Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 6.1914
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https://doi.org/10.11588/diglit.26375#0542
DOI issue:
14. Heft
DOI article:Friedeberger, Hans: Die Jahrhundert-Ausstellung deutscher Kunst 1650 - 1800 im Residenzschlosse zu Darmstadt, II.
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JAHRHUNDERT-AUSSTELLUNG DEUTSCHER KUNST 1650 1800 IN DARMSTADT
fache mit Skizzen der wichtigften
Meifter begnügen. Da zudem
die größeren Leitungen faft alle
dem katholifchen Süddeutfchland
angehören, fo hatte die Aushei-
lung des Münchner Kunftvereins
vom Herbft 1913 tüchtig vorgear-
beitet (vgl. Cicerone V, Heft 21,
S. 743ff.). Immerhin find auch hier
intereffante und überrafchliche
Dinge zu fehen: von Glantfchnig,
deffen Arbeiten fehr ungleich find,
eine freilich von Lotto abhängende,
fehr malerifche Anbetung im Zeit-
koftüm, und vor allem eine Reihe
lebendiger Skizzen Maulpertfchs,
die troö allem Zufammenhang mit
dem AtelierTiepolos nicht nur fehr
felbftändig find, fondern auch in
ihrer echt deutfchen Märchen-
ftimmung mehr an Schwind den-
ken laffen als an Italien. Schließ-
lich überrafcht in Palkos Darftel-
lung des Leichnams des hl. Nepo-
muk ein Ernft und eine Größe der
Auffaffung, die man bei dem Bib-
bienafchüler ebenfowenig fucht,
wie die Rembrandtifch-malerifche
Haltung.
Gleicherweife mußte fich die pla-
ftifche Abteilung in ihrer Auswahl
befcheiden. Gerade die wichtigften
Arbeiten aus diefer Zeit laffen
fich nicht in Ausheilungen vor-
führen. Es bedeutet ein befonderes
Lob für die Ausftellungsleitung,
daß trotjdem auch hier die führenden Meifter gut zur Anfchauung gebracht werden. Wieder-
um war der Münchner Kunftvereinsausftellung manches zu danken. Und auch hier gab es
eine Überrafchung: Permofer, den man bisher nur als Dekorator gelten ließ, erwies fich in
den Bauljener Figuren (Abb. 27) als ein ernfter und bedeutfamer Meifter des Ausdrucks.
Von den Abteilungen der Aquarelle und Handzeichnungen und der der Miniaturen,
wo die beften Namen, allen voran Füger, vertreten find, und die auch einige feiten
gefehene Proben aus Chodowieckis erfter Periode, wo er als Dofenmaler tätig war,
enthält, kann nur andeutungsweife die Rede fein, ebenfo von den Silhouetten. Diefe
Abteilung führt eine der wichtigften Künfte des 18. Jahrhunderts erfchöpfend vor, von
den erften, auf dem Silhouettierftuhl abgenommenen, mechanifch verkleinerten Köpfen,
über die Silhouetten in ganzer Figur bis zu den Interieurdarftellungen, die in der Ver-
510
Äbb. 30. Ziervergoldete Abendmahls- Evangeli[die Marien-
kanne, Hamburg. 17. Jahrhundert kirdie, Minden i. w.
fache mit Skizzen der wichtigften
Meifter begnügen. Da zudem
die größeren Leitungen faft alle
dem katholifchen Süddeutfchland
angehören, fo hatte die Aushei-
lung des Münchner Kunftvereins
vom Herbft 1913 tüchtig vorgear-
beitet (vgl. Cicerone V, Heft 21,
S. 743ff.). Immerhin find auch hier
intereffante und überrafchliche
Dinge zu fehen: von Glantfchnig,
deffen Arbeiten fehr ungleich find,
eine freilich von Lotto abhängende,
fehr malerifche Anbetung im Zeit-
koftüm, und vor allem eine Reihe
lebendiger Skizzen Maulpertfchs,
die troö allem Zufammenhang mit
dem AtelierTiepolos nicht nur fehr
felbftändig find, fondern auch in
ihrer echt deutfchen Märchen-
ftimmung mehr an Schwind den-
ken laffen als an Italien. Schließ-
lich überrafcht in Palkos Darftel-
lung des Leichnams des hl. Nepo-
muk ein Ernft und eine Größe der
Auffaffung, die man bei dem Bib-
bienafchüler ebenfowenig fucht,
wie die Rembrandtifch-malerifche
Haltung.
Gleicherweife mußte fich die pla-
ftifche Abteilung in ihrer Auswahl
befcheiden. Gerade die wichtigften
Arbeiten aus diefer Zeit laffen
fich nicht in Ausheilungen vor-
führen. Es bedeutet ein befonderes
Lob für die Ausftellungsleitung,
daß trotjdem auch hier die führenden Meifter gut zur Anfchauung gebracht werden. Wieder-
um war der Münchner Kunftvereinsausftellung manches zu danken. Und auch hier gab es
eine Überrafchung: Permofer, den man bisher nur als Dekorator gelten ließ, erwies fich in
den Bauljener Figuren (Abb. 27) als ein ernfter und bedeutfamer Meifter des Ausdrucks.
Von den Abteilungen der Aquarelle und Handzeichnungen und der der Miniaturen,
wo die beften Namen, allen voran Füger, vertreten find, und die auch einige feiten
gefehene Proben aus Chodowieckis erfter Periode, wo er als Dofenmaler tätig war,
enthält, kann nur andeutungsweife die Rede fein, ebenfo von den Silhouetten. Diefe
Abteilung führt eine der wichtigften Künfte des 18. Jahrhunderts erfchöpfend vor, von
den erften, auf dem Silhouettierftuhl abgenommenen, mechanifch verkleinerten Köpfen,
über die Silhouetten in ganzer Figur bis zu den Interieurdarftellungen, die in der Ver-
510
Äbb. 30. Ziervergoldete Abendmahls- Evangeli[die Marien-
kanne, Hamburg. 17. Jahrhundert kirdie, Minden i. w.