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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 13.1921

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Heft 8
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Curjel, Hans: Badische Kunstpflege
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Ausstellungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.27278#0285

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Ausheilungen

badifche Kunfthalle jeßt als ftändige Einrichtung
wechfelnde Sonderausftellungen, die teils be-
stimmte Kunftgebiete aus dem Befiß der Galerie,
ergänzt durch Leihgaben aus Privatbefiß, ver-
anschaulichen, teils Erfcheinungen aus dem Ge-
biete der gegenwärtigen Kunft auf fachliche, von
materiellem Intereffeunbelaftete&Heife, zur Dar-
Stellung bringen. Die leßte Sonderausftellung
unter dem Leitmotiv „religiöfe Kunft" ver-
einigte zunächft Klerke der Nazarener. Aus dem
Befiß der Galerie die bekannten Gemälde von
Sleinle, Ellenrieder, Overbeck ufw.; als wertvolle
Neuerwerbung eine wundervolle „Heimfuchung"
von der Hand Overbecks; als weitere Neu-
erwerbungen Gemälde eines völlig unbekannten
Mainzer Nazareners J. Settegaft. Eine Reihe
von Darstellungen aus der profanen Kunft Schloffen
fich an. Aber auch in diefen ift etwas zu ver-
fpüren von der religiöfen Eingabe jener geiten
und von dem ftark ausgeprägten Gemeinschafts-
gefühl, wie es etwa in dem ftiil in fich gekehrten,
troh des geringen Formates faft monumentalen
Gruppenbildniffes Johann Veit fich ausfpricht.
Befondere Freude bereiten die Malereien und
geicßnungen des Heidelberger Romantikers G.Ph-
Schmitt, der fchon auf der Heidelberger Roman-
tikerausftellung das Intereffe der Kenner er-
weckte, von deffen Hand ebenfalls wertvolle
Stücke für die Kunfthalle erworben wurden, gu
erwähnen wären noch zwei kleine Bilder Kerftings
aus Karlsruher Privatbefit;, die die pantheiftifch
märchenhafte Seite der geit vor 100 Jahren
iliuftrieren.
Als Gegenpol zur religiöfen Malerei der Na-
zarener waren moderne religiöfe Malereien des
Mannheimer Malers Klilly Oefer zu fehen.
Die religiöfen Impulfe diefer Bilder find durchaus
ehrlich, die formale Geftaltung von expreffiver
Kraft, die in unerfchöpflicher Phantafietätigkeit
die alten Stoffe völlig neu geftaltet. In den
Formen und Farben völlig aus der jungen Kunft
erwachfen und von deren Inbrunft befeelt, find
fie doch in einem ganz befonderen Sinne auch
für breitere Volksfchichten verftändlich, und man
könnte nur hoffen, daß auch die Kirche felbft
fich mit diefer Ausdrucksweife ernftlich abgäbe.
Gleichzeitig mit diefer Ausftellung religiöfer
Malerei waren im Rahmen einer gufammen-
ftellung badifcher Malerei des 19. Jahrhunderts
eine Reihe wertvoller Neuerwerbungen ausge-
ftellt. (Hahre Funde find die beiden Porträts
von Schwind aus deffen Freiburger geit, über-
rafchend eine Landfchaft des früheren Galerie-
direktors Leffing und eine kühn komponierte
Anficht des Heidelberger Schloffes von G. Ph-
Schmitt.

Ausstellungen
Amjterdam
Der „Hollandfche Kunftenaars Kring",
der augenblicklich im Stedlijk Mufeum in
Amfterdam ausftellt, ift zweifellos eine der be-
langreichsten Künftlergruppen Hollands. Eine
beftimmte Richtung repräfentiert fie nicht. Im-
preffioniftifche Landfchaftsmalereien von Breiten-
ftein hängen neben expreffioniftifchen Porträts
von Charley Eoorop, fymboliftifch-naturaliftifche
Apotheofen von dem Über-Mackart Monnicken-
dam neben geometrifch tot- ftilifierten Dekorations-
Stücken von Eekman.
Der Clou der Ausftellung ift wohl Jan Sluy-
ters. Man hat ihm wenigftens für feine neueften
(nicht weniger als 17) Bilder einen eigenen Saal
eingeräumt. Jan Sluyters ift von einer erstaun-
lichen Produktivität. Und noch erftaunlicher ift
fein fabelhaftes Können. Eechnifche Schwierig-
keiten gibt es für ihn nicht mehr. Es ift nur zu
bedauern, daß feine ehemals ftark Sinnliche und
Sexuelle Kunft immer mehr entartet. Die „Braut"
nennt er das Hauptwerk. Ein überfchlankes
knochenlofes Kleib mit weichem und heißem
Rofafleifch bietet all ihre intimften Reize dar
Die fern Bilde den Eitel „Braut" zu geben, ift
nicht eben gefchmackvolt. Jan Sluyters malt
faft nur Frauen. Es find aber nie Akte, Sondern
ftets entkleidete Modelle. Und wenn fie einmal
bekleidet find, fo wie die Eänzerin auf der Aus-
ftellung, dann forgt er ängftlich dafür, daß fich
bei einem Normalbetrachter alles andere nur
keine künftlerifchen Gefühle einftellen. Den
Höhepunkt bildet das Porträt einer mit Initialen
angedeuteten Dame aus derGefellfchaft. Sie fi^t
da en face, mit übergefchlagenem Bein und mit
einem fo kurzen Rock, daß nicht nur die wohl-
geformten Udaden, Sondern auch das verdammt
rajjige Knie ganz frei ift. Das hat aber nichts
mit Kunft zu tun. So ift diefe Kunft in höchftem
Maße unrein (nicht in moralifchem Sinn), weil
fie fich von nebenkünftlerifchen und außerkünft-
ierifchen gwecken nicht freimachen kann. Klenn
man die Frauenbildniffe von Sluyters eingehend
betrachtet hat und man wendet fich dann feinen
Blumenftilleben zu, fo empfindet man fogar diefe
als unzüchtig.
gu den bedeutendsten Ausftellern gehört weiter
Guftave de Smet. Bauernfiguren, ftinkend
nach Erde und Stall, mit Köpfen und Händen
wie aus Lehm und Kuhdünger geformt. Selten
habe ich das gufammengewachfene, das Ver-
bundene, die kosmifche Einheit von Pflanzen,
Bäumen, Eieren und Menfchen fo ftark nach-

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