfo wichtig wie die Köpfe der Dargeftellten;
ein folcher „akademifcher Realismus“ — und den
pßegt die hiefige Academy und wohl viele heutige
Akademien, nicht fo fehr die fogenannte „klaf-
fifche“ Kunft — tötet, im Gegenfenfag zum in-
dividuellen, aus einem Temperament fließenden
Realismus, jedes Leben und wirkt unfäglich lang-
weilig. Man muß es aber der Academy immer-
hin anrechnen, daß pe wenigftens jegt den Ver-
tretern des Impreffionismus ihre Türen ein wenig
geöffnet hat. Unter diefen findet pch manches
eigen und gut Gefehene.
Von einzelnen Werken könnte man etwa an-
führen das wie ein harfcher Trompetenftoß wir-
kende „hiftorifche“ Bild F. Cadogan Cowpers
„Lucretia Borgia als Herrfcherin im Vatikan“,
deffen flammendes Rot alles rings um pch tötet,
weshalb es auch fchleunigft von den Trustees
des Chantry Bequests für die Tate Gallery an-
gekauft worden ift. Ach die Ärmften, die neben
ihm werden hängen müffen! G. Claufens „Pri-
mavera“, ein weiblicher Akt, hat noch manches
von dem Unausgeglichenen, faft Rauhen, was
diefem ehrlichen Wahrheitsfucher und -feher
eigen ift, aber es ift doch zugleich voll zarter,
unberührter Reinheit, wie das Werk einer Liebe.
Sargents „Lady Rocksavage“ ift das virtuofe
Stück eines (einft) Modernen in der alten Meifter
Weis. Der alte Storcy, den man endlich, end-
lich — er ift bereits über 80 Jahre alt — zum
Akademiker gemacht hat, fchickt ein frühes Selbft-
porträt, das gute Qualitäten bepgt. Laura Knight
ift wieder mit einer ihrer kräftigen, mit Figuren
belebten und wahrhaft lebendigen Landfchaften
vertreten. John Lavery, dem die Grosvenor
Gallery im Juni und Juli eine eigene Ausftellung
widmen wird, die feine Entwicklung zu zeigen
beftimmt ift, ftellt eine Riefenleinwand „Atelier
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