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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 1.1887-1888

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Heft 1
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Unsere Künste, [1]: zum Überblick
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https://doi.org/10.11588/diglit.11723#0008

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und bemüht sich nun mit immer geübterer s)hantasie,
diese Wechselwirkung zum sichtbaren Ausdruck zu
briugen.

Zu einer wahrhast gesuudeu, keimtrageude Früchte
verheißendeu Blüte des Auustgewerbes auf allen
seiueu Gebieteu dürsteu wir freilich uoch uicht gelaugt
sein. Ls gehörte dazu, daß sich alle hier schaffendeu
Rräfte iu eiuer Lormeusprache äußeru, vertiefeu,
sörderu köuuteu: iu eiuer Formeusprache, die hier
doch wohl so uotweudig ist, wie die eiue gemeiusame
wortsprache iu der Dichtuug eiues Laudes, weuugleich
uicht eutserut iu ihrer wichtigkeit so auerkauut, wie
diese iu der ihreu. Liu jeder Stil wächst, altert uud
stirbt; wir aber haben keiueu Stil, der aus uuserem
wesen erwachseu wäre, uud vertiefeu uus deshalb
auf dem wege der Auempfiuduug iu die Ausdrucks-
weiseu vergaugener Geschlechter. Auch eiu augeuom-
ineues Kiud kauu mit uuserem Lühleu verwachseu,
kauu uuser Lühleu weiterbildeu, kouuteu wir es uur
iu laugem Beisammeuseiu erzieheu. Auch durch jeue
Auempfiuduug köuuteu wir so gut zu eiuem Ligeueu
gelaugeu, wie die deutsche Gothik durch das Aü-
empfiudeu der italieuischeu Beuaissauce zur deutscheu
gelaugte. Uuser Uugliick aber ist das ruhelose wech-
selu vou Stil zu Stil. Durch wisseuschaftliche Aureguug
war das wiederersteheude Ruusthaudwerk auf die
Lormeu der Renaissauce gewieseu, au deueu wieu am
sestesteu hielt, die Atüucheu mit Betouuug des deutsch
Natioualeu pflegte uud die ebeuso, weuu auch trockeuer
uud unt ärmerer schautasie, vou Berliu ausgenouuueu
wurdeu. Aus der Neuaissauce begauu mau bald
geuug dem Barock zuzutreibeu, dem schließlich wieder-
um das Aococo solgte. Aud so suchte mau, sehr zum
Nachteil der kauiu unt der Neuaissance vertraut ge-
wordeueu Arbeiter uud uicht miuder zum Nachteil
des j)ublikums, das aus dem eben begouueueu Liu-
lebeu iu eiue bestimmte Ausdrucksweise gerisseu wurde,
eiue iunuer wieder audere Formeusprache zu erlerueu.
Ls ist klar, daß damit die Lserausbildnug eiuer eigeneu
durch die verschmelzuug der sremdeu mit dem Lmpfiud-
uugsiuhalt uuseres Volkes uud uuserer Zeit — stets
auss neue iu die Ferue gerückt ward.

Bergleicheu wir das Kuustgewerbe uuserer Tage
mit dem vor zwauzig Zahreu arbeiteudeu, so werdeu
wir trotzdem keiueu Augeublick deu reichen ^egeu ver-
keuueu, deu es auch iu geistiger Beziehuug gebracht
hat. Zu deu sast erstorbeueu Lormensiuu der Gewerb-
treibeudeu ist Beweguug gekommeu. Nud aus
diesem eiueu Gebiete weuigstens ward eiue deutlich
spürbare Teiluahme Aller sür eiu Nüustlerisches ge-
weckt, so daß eiu allmähliges Trstarkeu des Äuues
auch für die eigeutliche, die hohe Ruust daraus für
unser volk zu erhoffeu ist. Dou der wirkeudeu Macht-
stelluug aber, die das Ruusthaudwerk iiu Bewußtsein
der bildeudeu Nüustler selber erlaugt hat, zeugeu seiue
Tiuflüsse auf Architektur uud j)lastik.

wendeu wir uus zur Betrachtuug der Baukuust.
Sie steht, wie die bildende Nuust des ueuuzehuteu
Zahrhunderts überhaupt, ohue orgauischeu Zusammeu-
haug mit der des achtzehuteu da. Die Nevolutiou
uud die uapoleouischeu Nriege hatteu die Ueberliefe-
ruug zerrisseu uud wisseuschaftliche Lorschuug auf
Gruud der Autike deu Bodeu für eiu Neues bereitet.
Iu der Baukuust blühte es als uusere „klassiziereude

Architektur" mit Schiukel. Ls war eine Abstraktiou,
aus Altertum auzuknüpsen; der geschichtliche Siuu
führte vom Altertum weiter. Nlau kam zu dem ihm
verwandtesteu, zur italienischen Nenaissance. Dauüt^
war der weg gebahut, auch iu Lraukreich, iu den
Niederlauden und vor allem iu Deutschlaud den An-
schluß für das Schaffen der Gegeuwart zu sucheu.
Ts war das Ruustgewerbe, das alsdaun deu Gaug
vou der Neuaissauce zum Barock uud zugleich vom
streug Roustruktiveu zum Dekorativeu beschleuuigte.
Das Barock herrscht heute. Aber vou alleu Seiteu
sieht schou das Nococo hereiu. Bedeutsame Abzwei-
guugeu uuserer Architektur am Nhein uud iu Lsauuover
grüueu währeud alledem fort auf dein Bodeu der
Gothik. woraus nuu würde eiu ueudeutscher Stil
erwachseu, weuu er überhaupt erwachseu würde?
Am wahrscheiulichsteu dürfte es seiu, daß seiue Reime
uahe jeuer Gruppe vou Baumeisteru lägeu, welche
die reizvolleu Gestaltuugeu der deutscheu Frühreuaissauce
mit moderuem Geiste zu befruchteu sucheu. Scheiueu
sie doch eiueu vorgaug eiuzuleiten, dem verwaudt, der
uus schou eiumal zur Zeit höchster Rrastentfaltuug
der Ruust eiu wirklich Natiouales schuf.

Die Bildhauerei uuseres Zahrhunderts kouute
uumittelbarer als jede audere Runst sich au der Autike
schuleu, die leider uur gegeuüber der Weuge siacher
Ropisteuarbeiteu, die erhalteu gebliebeu, vou der Nlehr-
zahl ihrer Aubeter arg mißverstaudeu wurde. Dem
Thorwaldseu'scheu Rlassizismus, der dem Schiukel'schen
vergleichbar ist, stellte Schadow, der Schöpfer eiuer
rücksichtslos uach Reunzeichuuug strebeudeu Nlonumeu-
talbilduerei, eiu Natiouales eutgegeu. Nlit Nauch
gelaug eiue Zusauuueufassuug beider Tlemente zu
eiuer weuigsteus äußerlicheu Tiuheit, mit der ein
Rauou gegebeu war, dem Zahrzehute huldigteu. Lseute
habeu sich uusere j)lastiker und zwar eher und mehr
iu Berliu uud Müucheu, als iu Dresdeu, au uu-
befaugeue Betrachtuug der Natur wieder gewöhut,
uud eiu bald maßvoller, bald keckerer Nealismus be-
zeichnet das Schaffeu derer, „die mitsprecheu". Lharak-
teristisch für uusere Zeit ist hierbei die Aufreguug,
welche die Frage der j)olychromie uuter deu Bild-
hauern verursacht hat — eiue Frage, die, von der
Ruustwisseuschaft augeregt, kaum ihre heutige Bedeu-
tuug erlaugt hätte, käme uicht jene Betouuug des
Dekorativeu hinzu, vou der wir spracheu. Daß der
farbigeu ^kulptur eiue Zukuuft bevorsteht, läßt sich
nicht mehr bestreiteu; wie viel vou der vielfarbigkeit
auch die mouumeutale Bildnerei gewinuen wird,
muß hier dahingestellt bleibeu. Uuterstützt wird vorläufig
die j)olychromie (abermals im Zusammeuhaug mit dem
Ruustgewerbe) zumeist von der wiedererwachten Rlein-
plastik. Durch diese übrigens dürfte es der ^kulptur
auch geliugeu, wieder volkstümlicher zu werdeu, als
sie ist.

Für die Malerei ersetzteu iu uuserem Zahrhuu-
dert die maugeludeu Norbilder der Autike jene werke
der Ztalieuer, vou dereu maunigfach wechseluder Nach-
ahmuug uoch heute uusere Rircheumalerei Zeugnis
giebt. Zm Übrigeu siud die Zdeale wesentlich audere
gewordeu. Ts war der Tiusiuß desseu, was man als
„Autike" verstaud, verbuudeu mit dem üiusterben des
Farbeusiuues, der mit deu blassen Töuuugen des No-
coco versickert war, daß mau auch hier uur in der

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