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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 6.1914

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9. Heft
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Ausstellungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.26375#0364

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AUSSTELLUNGEN

immer noch mit einem „aber“ kommen. „Bilder,
die man nicht entziffern kann, nennen dieDeutfchen
,myftifch‘ “, Tagte einmal einer der jüngeren Bla-
gueure, und das ganze Cafe lachte. Dennoch
wird derjenige dumm gefdiolten, der die Futu-
riften, Orphiften, Symchromiften, Simultaneiften,
die heute verlachen, was fie geftern gefdiaffen
haben, nicht Michelangelo, Greco oder Corot zur
Seite ftellt. Das Zitieren der ehrwürdigften Namen
vor lächerlichen Gefpreiztheiten ift ein unwür-
diger Sport geworden. Gemach. Die Zeit ift
eine gerechte Richterin. Was man in dem neuen
Salon von MALPEL, bei SAGOT und neuer-
dings auch bei LEVESQUE von Tünchereien
fieht, ift nicht wert genannt zu werden. Was
junge Amerikaner, Ruffen, Kroaten, Spanier und
einige Franzofen dort als Bilder ausgeben, wird
die Welt nicht lange in Atem halten. Die Ga-
lerie ROSENBERG trifft aus der Bilderflut ge-
fchicktere Auswahl. Sie hat einige fchöne Ce-
zannes, Bilder von Touloufe-Lautrec, Girieud,
ein paar ftimmungsvolle Kompofitionen von
Rouffeau erworben und vor allem dadurch einen
guten Griff getan, daß fie fich Marie Laurencin
verpflichtete. Die hingehauchten matten blau-
grauen und rofa Töne ihrer Feerien find fehr
delikat. Es ift eine zarte weibliche Kraft, die
alle Formen auflöft, aber in den feinen Linien
eine prickelnde Sinnlichkeit entfaltet. DRUET
pßegt nach wie vor diedonangebenden Künftler
des Herbftfalons: Charles Guerin, Flandrin, Man-
guin, Camoin, Laprade, die aus Renoirs, Ce-
zannes und Manets Tradition eine malerifche
Kultur entwickelt haben, deren Haupteigenfchaft
Gefdimack ift. Manche diefer Maler gaben einft
zu großen Hoffnungen Anlaß; alle aber blieben
auf halbem Wege ftecken. Ihre Bilder wirken
nicht groß und ftark, fondern liebenswürdig und
hübfch und erfüllen ihren Zweck als reizende
Dekoration in einem mondänen Salon wieDrefas
[charmante Zeichnungen. Ein Vorzug diefer
Künftler ift ihre frifche, farbenfrohe Palette.
Von den Impreffioniften haben fie die Anwen-
dung heiterer, ungebrochener Töne gelernt, der
fie einen großen Teil ihrer Erfolge verdanken.
Wer fich keinen Renoir leiften kann, kauft pch
ein Bild von George d’Espagnat. Der Laie
kann ihre Bilder verwechfeln. d’Espagnats
Bilder find fehr hübfch; aber ihnen fehlt alles,
was Renoirs Größe beftimmt. Neuerdings ift
in der GALERIE LOUIS LEGRAND im Haufe des
Gil Blas Druet eine Konkurrenz erwachfen.
Diefer neue Salon bietet denfelben Malern ein
Äfgl. Über dem Durchfchnitt diefes Kreifes
ftehen Marquet und Friesz, die, jeder in feiner
Art, den Eklektizismus überwunden haben und
nach einem eigenen Stil ftreben. DURAND-RUEL

veranftaltete Retrofpektiven von Monet und
Sisley. Es foll nicht geleugnet werden, daß
das Kunftwollen der Gegenwart eine von diefen
Meiftern fo fehr verfdiiedene Richtung genommen
hat, daß uns gerade Monets Bilder nicht mehr
das Erlebnis zu bedeuten vermögen wie vor
zehn Jahren. Dennoch wäre es ein Verrat an
unferer eigenen Vergangenheit, ihre hiftorifche
Stellung zu verkennen. Mehr noch. Die im-
preffioniftifchen Ausdrucksformen find uns heute
fo geläufig, daß ße uns vielleicht ermüdet haben.
Aber ein ruhiges Verweilen vor einem Bilde
Sisleys, vor einem frühen Monet läßt uns doch
die unmittelbare Kraft diefer parken Peinlich-
keiten empfinden. Erinnern wir uns dann noch,
daß diefe damals allein ftanden, fo begreifen
wir ihre Größe. BERNHEIM-JEUNE veranftaltete
eine Äusfteliung von Edouard Ärdiinard, einem
mittelmäßigen Eklektiker, und eine Retrofpektive
von Eva Gonzales, jener vortrefflichen Malerin,
die fo ganz in Manet aufging, daß man zu-
weilen ihre Bilder mit denen Manets verwechfelt.
Wie achtungswert ihr Talent auch ift, wie
menfdilich fchön diefes weibliche Selbftvergeffen
ift, — es mangelt ihrer Kunft doch ein eigener
Charakter. Anders Berthe Morrifot, von der
kürzlich in der neuen Galerie von MÄNZI eine
Gedächtnisausftellung gezeigt wurde. Sie hat
bei aller Einlebung in die Ausdrucksformen der
Impreffioniften ihre Weiblichkeit fich gewahrt.
Sie ift zarter, weicher in der Auffaffung und
feiner im Pinfelftrich. Am originalften wirkt
Mary Caffatt, die, wenigere Jahre im Kreife
der Impreffioniften verweilend, zu den ftärkften
Talenten Amerikas gehört. Sie hat ihre Per-
fönlichkeit niemals aufgegeben und hat ßdi in
ihren Lehrjahren an Renoir, Degas und Monet
bereichert. Weder in der Wahl ihrer Sujets,
noch in der Kompofition, auch nicht in Linie
und Farbe fteht fie unter der Botmäßigkeit der
Großmeifter der leßten Generation. Sie ift ihnen
nicht ebenbürtig, hat aber doch als Frau in ihren
Kinderbildern und Mutterfzenen, in dem lieb-
lichen Rofa ihrer Fleifchtöne und in den fanften
Konturen eine eigene Note, die echt weiblich
ift. VOLLARD vereinigte mehrere Bilder ihrer
Hand. Darauf zeigte Vollard neue Arbeiten
von Franc Lamy, der zum erften Male 1877 in
der dritten Äusfteliung der Impreffioniftengruppe
aufgetreten ift, dann durch ein bewegtes Leben
feinen erften Kameraden entzogen wurde, an-
dere Wege einfehlug und endlich im Älter von
neuem an feine jugendlichen Verfuche wieder
anknüpfte. Seine Landfehapen aus Venedig und
Südfrankreich pnd frifch und ftark. Die Galerie
ANDRE GROULT, die hauptfächlidi das Kunft-
gewerbe pflegt, ftellte neue Bucheinbände von

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