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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 6.1914

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Heft. 1
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Denkmalpflege
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https://doi.org/10.11588/diglit.26375#0051

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DENKMALPFLEGE

kleinen Holftentors vollftändig. — So kann man
logifch behaupten, daß die hiftorißerende, fchein-
bare und äußerliche Ängleichung an die Formep
des alten Denkmals, wie pe Blunck verfucht,
diefem gar nichts nußt, daß dagegen Behrens
gerade dadurch, daß er [ich unumwunden
modern gibt, die alte architektonifche und ftadt-
bauliche Schönheit des Holftentors konferviert,
ja noch fteigert.1 —

fluch der malerifche, durch das einfpringende
Eck des Blunck fchen Grundrißes verunregel-
mäßigte Plaß kann dem alten Denkmal nur
fchaden: Ä. E. Brinckmann2 und Walter Curt
Behrendt3 haben dargetan, daß ftadtbauliche
Monumentalität pch ftets regelmäßig, ganz fym-
metrifch gibt und gegeben hat. fluch das Ein-
gangsforum der an den großartigften hiftorifchen
Architekturdenkmälern reichen Hanfaftadt Lübeck
darf pch, aus inhaltlichen wie formalen Gründen,
nicht in einer pfeudomalerifchen Romantik er-
gehen. Denn welche künftlerifche Wirkung ge-
rade auch die ardiitektonifch ftrengfte Form
im Stadtbau zu erzielen vermag, beweift wieder

1 Wenn in einer jeßt durch die Preffe laufenden Er-
klärung der fünf dem Preisgericht angehörigen Architek-
ten: Minißerialdirektor Dr.-lng. Hindceldeyn, Geh. Baurat
Stadtbaurat Dr.-lng. Ludw. Hoffmann, Geh. Baurat Prof.
Dr.-lng. Bruno Schmiß, Baudirektor Balder, Baurat Müh-
lenpfordt, behauptet wird, es wäre gar nicht zu einer Ge-
genüberftellung der Projekte von Behrens und Blunck
gekommen, fondern Behrens' Entwürfe feien bereits
viel früher aus der engern Konkurrenz ausgefchieden,
fo ift das lediglich ein Beweis für die künftlerifch reaktio-
näre Gefinnung der fünf beamteten Herren. Beweis auch
für die alte Erfahrung, daß Künftler über Künftler nicht
mit der nötigen Objektivität zu Gericht fißen können, wes-
halb denn architektonifche Preisgerichte ftets am beften
einerfeits von äfthetifch indifferenten Technikern
oder Ingenieuren, andrerfeits von äfthetifch differen-
zierenden Kunßhißorikern zu bilden wären. - In der
„Voff.Ztg.“ vom 28.November 1913 hat Dr. Otto Kümmel
den Entfcheid diefes Preisgerichtes mit mehr Kühnheit
als Talent verteidigt. Denn fachlich weiß er gar nichts
auf die konkreten Einwände gegen das Blunckfche Projekt
zu erwidern. Und wenn er behauptet, daß Behrens fich
„im felben Grad“ an die Antike anlehne wie Blundc
an die Gotik, fo demonftriert O. Kümmel damit nur, daß
ihm Qualitätsdifferenz'en in der Architektur noch
nicht aufgegangen find. Deshalb hält ihm mit großem
Recht der Lübecker Mufeumsdirektor Dr. Karl Schaefer
(Voff. Ztg., 11. Dez. 1913) feine Unkenntnis der Pläne
und die daraus refultierende fachliche Bedeutungs-
lofigkeit feiner Äußerungen entgegen. Schaefer gelangt
hier zu einer grundrätjlichen Verurteilung der Architektur-
wettbewerbe, welche nur eine bequeme Ausflucht
für Behörden, die nicht wagen, eine Verantwortung zu
übernehmen, darßeilen, fo daß ihr faktifches Ergebnis ftets
einen Triumph der Mittelmäßigkeit bedeutet. — Auf diefe
Replik hin, weiß pch Otto Kümmel (Voff. Ztg., 18. Dez.
1913) nur noch mit Hilfe einer bewundernswerten Dialektik
aus der Affäre zu ziehen.

2 Plaß und Monument. Berlin 1909. Deutfche Stadt-
baukunß der Vergangenheit. Frankfurt a. M. 1911.

s Die einheitliche Blockfront als Raumelement im Stadt-
bau. Berlin 1912.

diefes alte Lübeck felbft, das als deutfche Kolonial -
ftadt des 12. Jahrhunderts einen genauen Schach-
brettgrundriß aufweiß.1 Friß Hoeber.

ROM DerUmbau desPalazzettoVenezia
ift vollendet, und die Räte und Sekretäre beider
Botfchaften Öfterreichs werden binnen kurzem
die neuen, völlig modern hergerichteten Appar-
tements beziehen.

Die Verftümmelung des hiftorifchen Palaftes
Pauls II. ift gewiß nicht das kleinfte Verbrechen,
das in den jOngften Jahren an den Denkmälern
Roms begangen worden ift, und die Piazza Ve-
nezia, einft einer der wunderbarften Pläße Roms,
ift heute ein geradezu typifdies Beifpiel dafür,
welche unermeßlichen Werte der Vergangenheit
eine einzige Generation zu zerftören imftande ift.

Da ift es erfreulich zu fehen, daß diefe Kata-
ftrophe, die das ehrwürdige Denkmal nach außen
fo fchwer gefchädigt hat, wenigßens im Inneren
zu feiner Erhaltung beitragen füllte. Im Haupt-
palaft wurde die häßliche alte Stiege umgelegt
und im Quattrocentoftil neu erbaut. In der hohen
Loggia wurden die Fragmente eingemauert, die
man bei der Umfeßung des Palazzetto fand:
Fragmente der Schola Cantorum der alten Mar-
kuskirche, antike Trümmerftüdce ufw.

Prinz Schönburg-Hartenftein, der derzeitige
Botfchafter am Vatikan, brachte der Aufgabe,
zu retten was zu retten war, befonderes Ver-
ftändnis entgegen. Er forgte für eine neue Auf-
stellung der Büße Pauls II. von Bellano, er ließ
in einem der Prunkgemächer, unter Glas, die
Münzen und Tonfeherben fammeln, die man in
Fülle in den Fundamenten ausgrub, und er fühlte
fich überhaupt verantwortlich für jene große
Tradition, die man fo lange in diefen Räumen
vergeffen hatte. So kann man wohl fagen, daß
heute kein Botfchafter in Rom glänzender in-
ftalliert ift, als der Botfchafter der öfterreichifchen
Doppelmonarchie am Vatikan.

Diefen hiftorifchen Sinn hat der Botfchafter
auch beim Wiederaufbau des Palazzetto be-
tätigt und der Botfchaftsrat Graf Palffy und
Dr. Ludwig Pollak haben feine Beftrebungen
unterftüßt. Man ift aufs freudigfte überrafcht,
tritt man heute in den neuen Hof des Palazzetto
ein mit feinen luftigen Bogenftellungen. Früher
war das obere Stockwerk der Bogenhalle ver-
mauert. Jeßt ift es geöffnet worden. Ein Re-
naifjäncegärtlein mit einem Renaiffancebrunnen
in der Mitte wurde angelegt, und in der Römi-

1 Lübeck entfpridit damit den gekläiten ßadtarchitek-
tonijchen Forderungen A. E. Brinckmanns, die in einem
bewußten Gegenfaß zu dem winkligen „malerifchen“ Stadt-
bau ftehen, dem noch der Romantiker Camillo Sitte
das Wort redet.

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