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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 1.1887-1888

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Heft 18
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Sprechsaal
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Aus der Bücherei
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https://doi.org/10.11588/diglit.11723#0266

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„wer könnte etwas dagegen einwendcn," so schreibt
Lhrchardt, ,,ja, wer würde es nicht wirklich als die
Lroberung eines neuen, kostbaren Gebietes empfinden,
wenn es einem Aünstler gelänge, die 5egeil oder
Trost bringende edle Gestalt Lhristi uns mitten in
unsernl Leben wirkend vor Augeil zu stellen? Aber
die Lrzählungen des Lvangeliums, wo der lebende,
der historische Lhristus da sein muß und soll, die ver-
trageil das nicht, die sind dazu nicht geeignet. Oer-
wenden wir sie so, so tritt iinmer eine bewußte
^lbsicht zu Tage und Absichtlichkeit erwärmt bekannt-
lich nicht." Ich stelle neben diesen meine 5mtze: „die
Rreuzigung, die Auferstehung und alle jene vorgänge,
die entweder wunder sind oder verhältnisse zur Oor-
aussetzung haben, die unsere Zeit nicht mehr aufweist:
sie sordern sreilich unbedingt die Zurückversetzung in
eine ferne Oergangenheit vom Maler. Stellen wir
uns ein Bild vor, das Lhristus vor einem modernen
Gerichtshofe schilderte! Ls klingt wie Lästerung,
hören wir nur davon reden. khier handelt sich s nm
Lreignisse, die als einmal geschehen gedacht werden
und anch bei symbolischer Zluffassung nicht so gedacht
werden können, als geschähen sie noch heute. Aber
um jsne gleichsam ^alltäglichen^ kleinen Geschehnisse
im Zesuslebsn steht es anders, die, symbolisch, nein,
nur tief religiös aufgefaßt, nicht einmal gewesen sind,
sondern waren und sind und sein werden: die das
ewig Fortwirkende der christlichen tehre spiegeln"
naeh dem worte „ich bin bei Luch alle Tage bis
an der welt Lnde". 5o sehr ich mich mühe, ich
kann in Lhrhardts AuLführungen den Grund nicht
erkennen, ivelcher dsr Runst die Gestaltung dieses
Lhristusspruches verbieten soll. Lr kann sinden, daß
die gewaltige Aufgabe z. 25. von Uhde gar nicht,
oder swie ich glaube) n.ur teilweis gelöst ist, er kann
lmit vollem Uechte) gegen die Verbrechergesichter etwa
anf dem „Abendmahl" jenes Rünstlers oder gegen
diese oder jene seiner froftigen „Ligentümlichkeiten"
sich wenden — den Leweis dafür, daß wir die sym-
bolischs Gestalt Lhristi des chelfers, des Trösters, des
Rinderfreundes nicht ins moderne Leben im Bilde
setzen dürfen, wird er schwerlich erbringen; jedenfalls

hat er ihn noch nicht erbracht. „Absichtlichkeit er-
wärmt bekanntlich nicht". Sie verstimmt nur dann,
wenn sie erkennen läßt, daß etwas anderes erstrebt
wird, als zu erstreben vorgegeben wird, in unserem
Lalle also ein außerhalb der Runst liegender Neben-
zweck, während angegeben wird, nur Runst zu bieten.
Zch gebe zu, daß sich Uhde gegenüber streiten läßt,
ob nicht ein solcher unkünstlerischer Nebenzweck bei
seinem Uorgehen in der That mitwirkte — ^ensations-
bedürfnis etwa —, obgleich ich persönlich nicht recht
daran glaube: aber Uhdes Ausführung des Ge-
dankens ist nicht gleich mit dem Gedanken selbst.

U)as Lhrhardt über die Linbürgerung von Ge-
mälden der neuen, bis jetzt (ich sage: leider) außer-
kirchlichen religiösen Ukalerei, deren kühnsten linken
Llügel übrigens nur die Uhdeschen bilden — was er,
sage ich, gegen deren Linbürgerung in die Rirchen
aussührt, das ist gleich manchem Auderen nur die
genaue Ronsequenz ans seiner Achätzung der be-
treffenden U)erke und wird stehen oder fallen mit ihr.
Deshalb wär es zwecklos, darüber noch viel zu sprechen.
Utir genügt es, darauf hingewiesen zu haben, daß
auch hier zwischen den Älteren und Züngeren die
eigentlichen Grundsätze nicht verschieden sind. Nur
nnsere einzelnen Urteile sind es, weil Reiner von uns
Allen als Beurteiler sich loslösen kann von dem, was
er nebenbei als Ukensch durch seine Geburt, seine
Lrziehung, seine Gewöhnungen ist. Bpätere Ge-
schlechter dürften Rünstler, die sich heut feindlich gegen-
überstehen, in gleicher UDeise achten und vor einem Lor-
nelius unsern Züngern zum Trotz so gut den Lsut
ziehen, wie manchem unserer Älteren zum Trotz auch
vor dem Besten eines Uhde. N)üßte man nur auf
beiden Beiten mehr, was der Andere eigentlich will,
entschlössen sich nür insbesondere die Älteren öfter zn
so ruhiger und sachlicher Darlegung ihrer Ansichten,
wie sie Lhrhardt zu unserer Frage gegeben hat! Statt
dessen überall in der deutschen Runstwelt ein Trum-
pfen, ^chelten und Derdammen, daß —- — — aber
ich höre im Geist einen Ukahnruf ,,zur Bache!" und
schließe.

Der Verf. des Aufsatzes „Neligiöse Runst".

Rns der Wückerei

Oeue Nudlerungen von Bruno Mannfeld gürgen
uns aus dem Verlage von Raimund küitscher in Berlln zur
Anzeige zu. Es sind zwei Blätter: „Merseburg" (das kleinere,
jdreis M.) und „Doin zu (Lrfurt, kvestchor" (20 M.). A)ir
haben schon eimnal auf das Schasfen Mannfelds diejenigen
unferer §eser aufmerksain gemacht, die es nicht ohnehin ver-
folgen: auf das Lchaffen dieses nnermiidlichen Oerinittlers
jenes Tchatzcs an Achönheit, den die alten 5tadtbildcr Deutsch-
lands als ein kostbares Bätererbe uns Menschen von beute
bewahrten. Ls ist nicht nnseres Rünstlcrs 2lrt, sich selber
irgendwie rorzudrängen und etwa druch eine „geistreiche
Nadel" verblnffen zu wollen; er hat's nicht nötig, uns auf
solche NÜeise nrehr zu überreden, als zu übsrzeugen, daß er
ein Rünstler ist, denn er beweist uns in jedem Bilde da-
durch die echteste Rünstlerschaft, daß er ganz znrück-
tritt hinter seinen Vorwurf. Lr malt, wenn ich so sagen
darf, nicht sich selber über den Gegenstand hin, sondern er
zieht die Schönheit des Gegenstands für jedes emxfängliche
Auqe ans ihm heraus. Dabei ist seine Darstellungsart durch-

j aus der Technik angemessen, d. h. hier mehr nialerisch als
j zeichnerisch. Von den vorliegenden Blättern ist das in den
! Linzelheiten sehr feine „Merseburg" eines für die Mappe,
der „Dom zu Lrfurt" hingegen ein Bild auch von bedeuten-
tendem dekorativen Wert. Daß es einigen Abstand vom Be-
schauer verlangt, um sich perspektivisch zu voller Räumlichkeit
herauszugestalten, empfiehlt es zum wandschmucknoch besonders.

Illunstgescbicbte dcs klLittelulters von ffranz v.
Reber. Mit ^22 2lbbildungen. (Leipzig, T. (!). kveigel.)
— kvir dürfen unsern Lefern gegenüber den ksinweis auf
dieses ausgezeichnete Buch nicht unterlassen, obgleich cs schon
vor einiger Zeit erschienen ist — schon deshalb nicht, weil wir
überhaupt keine zweite so prunk- nnd phrasenlose, echt wissen-
schaftliche und gleichzeitig (das fagen wir im ksinblick auf
Schnaases mächtiges!Verk) so knaxpe Behandlung des Gegen-
standes besitzen. Tine Besonderheit des Reberschcn Buchs ist
die Stoffanordnung nicht nach den Lntstehungsjahren der
Denkmäler, sondern nach deren Stilarten, deren jede somit in
ihrem Rlerden und Rlachsen als ein organisches Ganzes ge-

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