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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 1.1887-1888

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Heft 24
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.11723#0355

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völlig der dramatischen Gewalt des Stoffes hingegeben
nnd die außerordentlich sorgfältig vorbereitete Auf-
führung mit beinahe unschönem Iubelbeifall begrüßt.
In erster Linie galt natürlich das Lntzücken der neuen
Athenienser der prachtstrahlenden Ausstattung und
den virtuosen Negiekünsten, mit denen Barnay die
dichterischen Absichten reich, oft grell zu illustrieren
wußte. Dies Rapitel ist ja erst neulich an dieser Stelle
behandelt worden — immer wieder fragt man sich:
wohin steuern wir mit dieser täglich gesteigerten
Lust an glänzenden Äußerlichkeiten?! Zur reinen
Runstübung wohl kaum. Das „Berliner Theater"
wird für dieses Zahr „wode" werden, wie es das
„deutsche Theater" durch fünf Zahre war. bsoffent-
lich vernachlässigt die neue Bühne ihre volkserzieherische
Aufgabe nicht, dann darf sie der Unterstützung aller
ernsten Runstfreunde gewiß sein. Den wert der
neuen Theater für die Runst abzuwägen, bleibe einer
späteren, umfassenderen Betrachtung vorbehalten, die
nach den Llitterwochen der jungen Bühnen erscheinen
soll — für heute sei nur die Geburtsstunde und die
begleitenden äußeren Umstände treulich verzeichnet.

Waximilian k^arden.
^ Der plan einer „"Tbeaterbocbscbule" ist
jüngst in den von der Genossenfchaft deutscher Bühnen-
angehöriger herausgegebenen und vortrefflich geleiteten
„Dramaturgischen Blättern" zum Gegenstande einer
Lrörterung im Hinblick auf seine Zweckmäßigkeit ge-
macht worden, ohne daß man ihn doch bisher ge-
nauer umrissen hätte. Nun kommt T. w. Geißler
mit einer guten zusammenfassenden Betrachtung der
Frage, aber auch mit vorschlägen, die er in der
wissenschaftlichen Beilage der „Leipziger Zeitung" (75)
veröffentlicht. „»Der echte Schauspieler wird geboren,
nicht gebildet,« ist eine landläufige Redensart, deren
sich besonders der Neuling auf den Brettern mit vor-
liebe zu bedienen pflegt. And in wahrheit beruht
die untergeordnete Ltellung, die man der Lchauspiel-
kunst im Neigen der Rünste anweist, auf der That-
sache, daß man ein großer Schauspieler sein kann,
wenigstens sein konnte, ohne im Übrigen auf Geistes-
bildung irgend welchen gegründeten Anspruch er-
heben zu dürfen. Man vermißt bei der Schauspiel-
kunst Gesetze, Negeln, Theorien, mit einem worte
jene wissenschaftlichkeit, die eben die andern Rünste
zu lehrbaren Rünsten macht. wohl hat der Theater-
gebrauch gewisse Gesetze und Negeln geheiligt — aber
mit wie äußerlichen Dingen beschäftigen sich alle
diese Oorschriften! wie man geht, wie man steht,
wie man sich setzt, wie man einer Dame die bsand
küßt, wie man den Lsut trägt u. s. f., oder auf der
andern Leite: wie man den Mund zu äffnen hat,
um ein gutes a hervorzubringen, wie die Zunge
beim r, beim s zu liegen hat — dieses und unend-
lich vieles Andre ist lehrbar — aber ist es deswegen
die Schauspielkunst? Das wäre soviel, als wollte
man den Nlaler lehren, wie die Farben gerieben
werden, wie die Leinwand zubereitet, wie f)insel,
fl)alette, N'lalstock, Ltaffelei gefertigt wird, um ihm
dann zu sagen, daß er nun ein Waler sei." Der
verfasser spricht von dem „dramatischen Unterricht",
wie er fetzt meistens üblich sei: einem mechanischen
Linpauken, einem Abrichten. Lin wirklicher könne
nur ein Llementarunterricht sein und werde auch von

einsichtsvollen Lehrern nur als solcher behandelt: „er
kann sich, abgesehen von einigen knappen worten
über Wetrik und j)rosodie, mit nichts beschäftigen,
als mit den oben erwähnten Äußerlichkeiten, deren
Lrlernung zwar fedem Schauspieler zur pflicht ge-
macht werden muß, die ihn aber noch lange nicht
zum Schauspieler machen, wenngleich in unseren
Tagen, die vor Allem das leichte Ronversationsstück
pflegen, Derjenige, der sich diese Äußerlichkeiten im
höchsten Nlaße eingelernt hat, der routinierte Schau-
spieler, der gesuchtere sein wird. Zedenfalls aber
müssen diese Llementarien bereits in den Bildungs-
anstalten zum Abschluß gebracht werden, die der
Nüttelschule bei der gelehrten Bildung entsprechen.

was bleibt also an Lehrstoff für die Hochschule
übrig? wahrlich noch genug, wenngleich der junge
strebsame Schauspieler die betreffenden Studien ebenso
gut auf jeder größeren Universität machen könnte.
Aber die beabsichtigte Trennung der Schauspieler vom
akademischen Leben der Universität hat jedenfallr
ihre guten Gründe. Abgesehen davon, daß nur die
kleinere Lsälfte der Schauspielerakademisten ein Nlatu-
ritätszeugnis würde aufweisen können, so würde das
Anfinnen, junge, nur allzu oft der gelehrten würde
bare Schauspieler in die Zahl der Lsospitanten auf-
zunehmen, beim akademischen Senate vor der bsand
doch noch auf einigen widerstand stoßen müssen. <Ls
gilt also, für die Theaterhochschule, die doch wol zu-
nächst ihren Sitz in Berlin erhalten wird, von der
philosophischen Fakultät der dortigen Universität oder
aus den Reihen der j?rivatgelehrten fachtüchtige und
redegewandte Lehrer zu gewinnen, vor Allem für die
folgenden wissenschaften: weltgeschichte, deren
Renntnis man heutzutage von jedem gebildeten Nlen-
schen und nicht zum Nlindesten vom Schauspieler ver-
langen kann, der in seinen Nollen so häufig auf histo-
rischem Boden sich bewegt. - Litteraturgeschichte:
die deutsche, französische und englische ausführlich —
altgriechische, römische, spanische mit Auswahl. Zur
Bedeutung der Litteraturgeschichte für den Schauspieler
braucht wohl kein wortverlorenzu werden. — Rultur-
geschichte, um jeden Schauspieler zu befähigen, sich
als Negisseur bethätigen zu können. Line besonders
ausführliche Darlegung müßte die als Teil der Rultur-
geschichte zu behandelnde Rostümkunde erfahren. —
Aesthetik, womit das Studium von Nleisterwerken
der Skulptur und Malerei zu verbinden wäre. — Die
französische Sprache, jenes unerläßliche Nequisit
für den gebildeten Schauspieler, muß in Seminarien
und Ronversatorien gepflegt werden. Daran würden
sich als fakultative Fächer noch Fechten, Neiten, Turnen,
Tanzen anschließen."

LDusLK.

» Vom Ses)UlgeSllNg spricht Aug. Reißmann
in einem längeren Aufsatze, der sich mit dem „Rinder-
gesange und seiner j?flege" überhaupt beschäftigt
(N. Nü-Z. ^5 — ^7). „Zn der Rinderstube gilt es
mehr, daß die Rinder nachsingen, wie ihnen vorge-
sungen wird; jetzt müssen sie schon mit den allgemeinen
Gesetzen der Tonbildung, wie namentlich auch der
Aussprache und des Atemholens bekannt gemacht
werden." Neben die schon früher gesungenen Lieder
müssen also neue treten; und „immer ist bei der


— ^4S
 
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