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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 1.1887-1888

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Heft 8
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.11723#0101

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Lieder an. „Und in ihren Gesang fällt eine Stinnne
nach der andern ein, und es entwickelt sich ein wohl-
lautender improvisierter Ghorsatz". Freilich, das ist
was Anderes als das heute Gehörte. Und man wird
es begreifen, daß Meinardus — der im Grunde
überall die Musik mehr als Uttttel zu einem hohen
Zweck, denn rein ästhetisch als Ding für sich be-
trachtet — die Lrziehung zu solcher Hausmusik
geradezu als eine Förderungsmacht edlen Familien-
s'innes preist.

Mldende Münste.

^ »Mnsere Ikrünstler und die Gesellsebakt"
nennt 2l. Zlg eine Flugschrist („ Gegen den
Strom", bsest 8. wien, Gerold). Die Zeiten
seien dahin, entwickelt er. da die Ausstellungen —
diese „Sklavenmärkte" — nicht nötig waren, weil der
rNäzen noch Vergnügen daran sand, in die U)erk-
stätten zu gehen, das werdende zu beschauen und zu
Neuein anzuregen. „In Letzterem liegt der Schwer-
punkt der Sache, das eigentlich ethische Uloment sür
die Uunst und ihr Gedeihen." „Der Besteller wurde
dadurch in einem gewissen Grade geistiger Utttarbeiter,
er hatte einen edleren Anteil an dem Uunstwerke, als
das bloße Auswählen und Bezahlen gewährt." Und
heute? Nun, „die Gesellschast dekoriert sich gar zu
gerne mit den liebenswürdigen Göttersöhnen, in denen
man nach altem Herkommen und, wie es in den
Nomanen geschildert zu werden pslegt, sröhlichere
Lrdenkinder zu erblicken sich gewöhnt hat." „Aber
was thun wir denn für den Stand? Das endlose
große weh der heutigen Rünstlerschast, ihre Not und
materielle Sorge, das überlassen wir ruhig dem Staat."
Zwar „wir kaufen die neuesten, natürlich nur die
allerneuesten Schöpsungen" — „dassenige, was zuletzt
besonderes Aufsehen machte und allgemein gepriesen
wurde." Aber ein persönliches verhältnis dazu sehlt
uns. Daß wir versuchen sollten, „als des Rünstlers
Freund und geistiger Genosse, stolz und sreudig zu
seiner Gntwickelung ehrlich beizutragen, unsere liebsten
heimlichsten Zdeen seiner Schaffenslust entgegenzu-
bringen — das sällt uns nicht im Traume ein!"

Selbstverständlich richten sich die Nünstler daher auch
möglichst praktisch aus die „gangbaren Artikel" ein,

wie die bsändler mit sertigen Rleidern nach der

jüngsten Wode. Nnd so verflacht sich denn Alles

immer mehr. wer unbekannt ist, soll dabei „warten,
bis er einen Namen hat; sreilich, verhungern dars
er bis dahin nicht." — „Die innige Verbindung und
das geistige Zusammenleben des bildenden Rünstlers
mit der Gesellschast hätte jedoch noch einen anderen
wesentlichen Nutzen sür die Runst: sie hätte den wohl-
thätigsten Linfluß aus den Rünstler als Menschen
selbst, auf seine Grziehung nnd innerliche Bildung.
Denn wer durch sein geistiges Schafsen seiner Zeit
genügen soll, der muß frei in der geistigen Sphäre
derselben atmen, und — möge er sich dabei auch ein
unabhängiges Urteil bis zur Gegnerschast wider die
Arinzipien der zeitgenössischen welt selbst bereiten, —
dennoch in erster Linie ein vollkommener Renner der-
selben sein. Solches aber mangelt unsern Rünstlern
in der Negel." „Die wteisten sind aus ärmlichen
Derhältnissen herangewachsen, haben Not und Wühe
genug gehabt, um nur in den rein technischen Studien

ihres Faches sich, allen widrigen Umständen zu trotz,
bis zu jener Höhe durchzuarbeiten, wo oon einer
manuellen Fertigkeit wenigstens die Nede sein dars."
Zhre allgemeinen Renntnisse sind „zumeist äußerst
dürstig, ihr wissen ist höchst mangelhaft, ihre Bildung
ungenügend. Und mit solch lückenhastem Nüstzeug
gehen sie nun an ihren Beruf: in sinnlich-wahrnehm-
barer Lrscheinung dem Geiste ihres Zeitalters sür
alle Zukunst sprechenden Ausdruck zu verleihen." —
wie verhalten sich nun die einzelnen Rlassen der Ge-
sellschaft dem Rünstler gegenüber? Das Bürgertum
sei entkrästet, meint Zlg; die (katholische) Rirche „hat
ihre große, Zahrtausende alte Ulission für die Runst
so gut ausgegeben, wie ein gewisser Teil des Adels,
und betreibt in der Runst den Sport des Altertüm-
lichen, des Greisenhasten, gleich ihm." „Lin anderer
Bestandteil der Gesellschast sind die Gelehrten, deren
treueste Freunde, dankbarste Schüler und wackerste
Utttarbeiter im weinberge des Geistes dereinst die
Rünstler gewesen. k^eute sind diese die Feinde Zener
und gelten Zene sür ihre natürlichen widersacher."
Nach des Verfassers Weinung sreilich nur, weil der
Rünstler die tiesen Ukängel sühlt, die ihm anhasten,
aber den Niedergang seines Standes zu bekennen sich
scheut, und zum Lernen nicht die Rrast hat. —

Zlg schildert nun eingehend die Folgen, welche aus
diesen Uttßständen sür einen großen Teil der Rünstler
erwüchsen. Da sei eine Anzahl von Leuten, zuweilen
von recht achtungswertem Rönnen, welche aber „zeit-
lebens j?arias bleiben; Bestellungen, Aufträge, ver-
dienst und Gewinn, das sind die Angelpunkte, um
welche sich ihre Zdeen von Runst das ganze Dasein
hindurch allein drehen." Uttt ksilse von „Schablonen,
die man aus Bibliotheken, aus Rupserstichen, sshoto-
graphien u. s. w. bequem entnehmen kann," werde
sür den entsprechenden Znhalt und Zdeengehalt des
bestellten werkes gesorgt, „oder man mietet sich im
Notfall irgend ein verkanntes Genie, welches im Stande
ist, diesen ideenhasten Teil der Leistung zu besorgen."
Sei das „Geschäst" dann gut ausgesallen, erhole
man sich „durch Ntttmachen aller Vergnügungen des
großstädtischen Treibens, wenn auch aus ziemlich
ordinärer ^tuse. Dabei bewegt inan sich am liebsten
in der Gesellschast von flflahlbürgern der Dorstadt,
in der das Atelier gelegen ist, nicht aber unter Berufs-
genossen, denn von diesen ist ja jeder ein Ronkurrent."
Gehen die Geschäfte aber schlecht, so „setzt man sich
aus die Bierbank und schimpst über die miserable
Lserabgekommenheit des Runstsinnes in der Gegen-
wart, welche nur dem scbnöden Utaterialismus huldigt
und die Rünste betteln gehen läßt." „Zene zweite
Gattung scheint uns sast noch bedauernswerter.
Darunter zählen die unpraktischen Röpse oder die
stolzeren Naturen, welche dem Geschäste nicht so
sindig nachzulaufen verstehen. Natürlich bleiben ihnen
alle CZuellen verstopst." „Träumerische Zdealisten,
Schwärmer, denen es aber sowohl an höherer Bildung,
als an praktischer Lrfahrung mangelt, wersen sie sich
dann gar zu gern aus vermeintliche Neformideen,
um die gesamte Runst aus dem Grunde zu resor-
mieren." „Äe werden dann fl)hilosophen . . . , er-
finden neue Stile, bauen großartige Systeme sunkel-
nagelneuer Runstprinzipien aus, wobei sie Alles über
den ksausen werfen, was seit jeher da war." „Zn
 
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