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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 1.1887-1888

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Heft 13
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https://doi.org/10.11588/diglit.11723#0184

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_9,

Menscheu vollenden, oder vollenden sollten. In der
That sind unsere INuseen, in welchen das jeweilig
Beste, wenigstens das erreichbar Beste, vereinigt ist,
eine Znstitution, deren Einfluß auf die allgemeine
Volksbildung nicht hoch genug angeschlagen werden
kann, die andrerseits von den Künstlern nur dankbar
begrüßt werden muß als Aäuser ihrer werke, als
Bürge für deren unausgesetzte pslege, endlich als
Büttel, durch welches der Zweck dieser Runstschöpsungen
am vollkommenstei: erreicht wird. Zeder Rünstler
schafft doch mehr oder weniger im Zusammenhang
mit dem Volk, aus dem er hervorgegangen; je größer
er ist, desto klarer spiegelt sich die Volksseele in seinen
werken wieder, und es giebt keinen größeren Nuhm
sür ihn, als von den Besten seines Bolkes sich ver-
standen zu wissen. Wandert ein Bild in das Kabinet
eines privatsammlers, so ist es ost sür lange Zeit so
gut wie begraben. Auch der wohlwollendste jDrivat-
mann ist nicht im Stande, zur Besichtigung seiner
Schätze die gleichen Lrleichterungen zn gewähren,
wie eine öffentliche chammlung. kfier dagegen finden
die werke nicht nur die passendste 2lusstellung, welche
ein jedes an der chtelle und in der Umgebung zeigt,
die es erst zu seiner eigentümlichen Wirkung gelangen
läßt, hier allein können die Bedingungen des Zutritts
so günstig gestellt werden, daß es den werken auch
nicht an dem jdublikum sehlt, an welchem sie ihre
Wirkung erproben können. Unsere Breslauer Gallerie
z. B. ist das ganze Zahr hindurch an sünf Wochen-
tagen von to — 2, an den Sonntagen von t t — 2 Uhr,
also während der Zeit der besten Tagesbeleuchtung,
unentgeltlich einem Zeden geöffnet, der nur entsernt
auf die Tigenschaft eines gesitteten Wenschen Anspruch
machen kann. Unser Besuch zählt denn auch imZahre nach
bsunderttausenden. Zn solchen Anstalten seine Werke
untergebracht zu wissen, müßte für den Uünstler nächst
der damit verknüpften Beruhigung inbetreff des
Schicksals derselben eine Thre und eine Freude sein.
bsier kann er zum Gerzen des Volkes reden, zu dem
der Gebildeten wie der Ungebildeten. Denn Alle
haben Teil an den ausgestellten chchätzen; der Arme
nicht weniger als der Befitzende, der Gelehrte nicht
mehr als der k^andwerker; am Uteisten derjenige, der
im Verständnis am Weitesten gedrungen ist. Dem
j)ublikum nun behagen diese Tinrichtungen sehr wohl,
wie der steigende Besuch, das wohlwollende Verhalten
reicher Gönner, die fortgesetzten Zuwendungen bekun-
den. Wie aber verhalten sich die Uünstler? Bei
Ankäufen wird allerdings die Verficherung nicht ge-
spart, daß sie besondere Genugthuung darüber em-
pfinden, ihr Werk gerade einer öffentlichen ^ammlung
einverleibt zu wissen; was aber später folgt, läßt die
Lebhaftigkeit dieses Lmpfindens als ziemlich schwach
erkennen. Denn sobald der neueste Gegner der Uluseen
sich regt, tragen sie Alle nicht das leiseste Bedenken,
sofort auf dessen Seite zu treten. Diese Gegner aber
sind die Ausstellungen.

Die Uunstausstellungen sind bekanntlich auf einem
j)unkt angelangt, wo selbst ihre Freunde bedenklich
werden, und wo ein verderblicher Nückschlag auf das
Aunstwesen fich bereits fühlbar macht. Die jährliche
! Wiederkehr der akademischen 2lusstellungen in Berlin
hat denkenden Beobachtern schon Besorgnis in Bezug
aus die Solidität der fi)roduktion eingeflößt. Und die

offen zu Tag tretende Uäittelmäßigkeit der Ausstellung
des vergangenen Zahres konnte die Bedenken nicht
abschwächen. bfinterher wandern die Bilder Zahre lang
ruhelos herum. Noch haben sich die wellenkreise,
welche die Zubiläumsausstellung erregt hatte, nicht
verlaufen, und schon werden im Gebiet deutscher Zunge
für dieses Zahr große Ausstellungen in wien, in
Wlünchen und in Berlin angekündigt. Wieviel kleinere i
und kleinste diesen solaen werden, ist nicht abzusehen.
welche Ansprüche damit an das j?ublikum, den Kunst-
handel, ja die Uünstler selbst gestellt werden, davon
scheint sich Niemand Nechenschaft zu geben. wollte
man den Nunstsinn abstumpfen und das Urteil des
j)ublikums verwirren, man könnte es nicht systematischer
anfangen. Schon mehren sich die Rlagen über Ab-
nahme der Nauflust, während die ksäufigkeit der Aus-
stellungen noch steigt. Der Umstand nun, daß selbst
die Uünstler mit dieser ^turmflut nicht chchritt halten
können, hat eine höchst bedenkliche Trscheinung ge-
zeitigt, die von tiefeinschneidenden Folgen für das
Uluseumswesen zu werden droht. Um nämlich bei
dem überhasteten Tempo der Ausstellungen nicht zu
sehr im Nückstand zu bleiben, verfielen die Uünstler,
besonders diejenigen von Nuf, auf das Auskunftsmittel,
auf ältere Zahrgänge ihrer werke zurückzugreifen
trotzdem oder weil dieselben Tigentum öffentlicher
Sammlungen, also leicht erreichbar geworden waren.
Um den Gallerieverwaltungen den Tinfall, dessen
Trefflichkeit ihnen nicht sofort einleuchten möchte,
inundgerecht zu machen, war man unermüdlich im
Ausdenken neuer Begründungen, die an durchschlagen-
der Linfachheit jenem Grundgedanken sich ebenbürtig
zeigten. Da galt es, eine historische Abteilung einzu-
richten, oder es handelte sich um die würdige Ver-
tretung der gesamten deutschen Uunst; bald wurde
dis Lhre Deutschlands dem Ausland gegenüber ins
Feld geführt, bald hochpolitische Uiotive in den Vorder-
grund gestellt, wie etwa die Wichtigkeit, unseren öster-
reichischen Bundesgenossen unseren freundlich guten
willen zu zeigen — immer aber sollten die Nluseen
bluten, das war und blieb der Aern dieser weisheit,
die allerdings, von einer Seite erwogen, höchst be-
stechend ist, aber eben an dem Grundfehler der Lin-
seitigkeit leidet, indem sie über den Forderungen des
Augenblicks die bleibenden Znteressen der Nunst außer
Acht läßt.

Zch kann hier nur nebenbei darauf hinweisen,
daß jene vorgeschützten Zwecke niemals erreicht worden
sind. Noch keine Runstausstellung konnte sich
rühmen, ein richtiges Bild vom Zustand und der
Leistungsfähigkeit der heutigen deutschen Nunst zu ge-
währen; ein Ziel, das ja nur durch die rücksichts-
loseste jAünderung der öffentlichen und xrivaken
Sammlungen zu erreichen wäre. Was aber jene
patriotischen Schlagworte betrifft, so darf man doch
fragen, wo und wie denn die deutsche Nunst würdiger,
vollständiger und wirkungsvoller vertreten sein könnte,
als in unseren heimischen Gallerien. ^aben wir doch
einmal den ckllolz, die ausländischen Gäste hier ruhig
zu erwarten! Zch wüßte nicht, daß die Nünstler
derjenigen Nation, in welcher der Nationalstolz
(verschieden von Nationaleitelkeit) am kräftigsten enr-
wickelt ist, der englischen, sich so diensteifrig zu den
Ausstellungen drängten und gar die bereits in feste

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