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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 1.1887-1888

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Heft 24
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.11723#0356

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wahl darauf zu achteu, daß die Riuder nicht nur
deu eutsprecheuden öiiederstoff erhalteu, soudern zualeich
iu der Aue>rduuug desselben eiueu vollständigen Lehr-
gaug des Gesauges, durch welcheu die Stimme solge-
richtig zu rechter Gutsaltuug gelaugt und der Säuger
zu voller bserrschaft über das Grgan. weun das
eiuigermaßeu erreicht ist, uud die Ainder eiue Auzahl
Lieder schöu zu siugen im Stande sind, dann sollte
man nicht versäumen, sie etwas weiter iu den ganzen
Grgauismus der Aunstwerke einzusühreu. Die Kiuder
müssen nicht nur die Aläuge, sondern auch die Inter-
valle zu uuterscheiden lernen. Dazu hilst aber die
Notenkenntnis entschiedeu sehr mit," über deren
Zweckmäßigkeit den Ziffern gegenüber auch beim
Schulunterricht man heute sa kaum mehr streiten
dürfte. „Der Lehrer muß die Noten vor den Augen
der Schüler entstehen lassen, indem er sie die Liedchen,
welche die Ainder bereits kennen, singen und dann
nach seiner Anleitung ausnotieren läßt, was gar keine
Schwierigkeiten bereitet. Sind die jugendlichen Sänger
srüh an die entsprechende Akzentuation gewöhnt, wird
es ihnen ebensowenig Alühe machen, die Taktein-
teilung zu begreisen. Durch die lebendige, praktische
Lrfahrung wird ihnen so geläufig, was ihuen durch
theoretische Grörterungeu schwer verstäudlich zu macheu
ist. Um den Begriff Tonleiter zu sassen, muß ihneu
auch der Unterschied vou Ganz- und bsalbstuse klar
gemacht seiu, was wieder nicht sehr schwer wird,
wenn man die Uinder srüh daran gewöhnt, zu hören.
Die Uonstruktion der Tonleiter ist dann leicht und
ebenso die Tntwickelung des ganzen Tonleiter- uud
Tonartens^stems. Weniger leicht ist es, den Uiudern
schon das LUollgeschlecht begreiflich zu machen, doch
gelingt auch dies, weuu man ihnen den Unterschied
der Uloll- und der Durterz klar zu machen versteht.
Zu diesem Zweck läßt der Lehrer die Schüler Terzeu
singen und bringt dann mit einem Znstrument oder
auch singeud das eine Ulal noch eine Unter-, das
andere U'tal eine Gberterz. Daraus läßt er die
Schüler Gruudton und (Huint singen, und bringt in
der angegebenen Weise einmal die große und daun
die kleine Terz hinzu." — „Zn der Natur der Gesangs-
organe ist es begrüudet, daß auch der mehr-, mindestens
zweistimmige Gesang in der Bchule nicht ausgeschlossen
bleibt. Ts ist bereits erwähnt, daß auch unter den
Uinderstimmen schon hohe (Sopran-l und tiefe (Alt- i
stimmen) vorhanden sind, die berücksichtigt sein wollen."
„Zunächst sollen auch die tiefen Ltimmen die U'lelodien,
welche es zulassen, singen lernen, und diese müssen in
einer beiden Btimmen möglichst bequemen Tonlage
erst einstimmig geübt werden. Dann aber mag der
t5>opran die Wtelodie in der entsprechenden Lage singen
und der Alt die begleitende Unterstimme dazu aus-
sühren. Lür besonders seierliche Gelegenheiten, nament-
lich beim Gottesdienst, kann man auch den dreistimmigen
Gesang ausbilden. Dabei macht der nur zweistimmige
keine entsprechende Wirkung, er eignet sich mehr
nur sür die belebtere, leichtere Uielodik. Der Lhoral
aber und die ihm verwandten Formen wirken ent-
schieden einstimmig noch besser als zweistimmig. Tr
verlangt in solchem Falle eine mindest dreistimmige
Behandlung, wenn es nicht möglich ist, auch noch
Nlännerstimmen hinzuzuziehen, durch welche die Zu-
§ sammensetzung eines gemischten Thors ermöglicht ist.

Der dreistimmige Gesang ist auch in der Volksschule
zu ecreichen; diese müßte ihn als das Ziel des ganzen
Gesangunterrichts hinstellen. Lsauplsache bleibt natür-
lich immer neben der Trlernung des nötigen Lieder-
stoffs die natürliche Ausbildung des Grgans und des
Uäusiksinns, aber diese müßte in der höheren Ausgabe
des dreistimmigen Gesanges ihren Abschluß suchen.
Line so geschulte Zugend würde unsere Gesangvereine
und die verwandten Znstitute bald zu großer Blüte
bringen. Uäau wende nicht ein, das Ziel sei zu hoch
gesteckt; es ist vielmehr das eiuzig nennenswerte. Zudem
macht eiu derartiger Unterricht weder den Rindern
noch dem Lehrer große Uäübe. Allen diesen Ansorderun-
gen zu eutsprechen, wird deu Rindern meist viel leichter,
als den Trwachsenen, weil sie noch unverbildet und
deshalb leichter bildungsfähig sind."

» von „mustkaliscben Gedauken" spricht
G. Sattler (N. Berl. Uä.-Z. 33). „Gedanken, <Lr-
gebnisse geistiger Lrregungen, verbunden mit sinnlichen
Lrregungen, rufen ein Drittes hervor, welches wir
mit Ltimmung, in höherer j^otenz mit Gesühl be-
zeichnen. Die Runst wird daher immer Gefühle er-
wecken, sobald sie Geist und Binn gleichmäßig erregt."
Also sind auch die „musikalischen Gedanken", die
Geistiges und Sinnliches zugleich ausprägen, am ge-
eignetsten, Gesühle auszudrücken. Und zwar „je
nach ihrer größeren Nichtung zum Geistigen oder
Ännlichen, edlere oder unedlere. Tritt z. B. der
Nh'sthmus vorzugsweise in den Vordergrund, so wird
die geistige Natur mehr angeregt, im Ulelodischen
gleichen sich Nhythmus und bjarmonie insosern aus,
als sie sich gleichmäßig zur Dervorbringung der Ute-
lodie unterordnen; im Uäelodischen liegt daher vor-
zugsweise die Gefühlssprache. Ze melodischer der
musikalische Gedanke austritt, desto mehr wird er also
auss Gesühl wirken, je schärfer er den Nhythmus
ausprägt, desto sinnlicher wirkt er, je mehr er Aus-
fluß harmonischer Runst ist, desto mehr regt er das
Nachdenken, den Verstand, mit einem worte, den
Geist au."

Mldende Nünste.

* über die ikunstgescbicbte und die mo--

detile 'lKttttSt schreibt Vskar Döring im „Deutschen
wochenblatt" (23, 24). Lr behandelt zunächst den
Wert von teuren mit Nachbildungen versehenen kunst-
geschichtlichen veröffentlichungen sür das Runslschaffen
unserer Tage und knüpft daran weiterreichende Be-
merkungen. Rein Zweifel, daß die Renntnis der
künstlerischen Lchöpsungen der Altoordern das Urteil
des Rünstlers läutert uud seinen Blick schärft, daß er
aus jenen in gegenständlicher wie in technischer Be-
ziehung vieles vergessene und doch höchst Wertoolle
wieder ans Licht zu briugen vermag. Aber es droht
auch Gefahr. Nur in der Lsaud des Meisters kann
der versuch, die moderne Runst durch die ältere zu
beeiuflussen, gedeihlich sein. „Aus die Lntwicklung
aber und das Schaffen des jungen Runstschülers muß,
wenn er nicht mit ganz ungewöhnlich widerstands-
sähigem und originellem Geiste begnadet ist, Beschäf-
tigung mit der alten Runst geradezu lähmend wirken."
Nicht aus sein Btreben zwar, wohl aber aus sein ur-
sprüngliches Lmpfinden. Auch wider Wissen und
wollen gerät man leicht auf den Abweg, „Abschreiber

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