Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 1.1887-1888

DOI Heft:
Heft 17
DOI Artikel:
Avenarius, Ferdinand: Die Heine-Bewegung
DOI Artikel:
Rundschau
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.11723#0242

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
l?_

s>

lD

gattung" angesehen werden müssen. Man vergleiche,
was im vorigen und noch in diesem Iahlchundert
auch in Tagesblättern von unterrichtenden Aufsätzen
geboten wurde (z. B. die von Braun gesammelten
liritiken über unsere Rlassiker) mit der schillerliden
Seisenblasenschriftstellerei unserer heutigen und zumeist
gerade der Zeitungen, die sich in der vergötterung
auch des j)rosa-bseine überbieten. Mehr und mehr
schwindet das verlangen, den Leser zum wirklichen
Verständnis der behaildelten Fragen oder andererseits
zum wirklichen künstlerischen Genusse heranzubilden:
unterhalten will man, durch j)urzelbäume die Zeit
vertreiben, wie ein Bajazzo, weiter nichts — das
macht der Geist des Feuilletons. Naturgemäß wird
die Nachfrage nach schwererer Rost immer spärlichcr,
fe mehr sich der !Nagen des j)ublikums ihrer ent-

wöhnt. Lagen wir aber gegen die Feuilletonseiltänzer
was, so heißt's: Heine hat auch so gcschrieben, bseine,
Lr, der „glänzendste deutsche s)rosaschriftsteller dieses
Zahrhullderts", der „größte deutsche Dichter seit
Goethe."

Mir fasseil unsere wünsche kurz zusammen. Alan
lasse den Alenschen Lfeine ruhen, der uns nichts an-
geht, den Zuden, der vielleicht mehr gewesen wäre,
hätte er sein Zudentum charaktervoller bewahrt, den
j?olitiker, der ciller vergangenen Zeit angehört. Man
errichte dem Lyriker das Denkmal, das ihm unbe-
diilgt und unbesireitbar zusteht. Aber man unterscheide
schärfer, als bisher, den echten Dichter Heine vom
koketteil Dersgaukler Heine und vom Fcuilletonisten
Lseine, diesem Abgott aller bsändler mit 5chmockschen
Brillanten. F. A.


Illundscbuu.

Allgemeineres.

n Selbstanzeige. ÄStNetlK von Lduard
von bsartmann. Grster historisch-kritischer Teil:
Die deutsche Ästhetik seit Rant. Zweiter systematischer
Teil: j)hilosophie des Schönen. (Berlin, Larl Dunckers
verlag). — Die Ästhetik reiht sich meinen beiden
größeren werken aus dem Gebiete der Lthik und
Neligionsphilosophie an und bringt die Geistesphilo-
sophie meines Systems zum vorläufigen Abschluß.
vor wissenschaftlicher Ästhetik pflegen gegenwärtig
Runstfreunde und Rünstler, Kunstgelehrte und Runst-
kritiker in gleichem Nlaaße zurückzuschaudern; dennoch
pflegen sie alle sich im Gespräch wie im schriftlichen
Ausdruck ganz unbefangen ästhetischer Begriffe zu be-
dienen nnd mit bsilfe derselben zu streiten. Die Ästhe-
tik kann keine andere Aufgabe haben, als die Lr-
fahrungen des ästhetischen Bewußtseins möglichst voll-
ständig zu beobachten, zu ordnen und die leitenden Ge-
sichtspunkte der unwillkürlichen und gefühlsmäßigen
ästhetischen Beurteilung in ihrem Zusammenhange
klar zu stellen und dadurch dem verständnis näher
zu bringen. Zn diesem Sinne muß auch die Ästhetik
von der Trfahrung ausgehen und von ihr induktiv
zu wissenschaftlichen Prinzipien aufsteigen. Die bis-
herige Ästhetik hat teils den Fehler begangen, deduk-
tiv vorzugehen, d. h. ihre ästhetischen Grundsätze aus
mitgebrachten metaphysischen Voraussetzungen abzu-
leiten, teils, wo sie induktiv verfuhr, den andern Fehler,
sich zu einseitig auf die eine oder andere Runst zu
stützen, anstatt das Schöne auf allen Gebieten seines
Vorkommens gleichmäßig der Betrachtung zu Grunde
zu legen. Trotzdem wird ein neuauftretender Bear-
beitungsversuch nicht umhin können, zu den so reich-
haltigen Lrgebnissen der emsigen ästhetischen Arbeiten
der letzten hundert Zahre Stellung zu nehmen, den
dauernden Neingewinn von den Schlacken der Ge-
winnung zu sondern und die Stetigkeit der geschicht-
lichen Lntwickelung zu wahren. Dieser Aufgabe ist
der erste Teil meines werkes gewidmet. IVer das
Ganze vom philosophischen Standpunkt beurteilen will,
wird nicht umhin können, die an meinen vorgängern
von mir geübte Aritik zu verfolgen, nm aus ihr zu
ersehen, wo ich selbst in der Geschichte der Ästhetik

mir einen j?latz zu gewinnen suche, und aus welchen
Gründen. N)er mir nicht das Vertrauen schenkt,
meine systematische Darstellnng als Führer durch das
Gebiet des Schönen zu wählen, der wird doch vielleicht
meine kritische Vorarbeit zur Lsand nehmen mögen,
um zu sehen, was in der deutschen Ästhetik des letzten
Zahrhunderts überhaupt geleistet ist, was insbesondere
iin letzten Nienschenalter auf diesem Gebiete zu Tage
gefördert ist von Männern wie Zeising, Tarriere,
^otze, von Rirchmann, Röstlin, Zimmermann, Schasler,
Siebeck, Fechner, wiener, bsorwioz, Lazarus, Richard
wagner, G. Lngel, von Lsausegger u. A. m. Nicht
nur diese sind noch in keinem der bisherigen werke
über Geschichte der Ästhetik, sondern auch Ast, Trahn-
dorff, Deutinger, Gersted, die schon einem früheren
Geschlechte angehören, finden in denselben keine Be-
rücksichtigung. Andere Ästhetiker verlangten eine er-
neute Lrörterung unter Beachtung neu erschlossener
Guellen über ihre Lehre, wieder andere eine erneute
Durchsicht in Bezug auf die ihnen bisher zu Teil ge-
wordene Auffassung und Linordnung. Die Schwie-
rigkeiten, welche das erste prinzipielle Buch des ersten
Teils dem verständnis von Lesern ohne philosophische
Vorbildung bieten mag, bitte ich auf Rechnung der
dargestellten Ästhetiker zu setzen, deren meist metaphy-
sische Systeme durch eine gedrängte Darstellung auf
engem Rauine nicht eben leichter faßlich werden.
Ltwas leichtere Lektüre gewährt schon das zweite
Buch des ersten Teiles, welches die verschiedenen
rNodifikationen des Schönen und streitige Fragen aus
der Runstlehre in historisch-kritischen Tinzeldarstellungen
behandelt. Zm Ganzen wendet sich aber der erste
Teil doch mehr an philosophische Leser, während der
zweite systematische Teil einen weiteren Leserkreis ins
Auge faßt. — Auch der zweite Teil zerfällt in zwei
Bücher, von denen das erste den Begriff des Schönen,
seine psychologischen Grundlagen, Ronkretionsstufen und
Nlodifikationen und die ^tellung des Schönen im
weltganzen behandelt, während das zweite dem Da-
sein des Schönen in Natur und Runst und der <Lnt-
stehung des Runstwerkes gewidmet ist. Auch hier
liegt der Schwerpunkt der philosophischen Lrörterung
im ersten Buche, und deshalb habe ich auf Seite


— 236 —
 
Annotationen