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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 13.1921

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Heft 1
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Basler, Adolphe: Henri Matisse
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https://doi.org/10.11588/diglit.27278#0036

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Henri Matiffe

Aiü 4 / Po/z ADOZ.P/4E z5ASZ.L/?

or einem Vierteljaßrßundert wurden die Meifter der Barbizonfcßule den Impreffio-


niften als Klaffiker gegenübergeftellt, in legier geit wird Monet Matiffe gegen-

v übergeftellt, deffen Kunftauffaffung bereits eine ganz andere ift als die der Im-
preffioniften. Die Auffaffung des Bildes ift bei Matiffe ebenfo verallgemeinert, wie
bei den Darftellungen auf einem ägyptifcßen Sarkophag. Eine Verallgemeinerung ßaben
wir auch bei den Impreffioniften, aber fie ift äußerlicher, die Konftruktion viel mate-
rieller. Matiffe ftrebt dagegen zu einer abftrakteren Sgntßefe der Natur. Er ftellt
feine Kunft nicßt dem Impreffionismus gegenüber und niemand in der jüngeren Gene-
ration franzöfifcßer Maler ßat einen größeren Kultus für Renoir, den man den Cizian
unferer geit nennen kann. Viel verdankt er Derain, jenem vielfeitigften Geift unter
den Jüngften, deffen Einfluß ficß von Matiffe bis zu den Kubiften verfolgen läßt. Aber
Matiffe ßat feine Kunft zuerft auf eine Formel gebracht.
„Es ift unmöglich", äußert er fiel), „die Natur fklavifcß zu kopieren. Ich muß fie
dem Sinn des Bildes unterordnen. Das von mir gefeßaffene Verhältnis zwifchen ein-
zelnen Details muß einen lebhaften Farbenakkord, eine analoge Harmonie hervorrufen,
ebenfo wie in der mufikalifchen Kompofition. Für mich liegt alles in der Konzeption.
Man muß alfo von Anfang an die genaue Vifion des Ganzen haben." „ln der
Malerei", fagt er weiter, „muß man vor allem zum Ausdruck ftreben. Diefer liegt
aber durchaus nicht in dem pathetifchen Ausdruck des Gefichts oder in einer gewalt-
famen Bewegung. Er befindet fiel) in der Anordnung des Bildes: in der Art, wie man
fefte Körper unterbringt, ein leeres Feld um fie ßer frei läßt, er liegt in den Verßält-
niffen, mit einem (Dort in der Kompofition, das heißt in der Kunft, verfeßiedene Ele-
mente. die dem Maler zum Ausdruck des Gefühls dienen, in dekorativer Art anzuordnen."
Matiffe, Derain, Picaffo bilden eine durchaus fgmboliftifcße Kunft. „Douer
d'autßenticite la nature", mit diefen (Horten von Mallarme kann man ißre Be-
gebungen cßarakterifieren.
Das Verdienft diefer Maler, befonders von Matiffe und Derain, beftand darin, daß
fie Cezannes Kunft wirklich in ßcß aufgenommen hatten. Am meiften trug zur Aus-
arbeitung diefer neuen Aftßetik Derain bei, aber die größte Reife zeigte Matiffe, der
Altefte in diefer Gruppe. Sein Debüt in der Malerei war feßr feßwer. Es war gerade
in der geit, als nur Bonnard, Vuillard, Rouffel das kulturelle Publikum durch das
Neue in ißrer Kunft bezauberten, die unter dem Einßuß von Cezanne und Gauguin
entftand. Aber diefe Maler fühlten fieß ßauptfächlicß durch den äußeren Glanz der
Palette des Meifters von Aix, durch den dekorativen Charakter in der Verteilung der
Flecke auf der Leinwand angezogen. Ebenfo fanden fie nur Gefallen an dem äußeren
Ausdruck der Arabeskenftilifierung in den japanifeßen Fjolzfcßnitten und an der Ver-
allgemeinerung in den Kompofitionen von Gauguin. Matiffe dagegen ftrebte bereits
zur Bildkonftruktion, die auf äußerft genauer Darftellung in der Fläche berußte. Sein
Bild ßatte keinen künftlicßen, konventionell von toten Flächen angefüllten Hintergrund,
fondern es beftand aus den realften, unumgänglicßften Linien, die das Geficßtsfeld ab-
fcßloffen. Die Konftruktion berußte bei ißm ferner auf der Betonung der Eigenfcßaften
der feften Körper, auf der dekorativen, proportionellen Anordnung der Flächen. Am
fgftematifcßften ftrebt er zu der möglicßft größten Einfachheit im Kolorit, das bei ißm
die Kraft, die Intenfität eßromatifeßer impreffioniftifeßer Harmonien mit ununterbrochener
Kontinuität des Lichts ßervorruft. Die Art des Kolorits felbft ift bei ißm impreffioniftifcß;

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