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Die Kunst-Halle — 8.1903

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Kiesling, Ernst: Hermann Prell's Schöpfungen im Albertinum zu Dresden
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66

Die Aun st-Halle.

Nr 5.

was nun das Wesen dieser Schönheit anbelangt,
so wissen wir, daß die Auffassung und Anschauung der-
selben sich nur allzu oft mit einem leicht begreiflichen
Irrthum verbindet. Sowohl die ästhetischen Feinschmecker
wie ihre hartgesottenen Widersacher verstehen unter dem
Schönen fast ohne Ausnahme das Anmuthige, Gefällige
und Anziehende; jene messen den Geist des Schönen
mit den ihnen erzeugten Empfindungen des angenehmen,
mild erregenden, freundlich schmeichelnden Eindrucks,
diese widersetzen sich demselben, weil er als Gedanken-
prunk, als täuschender Schein, als schimmernde Hülle
das Gemüth zu verzärteln, den Verstand zu verwöhnen,
das reine Wahrheitsgefühl zu schwächen drohe. Echte
Kunst wird jedoch stets über eine blos geschickte, an-
ziehende Verschönerung der Wirklichkeit, über das Ver-
gnügen an einer feineren Geschmacksache weit hinaus-
ragen. Sie setzt auch auf Seiten der genießenden Laien
ein Empfinden voraus, das sich heute freilich nur auf
eine verhältnißmäßig kleine Zahl Individuen beschränkt.
Ist doch die ganze Geistesrichtung der Allgemeinheit
in der Neuzeit so geartet, daß sie dem einseitigen, bis
zur Trivialität deprimirten Realismus nur allzu sehr
Vorschub leistet. Freilich darf anderseits nicht verschwiegen
werden, daß die Zeit nicht allzu weit zurückliegt, wo ein
durchaus falscher Idealismus herrschend war, dessen
Spuren zum Theil noch heute wahrzunehmen sind. Aber
wenn nicht alle Zeichen trügen, sind wir bald dem Ziele
nahe, an dem Realismus und Idealismus in einer neu-
erblühten künstlerischen Ausdrucksform sich versöhnt ver-
einigen. Schon jetzt dürfen wir uns gestehen, daß die
mannigfaltigen modernen Kunstrichtungen der letzten
Jahrzehnte im Grunde geommen nichts anderes waren,
als der Ausfluß einer Uebergangsepoche, und das heiße
Ringen des Realismus mit dem Idealismus in der letzt-
verflossenen Zeit wird einem sofort verständlich und muß
als ein nothwendiger Austrag angesehen werden, ver-
gegenwärtigt man sich die auf beiden Seiten aufgetretenen
Mißverständnisse.
Unbeirrt von diesen Zeitströmungen, die uns zum
Theil, wenn wir sie rückschauend uns vergegenwärtigen,
anmulhen wie Eintagsfliegen, haben nur wenige den
Muth und die Kraft gefunden, stetig nach dem einst ins
Auge gefaßten Ideal weiter zu streben, wenige nur
haben es verstanden, von der sonnigen Heiterkeit der
Sinne, von dem hohen Schönheitsdrang, der dasGriechen-
thum erfüllte, etwas hinüber zu reiten in unsere Zeit der
harten Arbeit und strengen Pflichterfüllung. Zu diesen,
kleinen auserlesenen Kreis gehört auch Hermann prell,
der ausgezeichnete Monumentalmaler und Dresdener
Kunstlehrer, der den Auftrag erhielt, das Treppenhaus
des Albert in ums mit wand- und Deckenbildern, im
Rahmen einer von ihm selbst geschaffenen neuen architek-
tonischen und plastischen Gestaltung zu schmücken: Gewiß
eine schöne und bedeutsame, jedoch auch weitumfassende
und vielseitige Aufgabe, die außerordentliche Schwierig-
keiten in sich birgt.
Von jeher hat prell mit Vorliebe sich historisch-sym-

bolischen Motiven zugewandt. So sehen wir ihn denn
auch hier wieder aufs neue das Reich der Mythe be-
treten, um in umfangreichen großzügigen Kompositionen,
in der Versinnbildlichung unabweisbaren menschlichen
Ringens mit dem Göttlichen, die Geschichte des Menschen-
geschlechts zu entrollen, weit über Bergeshöhen, im
reinen Aether thronen die Götter, die zu stürzen die
Titanen sich vermaßen und welche nun von den
Himmlischen überwunden, zerschmettert in die Tiefe stürzen.
Verzogen ist das düstere Gewölk, das zeitweilig die
Herrlichkeit der Göttlichen verhüllte und wie ein blenden-
der Lichtstrahl bricht nun das Viergespann des Blitze
schleudernden Zeus hervor. Die siegverheißende Nike,
der schöne Apollon, die ernste Athene schaaren sich um
den Allmächtigen, ihn im Kampfe mit den Niederen
unterstützend. Der „Titanenkampf" bildet den Vorwurf
für das (Quadratmeter große in Tempera ausgeführte
Deckenbild. Verglichen mit dem ersten Entwürfe zeigt
es eine wesentliche Umgestaltung. Vordem noch als
dreitheiliges Bild angeordnet, mit Prometheus und
Aphrodite als Seitenbilder, hat prell nunmehr das eine
Motiv, das des Titanenkampfes festgehalten, und in
der Gegenüberstellung zweier Hauptgrupxen, sowie in
dem Kontrast einer intensiven Licht- und kräftigen Schatten-
masse die Komposition durchgeführt. Ganz von Licht
umflossen erscheinen die Gottheiten, während die Titanen
aus dein Dunkel auftauchen und sich wie eine geschlossene
Silhouette von dem leuchtenden Hintergründe abheben.
Der unüberwindlichen Schwierigkeiten wegen, be-
dingt durch die mächtigen Dimensionen der Fläche, hat
prell davon Abstand nehmen müssen, das Deckengemälde
in Freskotechnik auszusühren, er hat deshalb zur Tempera-
malerei gegriffen. So bleibt die erstere Technik hier
auf die Wandbilder beschränkt. Bekannt ist im Uebrigen
prell's besonderes Verdienst, daß er unter den neueren
Künstlern es als einer der Ersten unternahm, sich die
verloren gegangene Freskotechnik wieder zu eigen zu
machen.
Es darf sodann als ein glücklicher Umstand be-
trachtet werden, daß der Künstler, entgegen der ersten
Fassung seiner Decken-Komposition, sich dazu entschloß,
die Gestalten des Prometheus und der Aphrodite
hier fortzunehmen und sie dafür der Anordnung der
Wandbilder einzufügen, denn dadurch hat der durch
das Ganze gehende Gedankengang an Klarheiügewonnen,
ist das walten des Göttlichen und das wollen des
Menschlichen weit entschiedener zum Ausdruck gekommen.
Die Ueberleitung vom Göttlichen zum Menschlichen ge-
langt auf diese weise ebenfalls viel klarer zu Tage, und
die beiden charakteristischen Personifikationen des Denkens
und Empfindens (Prometheus und Aphrodite) beherrschen
hier, als plastische Gestalten in Erscheinung tretend, die
ganze Situation.
Auf der westlich gelegenen Prometheus-Wand
führt der Künstler das Ergebniß des Götterkampfes in
der Schilderung der menschlichen Schicksalstragödie weiter
aus. Vor uns breitet sich eine ernste heroische Felsen-
 
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