Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 5.1913
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AUSSTELLUNGEN
ift freilich eine andere Frage. Intereffantanihr
find eigentlich nur einige Bilder aus [einer Jugend-
zeit: ein Selbjtporträt als fechzehnjähriger Knabe,
ein Porträt [einer Mutter und einige architek-
toni[che Stücke aus Am[terdam aus den Jahren
1854—56. Damals lernte er mit eignen Augen
zu [ehen; [reilich auch hier [chon nahm er mehr
aus zweiter Hand au[ als von der Natur [elber.
Und wenn die[e Bilder darum auch kaum irgend-
welche Originalität au[wei[en, [o [ind [ie doch
ehrlich empfunden und, namentlich die Archi-
tckturftücke mit den durchleuchteten Schatten,
tüchtig gemalt. Dann kam der junge Menfch
auf die Akademie, und [eitdem wurde er zum
wiffenfchaftlichen Kunftarchäologen, dem das
eigentliche Leben ganz fern ftand, auch das der
Antike, das er zeitlebens zu meiftern verfuchte.
Einzig ein delikater Sinn für zarte, gebrochene
Farben verföhnen da und dort mit diefen bloßen
Gehirnprodukten. F.
NEW-YORK Die Ausftellung moderner
deutfcher Graphik, die die Berliner Photo-
graphifcheGefellfchaft dankenswerterweife unter-
nommen hat, i[t hier mit viei Intereffe aufge-
nommen worden. Die „New York Times" z. B.
widmet ihr in ihrer Nummer vom 1. Dezember
1912 eine eingehende, mit IHuftrationen ver-
[ehene Befprechung. F.
WIEN Die beiden aiijährlich um die Jahres-
wende einander abiöfendenVcranftaltungen der
Genoffenfchaft bildender KünftlerWiens
[tehen [chon durch diePerfonaiunion der meiften
Ausftelier in einem derart engen Zufammenhang,
daß ihnen wohi eine gemeinfame Würdigung
gerecht zu werden verfuchen kann. Auch dies-
mal hinterläßt die kürzlich eröffnete (27.) Aus-
ftellung des Aquarelliftenklubs einen
frifcheren und lebendigeren Eindruck ais die
umfangreichereHerbftausftellung, die freitich
durch eine Kollektivausfteilung der Architektur-
[kizzen Friedrich Ohmanns aus den Jahren
1907—12 ein erhöhtes Intereffe gewann. Die
meiften neueren Bauten Ohmanns find öfter-
reichifche Provinzftädte zu fchmücken beftimmt,
feine origineilen Löfungen viel diskutierter
Wiener ftädtebaulicher Probleme blieben unaus-
geführt. Um fo dankbarer begrüßt man die
Gelegenheit, beider Art Schöpfungen im Mo-
dell und in Skizzen kennen zu lernen, deren
zeichentechnifche Meifterfchaft allein bereits
zur Bewunderung zwingt. Die bodenftändigen
Motive des öfterreichifchen Barock, des Rokoko
und der Biedermeierzeit, die Ohmann, einer der
gründlichen Kenner diefer Stilarten, in feinen
Arbeiten mit befonderer Vorliebe verwendet,
find mit dem feinften Verftändnis ihres Wefens
modern umgewertet und zu einem durchaus
eigenartigen organifchen Ganzen verarbeitet. So
erbringt diefe Anstellung aufs neue den Beweis,
daß nur eine dogmatifierende Mißdeutung ak-
tueller Schlagworte es verfuchen könnte, gegen
diefen feinfinnigen, an die befte heimifche Tra-
dition anknüpfenden Baukünftler als einen „hifto-
rifierenden" Architekten die freilich rückfichts-
lofere Modernität Otto Wagners und feiner
Schule auszufpielen. — In einem Nebenraume
waren 47 Gemälde Ludwig Dills vereinigt.
Diefe Kollektivausfteilung verftieß gegen ein
nicht oft genug betontes Prinzip der künftleri-
fchen Ökonomie: Eine kleine Auswahl hätte
die auf ein enges Gebiet befchränkte Eigenart
des Künftlers prägnanter zum Ausdruck ge-
bracht. Die Maffe wirkte ermüdend; die Ein-
förmigkeit breiter Gold- und Silberrahmen er-
höhte die Monotonie diefer Landfchaften, die
durch den in einzelnen von ihnen [ich ankündi-
genden Manierismus nicht gerade angenehm
unterbrochen wurde.
Im allgemeinen zeigen beide Ausheilungen
das gewohnte Geficht mit den tiefeingegrabenen
Altersrunzeln; wenn fie in der Ausftellung des
Aquarelliftenklubs weniger deutlich ausgeprägt
fcheinen, dürfte dies dem anfpruchsloferen Auf-
treten und der Mannigfaltigkeit der verwandten
Techniken zu verdanken fein. Freilich fehlt es
auch hier nicht an feltfamen Anachronismen (als
Beifpiel feien nur die Arbeiten des fchwäch-
licben Rahl-Epigonen Griepenkerl genannt). Doch
verlangt die Gerechtigkeit die Feftftellung, daß
die moderneren Tendenzen, die gelegentlich be-
merkbar werden, [ich nicht nur auf die Hängung
der Bilder und die Befpannung der Wände be-
fchränken. Immer mehr gelangen auch in diefem
Rahmen einige jüngere Künftler zur Geltung, die
in unabläffiger Arbeit um den Ausdruck ihres
Wefens bemüht find. Hier ift insbefondere auf
Karl Sterrer hinzuweifen, deffen große Akt-
figuren ein ehrliches Ringen um die monumen-
tale Form verraten. Mit nicht geringerem
Ernft verfolgen Beck, Curry, Skala, Wind-
hager u. a. ihre meift befcheideneren Ziele. Die
hie und da verftreuten füllen und feinen Land-
fchaften Brunners bieten dem fuchenden Auge
ftets einen Ruhepunkt. Die allzu abfidhtliche
Modernität der landfchaftlichen und figuralen
Skizzen B. Löfflers erfcheint mir dagegen
troß ihres dekorativen Reizes wenig aufrichtig.
Schnackenberg liefert geradezu eine Parodie
Touloufe-Lautrecs. Unter den Graphiken ver-
dienen die im Technifchen virtuofen farbigen
Radierungen 0. Stöffels (in der Art feines
Lehrers Schmuser) eine Hervorhebung.
68
ift freilich eine andere Frage. Intereffantanihr
find eigentlich nur einige Bilder aus [einer Jugend-
zeit: ein Selbjtporträt als fechzehnjähriger Knabe,
ein Porträt [einer Mutter und einige architek-
toni[che Stücke aus Am[terdam aus den Jahren
1854—56. Damals lernte er mit eignen Augen
zu [ehen; [reilich auch hier [chon nahm er mehr
aus zweiter Hand au[ als von der Natur [elber.
Und wenn die[e Bilder darum auch kaum irgend-
welche Originalität au[wei[en, [o [ind [ie doch
ehrlich empfunden und, namentlich die Archi-
tckturftücke mit den durchleuchteten Schatten,
tüchtig gemalt. Dann kam der junge Menfch
auf die Akademie, und [eitdem wurde er zum
wiffenfchaftlichen Kunftarchäologen, dem das
eigentliche Leben ganz fern ftand, auch das der
Antike, das er zeitlebens zu meiftern verfuchte.
Einzig ein delikater Sinn für zarte, gebrochene
Farben verföhnen da und dort mit diefen bloßen
Gehirnprodukten. F.
NEW-YORK Die Ausftellung moderner
deutfcher Graphik, die die Berliner Photo-
graphifcheGefellfchaft dankenswerterweife unter-
nommen hat, i[t hier mit viei Intereffe aufge-
nommen worden. Die „New York Times" z. B.
widmet ihr in ihrer Nummer vom 1. Dezember
1912 eine eingehende, mit IHuftrationen ver-
[ehene Befprechung. F.
WIEN Die beiden aiijährlich um die Jahres-
wende einander abiöfendenVcranftaltungen der
Genoffenfchaft bildender KünftlerWiens
[tehen [chon durch diePerfonaiunion der meiften
Ausftelier in einem derart engen Zufammenhang,
daß ihnen wohi eine gemeinfame Würdigung
gerecht zu werden verfuchen kann. Auch dies-
mal hinterläßt die kürzlich eröffnete (27.) Aus-
ftellung des Aquarelliftenklubs einen
frifcheren und lebendigeren Eindruck ais die
umfangreichereHerbftausftellung, die freitich
durch eine Kollektivausfteilung der Architektur-
[kizzen Friedrich Ohmanns aus den Jahren
1907—12 ein erhöhtes Intereffe gewann. Die
meiften neueren Bauten Ohmanns find öfter-
reichifche Provinzftädte zu fchmücken beftimmt,
feine origineilen Löfungen viel diskutierter
Wiener ftädtebaulicher Probleme blieben unaus-
geführt. Um fo dankbarer begrüßt man die
Gelegenheit, beider Art Schöpfungen im Mo-
dell und in Skizzen kennen zu lernen, deren
zeichentechnifche Meifterfchaft allein bereits
zur Bewunderung zwingt. Die bodenftändigen
Motive des öfterreichifchen Barock, des Rokoko
und der Biedermeierzeit, die Ohmann, einer der
gründlichen Kenner diefer Stilarten, in feinen
Arbeiten mit befonderer Vorliebe verwendet,
find mit dem feinften Verftändnis ihres Wefens
modern umgewertet und zu einem durchaus
eigenartigen organifchen Ganzen verarbeitet. So
erbringt diefe Anstellung aufs neue den Beweis,
daß nur eine dogmatifierende Mißdeutung ak-
tueller Schlagworte es verfuchen könnte, gegen
diefen feinfinnigen, an die befte heimifche Tra-
dition anknüpfenden Baukünftler als einen „hifto-
rifierenden" Architekten die freilich rückfichts-
lofere Modernität Otto Wagners und feiner
Schule auszufpielen. — In einem Nebenraume
waren 47 Gemälde Ludwig Dills vereinigt.
Diefe Kollektivausfteilung verftieß gegen ein
nicht oft genug betontes Prinzip der künftleri-
fchen Ökonomie: Eine kleine Auswahl hätte
die auf ein enges Gebiet befchränkte Eigenart
des Künftlers prägnanter zum Ausdruck ge-
bracht. Die Maffe wirkte ermüdend; die Ein-
förmigkeit breiter Gold- und Silberrahmen er-
höhte die Monotonie diefer Landfchaften, die
durch den in einzelnen von ihnen [ich ankündi-
genden Manierismus nicht gerade angenehm
unterbrochen wurde.
Im allgemeinen zeigen beide Ausheilungen
das gewohnte Geficht mit den tiefeingegrabenen
Altersrunzeln; wenn fie in der Ausftellung des
Aquarelliftenklubs weniger deutlich ausgeprägt
fcheinen, dürfte dies dem anfpruchsloferen Auf-
treten und der Mannigfaltigkeit der verwandten
Techniken zu verdanken fein. Freilich fehlt es
auch hier nicht an feltfamen Anachronismen (als
Beifpiel feien nur die Arbeiten des fchwäch-
licben Rahl-Epigonen Griepenkerl genannt). Doch
verlangt die Gerechtigkeit die Feftftellung, daß
die moderneren Tendenzen, die gelegentlich be-
merkbar werden, [ich nicht nur auf die Hängung
der Bilder und die Befpannung der Wände be-
fchränken. Immer mehr gelangen auch in diefem
Rahmen einige jüngere Künftler zur Geltung, die
in unabläffiger Arbeit um den Ausdruck ihres
Wefens bemüht find. Hier ift insbefondere auf
Karl Sterrer hinzuweifen, deffen große Akt-
figuren ein ehrliches Ringen um die monumen-
tale Form verraten. Mit nicht geringerem
Ernft verfolgen Beck, Curry, Skala, Wind-
hager u. a. ihre meift befcheideneren Ziele. Die
hie und da verftreuten füllen und feinen Land-
fchaften Brunners bieten dem fuchenden Auge
ftets einen Ruhepunkt. Die allzu abfidhtliche
Modernität der landfchaftlichen und figuralen
Skizzen B. Löfflers erfcheint mir dagegen
troß ihres dekorativen Reizes wenig aufrichtig.
Schnackenberg liefert geradezu eine Parodie
Touloufe-Lautrecs. Unter den Graphiken ver-
dienen die im Technifchen virtuofen farbigen
Radierungen 0. Stöffels (in der Art feines
Lehrers Schmuser) eine Hervorhebung.
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