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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 5.1913

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2. Heft
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Feigel, August: Neuerwerbungen der Plastik-Sammlung des Landesmuseums zu Darmstadt
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https://doi.org/10.11588/diglit.26374#0076

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NEUERWERBUNGEN DER PLAST1KSAMMLUNG DES DARMSTADTER MUSEUMS

figurige „Auferweckung des La-
zarus" im Mainzer Dom, die die-
felbe Kompofitionsweife und die-
felben Typen, darunter einen ganz
prachtvoiien Charakterkopf, der
faft einPorträtTolftois fein könnte,
zeigt, ift von derfeiben Hand.


Den in Weingegenden viel ver-
ehrten Urbanus fteht die Büfte
eines traubenhaltendenPapftesdar
(Abb. 18). Leider ift die Figur nur
im abgefchnitteneu Zuftand er-
halten, fo daß fich die Schönheit
des in langen tieffchattenden Kur-
ven gerafften Gewandes nur noch
ahnen läßt. Sie mag früher dem
Papfte des Babenhäufener Altares
ähnlich gefehen haben, natürlich
ohne mit einer folchen impofanten
Figur in Wettbewerb treten zu
können. Audi das Geficht, das
in malerifcher Weife in viele
fchattenden Faltenzüge aufgelöft
ift, erfcheint echt mittelrheinifch.

Abb. 19. Hi. Euftachius (?) und Florian. Mittelrheinifch ^ kommt den Künftlern diefer

Gegend weniger auf die Klar-

legung des Knochenbaues eines Sdiädels, als auf die Schilderung der Oberfläche der
Haut an. Wenn man fidi diefe Eigenart der mittclrheinifchen Künftler vor Augen hält,
wird man die drei Ritterfiguren (Abb. 18 u. 19) als am Mittelrhein bodenftändig erkennen.
Auch in der Reproduktion noch ift der plaftifche Reichtum in den Einzelformen des Kopfes
fühlbar. Mit großer Liebe ift hier der Straffheit der gefpannten Haut und den feinen
Erhebungen und Senkungen der unter der Haut verborgenen Fleifch- und Fettpolftern
nachgegangen. Unmerklich fein find die Übergänge, fo daß eine zarte und weiche Licht-
wirkung erreicht wird. Ein kräftiges Relief geben die tiefunterfchnittenen Locken, die mit
einem erftaunlich feinen Gefühl für den fammetweichen Fluß der Haare gefchnitten find.
Mit der zart verfdiwimmenden Wiedergabe des Gefichtes, die ja gegen das 15. Jahrhundert
einen großen Fortfehritt bedeutet, kontraftiert die noch völlig gotifche, gefchwungene Haltung
des Körpers. Trot^ des breiten, renaiffancemäßigen Stehens ift nicht die Sicherheit des auf-
rechten Körpers erreicht; von der breiten Bafis der Füße und der Beine machen die oberen
Teile einen geringen Gebrauch. Dies Verharren bei dem gotifchen Schönheitsideal kann
man gerade am Mittelrhein häufig beobachten. Selbft Backoffen bleibt im Grunde Gotiker.
Bei dem hl. Georg intereffiert vor allem das prächtig dahinftürmende Pferd. Eine
lebensvolle Bewegung geht von den ftraff geteilten Hinterbeinen bis zum hoch er-
hobenen Kopf und dagegen ftemmt fich der Drache, deffen fleifchiger, fetter Körper
zu den knappen, feften Formen des Pferdes in Gegenfa^ gebracht ift. Die drei
Figuren, die wahrfcheinlich zu einem Altäre gehören, mögen um 1520 entftanden fein.
Dehio prägte bei einer Betrachtung der Werke Backoffens den Ausdruck gotifches

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