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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 13.1921

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Heft 10
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Franck, Hans: Impressionismus und Expressionismus
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https://doi.org/10.11588/diglit.27278#0333

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Impreffionismus und Expreffionismus

Von //ANS F/?ANCK

^ Entdeckungen ßaben eine Einzigkeit zur Vorausfe^ung: Irgendeine ans Lacher


ließe grenzende Gewaltfamkeit, die Umkehrung eines Gedankens, eines Gefühls,

^ ** die aller Eelt zur Selbftßerrlicßkeit, zur Unanzweifelbarkeit, zum Axiom ge-
worden find. Es muß nur jemand da [ein, der diefe Einzigkeit denkt, ausfpricßt, tut!
Eenn ein Columbus nicßt das gefucßte öftlicße Land, [ondern einen neuen Erdteil da-
durch entdeckt ßat, daß er nacß Ee[ten fußr — dann kann ßinterßer jeder Dans A[[
[agen: Das ßätt icß aucß gekonnt! Nur, daß er nicßt darauf gekommen i[t! Die
Einzigkeit nicßt getan ßat!
Mit der Entdeckung neuer Seelenländer verßält es ficß nicßt anders. Id) weiß nicßt,
ob es ein Einzelner war oder mehrere Einzelne, ob ein Deutfcßer, ein Franzo[e, ein
Italiener den Entdeckerrußm für [icß in Anfprucß neßmen kann (das mag und wird die
Geiftesgefcßicßte entfcßeiden) — icß weiß nur, daß von der jungen Künftlergeneration
Europas [eeli[cßes Neuland entdeckt ift. Und daß die[e Entdeckung eine Cragweite,
eine Bedeutung ßat, ßaben kann, nicßt geringer als die Entdeckertat des Columbus.
Die Grundvorausfe^ung aucß die[er Entdeckung i[t eine Einzigkeit. Dies war aller
Eelt bisßer [elb[tver[tändlicß: Die Kun[t, die Kun[t[orm, der Kun[tausdruck, ißre Stoffe,
ißre Rßytßmik, ißre befondere zeillicße Erfcßeinung — die Kunft ift im ßöcßften Maße
bedeutfam, auffcßlußreicß für das Erlebnis, für die Gefinnung, für das Lebensgefüßl,
für die Eeltanfcßauung. Die Kunft ift der zuverläffigfte Art- und Eertmeffer für das
Menfcßentum. Eeil der Menfcß in einer Periode diefe befondere Kunft ßatte, mußte
er fo und nicßt anders gewefen fein. Man deutete, fucßte, rätfelte, ging den Eeg
rückwärts. Und fand vor lauter Kunft fcßließlicß den Menfcßen nicßt meßr. Umgekeßrt!
rief der Entdeckermut der fugend. Aus der Gefinnung der 3eit, aus der allgemeinen
Erlebnistendenz, aus der Befonderßeit des Eeltgefüßls, aus dem Menfcßentum ift die
Kunft, der Ausdrude, das Formale, der Stil ßerzuleiten, zu deuten, gutzußeißen oder zu
verwerfen. Nicßt weil die Kunft fo ift, müffen die Menfcßen fo fein, wie wir fie
finden; fondern weil die Menfcßen, die vor uns ßergeßen, fo find, fo waren, muß,
mußte ißre Kunft fo fein. Eeil wir andere, Gewandelte, find, müffen, werden wir eine
neue Kunft ßaben. Nicßts ift nötig als: unfer Icß zu erforfeßen, auszudrücken, zu be-
tonen, zu manifeftieren. Um unfer Icß geßt's. Nicßt um Kunft. Um unfer Erleben
geßt's. Nicßt um feinen Ausdruck. Aus, mit unferm Icß, aus und mit feiner Entfaltung
ergibt fieß die Kunft, ißr Stil, ißr Rßytßmus, ißre Befonderßeit von felber. Eeil und
foweit wir Befondere find, werden wir eine befondere, werden wir eine- neue, werden
wir unfere Kunft ßaben.
Eine Einzigkeit! Eine Umkeßrung! Aber eine Entdeckertat. Denn alle Eandlungen
der Kunft geßen aus einer Veränderung des Seßens, die Veränderungen des Seßens
geßt aus den Eandlungen der Bezießungen des Menfcßen zur Eelt ßervor. ßur Icß-
welt und dadureß, damit zur Allwelt. Das Seßen aber ift nicßt ein einfaeßer, ein-
deutiger Vorgang. Es ift ein Komplex von Vorgängen. Das Seßen ift immer ein
Leiden und Rändeln, ein Empfangen und Erwidern, ein Fjinneßmen und Scßenken,
Anmerkung. Es fei nicßt unteriaffen, auf die beiden Bücßer nacßdrücklicßft ßinzuweifen, denen
icß für diefe Arbeit nicßt nur Anregungen, fondern einige nicßt zu übertreffende und daßer in fie
übernommene Formulierungen verdanke: Hermann Baßr, Expreffionismus (Deipßin-Verlag) und
Max Picard, Das Ende des Impreffionismus (R. Piper).

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